Generationen

Wie die Babyboomer ihren Wohlstand sichern

Auf der Neugeborenenstation im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle liegen wenige Stunden alten Neugeborene, aufgenommen am 05.01.2011.
Die Generation der Babyboomer: 1964 gab es so viele Geburten in der Bundesrepublik wie seither in keinem anderen Jahr. © picture alliance / ZB / Waltraud Grubitzsch
Von Konstantin Sakkas · 20.08.2014
Wenn sich je eine Generation ins gemachte Bett gelegt hat, dann waren es die Babyboomer. Und diese Wohlstandskinder wachen eifersüchtig darüber, dass ihnen nichts von ihren gigantischen Vorteilen weggenommen wird, meint der Autor Konstantin Sakkas.
1990 war eine Zeitenwende. Seither hat sich alles verändert - politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und nicht bloß für die Bürger der ehemaligen DDR, sondern für die ganze deutsche Gesellschaft. Und diejenigen, die damals nicht älter als zehn Jahre alt waren, die Generation 30, bekommen zu spüren, dass diese Zeitenwende nachwirkt, sich dabei immer wieder erneuert.
Profitiert haben von ihr die Babyboomer. Geboren zwischen Ende der 50er- und Anfang der 70er-Jahre, taten sich ihnen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs unbegrenzte Möglichkeiten auf, die sie weidlich nutzten.
Sie bezogen Gehälter, handelten Pensionsansprüche aus, häuften Vermögen an, von dem die Jüngeren nur träumen können. Die Babyboomer sind angekommen, sitzen mittlerweile in höchsten Positionen. Der Kulturschock der Neunziger, die "Alles-kann-nichts-muss"-Ideologie hat ihnen wenig anhaben können.
Das Spießertum ihrer frühen Jahre gaben sie niemals auf, richteten sich mit der Lebenslüge der "Ich-AG" ein, die vorgibt, aller Probleme Herr zu werden, so man nur häufig genug Partner wechselt und Existenzen gründet. "Mein Haus, mein Auto, meine Jacht, meine unbefristete Arbeit, meine Aktienpakete und meine Altersvorsorge" – diese Ansprüche geben ihnen den Stallgeruch der großen Clique der Wohlstandskinder anzugehören.
Die Dreißigjährigen können sich kaum die Miete leisten
Wenn sich je eine Generation ins gemachte Bett gelegt hat, dann diese ewigen Babygesichter. Sie heimsten die Früchte dessen ein, was die Nachkriegskinder in einem zerstörten und besetzten Land mühsam geschaffen haben. Und sie wachen mit verschlagener Eifersucht darüber, dass ihnen nicht ein Gran ihrer gigantischen Vorteile weggenommen wird – schon gar nicht von Dreißigjährigen, die sich von Job zu Job hangeln und kaum die Miete leisten können.
Wer wie ich Anfang der Achtziger geboren wurde, hört oft, uns sei alles ohnehin geschenkt, die besten Startbedingungen geboten worden. Doch das stimmt nur bedingt. Uns wurde Bildung geschenkt - ein Geschenk übrigens der Ära "Brandt-Schmidt" nach der 68er-Zeit. Doch Bildung kann man nicht essen. Was also haben wir heute von ihr?
Sicher unser Können, alles das, was wir gelernt haben. Das macht Babyboomer, die sich nie anstrengen mussten, ängstlich und neidisch. Was wir eisernem Training verdanken, halten sie für Arroganz. Doch den Überlebensdruck kennen sie nicht.
Hinz und Kunz macht Abitur und sich die Arbeitsplätze streitig. In keiner Generation ist der Anteil der Aufsteiger- und Migrantenkinder so hoch wie in unserer. Unsere Eltern hinterlassen uns keine Schätze. Wer eine Immobilie schuldenfrei erbt, kann sich glücklich schätzen.
Die Speerspitze eines neuen Individualismus
Uns fehlt die Aussicht, es werde fortwährend aufwärts gehen, uns fehlt die Illusion, Wachstum werde es schon richten, uns fehlt das Gefühl, sorglos und sicher sein zu können. Uns bleibt, unser Heil nicht in der Quantität, sondern in der Qualität zu suchen, in dem, was Bildung uns schenkte.
Wir sind die Speerspitze eines neuen Individualismus. Und der wird auf die denkbar härteste Probe gestellt. Doch mit neuen Zeiten, davon bin ich überzeugt, werden wir besser klar kommen als die bequemen Babyboomer.
Erprobter Individualismus trägt Verantwortung, befreit sich aus Ideologien, lebt von Toleranz, schätzt das Bunte einer Gesellschaft, lässt sich nicht schrecken, von dem was unvorhergesehen, verwirrend oder komplex daher kommt – und verkennt weder Gemeinwohl noch Solidarität.
So wenig wie die Babyboomer hat die Generation 30 einen Krieg erlebt. So sehr wie unsere Eltern aber müssen wir Jüngeren uns alles hart erarbeiten.
Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.
Konstantin Sakkas
Konstantin Sakkas© privat
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