Generationen-Komödie

"Wie war Jungsein früher, wie ist Jungsein heute"

Szene aus dem Film "Wir sind die Neuen"
Szene aus "Wir sind die Neuen" - warum die Jungen heute biestig und verspannt sind, habe ihn interessiert, sagt Ralf Westhoff. © dpa / picture alliance / X-Verleih
Moderation: Susanne Burg |
Der große Graben zwischen den drei Alt-68ern und der Studenten-WG, über der sie einziehen, sei ein schönes Experimentierfeld gewesen, sagt Ralf Westhoff. Natürlich habe er ein bisschen an der Schraube gedreht, um die Kinobesucher zum Lachen zu bringen, so der Regisseur von "Wir sind die Neuen".
Susanne Burg: Ein Ausschnitt aus dem Film "Wir sind die Neuen" ... Autor, Regisseur und Produzent des Films ist Ralf Westhoff und ihn begrüße ich jetzt ganz herzlich im Studio, hallo!
Ralf Westhoff: Hallo, guten Tag!
Burg: Ja, Sie haben vorher mit "Shoppen" und "Der letzte schöne Herbsttag" quasi so die Befindlichkeiten Ihrer eigenen Generation aufgegriffen. Nun sind Sie – darf ich vielleicht verraten, Jahrgang 69 – so zwischen den beiden Gruppen, die Sie beschreiben, zwischen den Studenten und den Alt-68ern. Was hat Sie an dieser Versuchsanordnung der Generationen gereizt?
Westhoff: Das ist eigentlich die Frage, wie war Jungsein früher, wie ist Jungsein heute. Das hat ein bisschen gedauert, bis ich an den Punkt gekommen bin, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass das Studieren oder die Jugend, das Jungsein heute sich doch deutlich unterscheidet von dem, was ich aus den Geschichten von etwas älteren Freunden und Bekannten kenne. Und da wird es dann plötzlich sehr spannend. Und diese zwei Wohngemeinschaften gegenüberzustellen und zu sehen, dass da ein großer Graben verläuft und dass die älteren WG-Mitbewohner völlig erstaunt sind, dass sie nichts von dem wiedererkennen, was sie aus ihrer Studienzeit kennen, das war ein schönes Experimentierfeld, das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe immer wieder neue kleine Details entdeckt, wo sich diese Generationen als meine These doch voneinander unterscheiden.
Burg: Sie sagten ja eben, wie sich das Jungsein verändert. Das Lustige ist, dass für jemanden wie mich, ich bin auch Jahrgang 69, diese Personen, dieser Habitus, die Art und Weise, wie sie reden, so vertraut ist. Die haben ja in der Jugend lange Zeit diesen Diskurs sehr bestimmt, und jetzt in Ihrem Film wirken sie fast mit dem, wie sie sind, aus der Zeit gefallen. Und gerade diese Brechung finde ich das, was den Film so interessant macht.
"Ein abschreckendes Beispiel für die Jungen"
Westhoff: Ich würde jetzt auch sagen, die sind auf alle Fälle im Moment nicht die Gewinner, sondern sie sind eher so ein abschreckendes Beispiel für die Jungen, weil sie einfach wenig Geld haben, wie wertvoll auch immer ihr Arbeitsleben gewesen sein mag, aber sie haben auf alle Fälle nicht finanziell profitiert und wirken im Heute und Jetzt ein bisschen altbacken und wenig glänzend. Und das war für mich auch ein wichtiges Thema in dem Film, zu schauen, ob da nicht auch was schiefläuft, dass die Formel "Reich ist gleich erfolgreich" einfach nicht taugt, eine Gesellschaft zu beschreiben. Und diesen Fehler machen die jungen Nachbarn am Anfang, weil sie die Älteren nur als Warnhinweis sehen, bloß nicht so zu enden wie die.
Burg: Altersarmut ist ja wirklich ein wichtiges Thema, gleichzeitig passen die Alten eben nicht ins Bild von hilfsbedürftigen Menschen. Wann war Ihnen klar, dass Sie daraus eine Komödie machen wollen und nicht ein Drama?
Westhoff: Ich glaube, das war schon klar, bevor ich wusste, welche Geschichte ich machen will, weil ich so sehr Komödie mag, und ich liebe es, wenn Leute im Kino lachen, und das will ich auch selber gerne. Und das ist, glaube ich, der beste Weg, man versucht, einen Film zu machen, für den man selber gern ein Kinoticket kaufen würde. Deswegen stand die Komödie schon fest, bevor ich auf das Thema gekommen bin!
Burg: Bei der Komödie ist es ja wiederum so, sie muss irgendwie die Klischees fürchten, aber gleichzeitig sind die Klischees ja Ausgangspunkt für vielen Witz, zu viel Angst vor Klischees ist eben auch nicht hilfreich. Wie sind Sie beim Schreiben und beim Drehen dann auch mit diesem Spagat umgegangen?
"Ich habe natürlich ein bisschen an der Schraube gedreht"
Westhoff: Die jungen Leute sind natürlich überspitzt. Wenn jetzt jemand zu mir käme und sagte, pass auf, so sind doch Studenten heute nicht, dann würde ich das auch unterschreiben und sagen, aber in meinem Film sind sie es! Es ist eine Komödie, ich habe natürlich da ein bisschen an der Schraube gedreht. Und es ist ja auch mehr so eine These, die sagt, wie wäre das denn, wenn die Welt so wäre wie in meinem Film, ist das dann gut oder ist es dann schlecht, lasst uns mal darüber reden!
Burg: Es sind ja drei Alte, die Sie nehmen, drei Junge, und alle vereinen irgendwie so bestimmte Charakteristika, die man mit der Generation verbinden könnte. So ein bisschen verbohrtes Revoluzzertum, unermüdliches Diskutieren auf der einen Seite, dann unglaubliches so Unter-Strom-Stehen der Studenten, ein bisschen Spießertum. Wie haben Sie das, was Ihnen wichtig war, als Generationenporträt in die Figuren gebracht? Wie haben Sie diese Figuren entwickelt?
Westhoff: Ich glaube, der wichtigste Punkt beim Entwickeln der Figuren war, von den Umständen auszugehen, sich die gesellschaftlichen Umstände anzuschauen und dann zu gucken, was machen die mit den Figuren, und das dann konsequent umzusetzen. Jetzt mal blöd gesagt, die jungen Leute sind sehr biestig und verspannt, und da ging es mir natürlich nicht darum, diese Charaktere zu kritisieren, sondern mir anzuschauen, wieso sind die denn so? Weil sie einem wahnsinnigen Druck unterliegen, weil sie dieses Examen schaffen müssen, vor dem sie stehen, und weil es einfach nicht komfortabel ist, heutzutage in einer Welt zu leben ohne Karriere und vielleicht ohne Geld. Und dass die älteren Leute mit ihrem wenigen Geld in einer Welt klarkommen müssen, wo plötzlich die mit dem Geld in der Stadt wohnen und die mit wenig Geld am Stadtrand wohnen, was sie berechtigterweise als nicht fair empfinden. Also sozusagen von außen nach innen, ich schaue mir an, was hat sich getan, wie hat sich die Gesellschaft verändert, auch wie sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und was macht das mit den Personen?
Burg: Am Anfang sind ja die Seiten sehr konfrontativ. Aber man nähert sich im Laufe des Filmes an und dann gibt es ja auch wirklich so eine gewisse Sehnsucht der Jungen, von den Alten zu lernen. Gibt es in unserer Gesellschaft so was wie eine Sehnsucht nach Vorbildern?
"Die besten Dinge dieser beiden Welten zusammentun"
Westhoff: Jetzt traue ich mehr nicht, für alle zu sprechen, ich kann nur sagen, ich habe diese Sehnsucht, ich lasse mir wahnsinnig gerne Dinge erzählen, ich lasse mir wahnsinnig gerne Dinge erklären und ich glaube, ich kann auch ganz, ganz zuhören. Und vielleicht kommt es daher, dass dieser Film dann irgendwann diese Richtung einschlägt. Es wäre natürlich ein schönes Bild, wenn sich am Schluss die besten Dinge dieser beiden Welten zusammentun und diese beiden Parteien dann mit dem gemeinsamen Wissen in die Zukunft gehen.
Burg: Die Figuren charakterisieren Sie sehr stark über die Sprache, über die Dialoge. Die wirken teilweise wirklich wie aus dem Leben gegriffen. Wie haben Sie sich diese Dialoge erarbeitet?
Westhoff: Da schreibe ich ganz lange und es macht mir sehr viel Freude und dann lasse ich es lange liegen und dann schreibe ich wieder daran. Das ist ein längerer Prozess und dann kommt ja irgendwann dieser magische Moment, wo dann der Schauspieler mir das wegnimmt und es sich zu eigen macht. Und wir haben zwar vorher diskutiert, ich habe gesagt, Kollegen, ich habe da sehr lange dran gearbeitet, bitte nehmt es ernst, bitte baut es nicht um, das haben sie auch gemacht, aber trotzdem gibt es diesen Punkt, wo dann die Schauspieler es sich zu eigen machen. So ein ganz kleines Beispiel ist der Michael Wittenborn, im Drehbuch stand immer Party und er hat gesagt, das war im Leben keine Party, das war eine Fete, ist ganz klar! Und das sind dann so diese kleinen schönen Sachen, wo Schauspieler das dann zum Glänzen bringen.
Burg: Und die auch aus ihrem eigenen Leben noch geschöpft haben.
Westhoff: Ja, unglaublich, Sachen, die ich jetzt gar nicht wissen konnte. Also, das ist auch ... Michael Wittenborn hat das mir bei einer Kino-Preview auch noch mal erklärt, dass er wirklich sich bemüht hat, diesen – wie hat er es genannt – leicht bekifften Sprachduktus von damals auch zu übernehmen. Ich kann es jetzt leider nicht nachmachen, das würde nicht im Ansatz das treffen, was er da im Film macht, aber er hat wirklich mit einer sehr eigenen Sprache, an die er sich auch noch gut erinnert hat, in diesem Film gesprochen. Und das ist natürlich ein sehr großes Geschenk der Schauspieler, dass sie sozusagen die Dialoge dann veredeln.
Burg: Und ich habe mich auch gefragt, wann ist das eigentlich passiert, dass diese Menschen plötzlich so aus der Zeit gefallen wirken, diese Alt-68er?
Westhoff: Ja, das weiß ich nicht genau, wann es war, aber es ist meiner Ansicht nach so, da ist ja unglaublich viel passiert. Die Marktwirtschaft hat sich durchgesetzt, wird nicht mehr diskutiert, jetzt wird noch gesprochen, wie sozial sie sein soll, aber da haben sich große Dinge verändert. Die Globalisierung ist ein großes Thema, der Konkurrenzdruck, und viele dieser Utopien, die da früher waren, die haben – habe ich so den Eindruck – vielleicht ihre Berechtigung, aber überhaupt keinen Raum mehr!
Burg: Ralf Westhoff, der Regisseur des Films "Wir sind die Neuen", der am Donnerstag in den Kinos angelaufen ist. Vielen Dank für Ihren Besuch, Herr Westhoff!
Westhoff: Danke auch!
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