Wie Jung und Alt zueinander finden
Das katholische Projekt "Generationsbrücke Deutschland" will das Miteinander zwischen alten und jungen Menschen fördern. Deshalb bringt es Kita-Kinder und Grundschüler mit Senioren in Pflegeheimen zusammen.
Kinder und Susanne Schmitz: "Gottes Liebe ist so wunderbar. Gottes Liebe ist so wunderbar groß… und ganz wunderbar ist es auch, dass ihr heute alle hier seid und ein ganzes Kindergartenjahr bei uns wart. Das Begrüßungslied singen wir jetzt… richtig für die Frau Hermann… Frau Hermann, ist so wunderbar, so wunderbar groß...“
Das bekannte Kirchenlied "Gottes Liebe ist so wunderbar" wird engagiert und kräftig von kleinen und großen Sängern im Oktogon, dem Gemeinschaftsraum des katholischen Marienheims in Aachen-Brand gesungen. Acht Kinder aus dem benachbarten Kindergarten der Gemeinde "St. Monika" sind zu den älteren, teils dementen Heimbewohnern gekommen, um mit ihnen einen Teil des Vormittags zu verbringen. "Habt ihr euern Bewohnerpartnern richtig Guten Tag gesagt?", fragt Diplomsozialpädagogin Susanne Schmitz die fünf- und sechsjährigen Vorschulkinder. Frau Schmitz ist seit fünf Jahren hauptberuflich für die "Generationsbrücke Deutschland" tätig und erklärt den Ursprung der Idee und das Konzept:
Schmitz: "Ja bin ich seit 2009 hier festangestellt im Marienheim, und die Generationsbrücke ist ein fester Bestandteil von der katholischen Stiftung Marienheim. Horst Krumbach hat diese Idee in Amerika kennengelernt und hat gesagt, das möchte ich hier auch, und hat auch mit meiner Hilfe das Projekt auf deutsche Verhältnisse angepasst in Zusammenarbeit von Kindergartenkindern, Grundschülern und auch weiterführenden Schulen. Und die Erfolge sind ganz viel Freude auf beiden Seiten. Eine Möglichkeit, Sozialverhalten am Menschen direkt zu lernen und nicht für die Kindergartenkinder oder Schulkinder aus irgendwelchen Büchern. Die kriegen dann Partner, von dem sie wissen, ein Jahr lang können sie den behalten. Den besuchen sie einmal im Monat und lernen einen älteren Menschen kennen und die Talente und Gebrechen, die die Bewohner mitbringen."
Kinder lernen ihre "Bewohnerpartner" kennen
Im Laufe eines Kalenderjahres mit all seinen Festen von St. Martin über Weihnachten, Ostern bis Maria Himmelfahrt im August lernen die Kinder den sogenannten "Bewohnerpartner" intensiv kennen. In den Schulen und Kindergärten bereitet Susanne Schmitz die Kinder darauf vor. Schulkinder besuchen in der Regel so Schmitz "die kognitiv fitteren Bewohner, damit Gespräche möglich sind". Anders ist es bei den Jüngeren, denn:
"Was Kindergartenkinder schon können, können leicht oder schwer demente Bewohner gerade noch, das heißt die einzelnen Aktivitäten passen wir den Kindergartenkindern besonders an, dass sie nicht überfordert werden. Die einzelnen Aktivitäten teilen wir immer so auf, dass wir zu Anfang bei jeder Begegnung erst ein bisschen was mit Bewegung haben, dass die Bewohner auch wirklich merken, wir machen hier was, das bringt den Kreislauf in Schwung, und dann passend zur Jahreszeit: malen von Blumen, dann vor Weihnachten basteln mit Kerzen, Sterne, wo die Kinder auch mit körperlich eingeschränkten Partnern gemeinsam basteln und malen können."
Die Vorschulkinder gäben den älteren Menschen Kraft sowie Energie, versichert die Kitachefin und erzählt zum Beweis die Geschichte einer Heimbewohnerin, die tagelang lustlos im Bett liegen blieb. Aber als die Vorschulkinder zu Besuch kamen, so erinnert sie sich, dauerte es keine zwei Minuten, und sie war beim Stuhlkreis dabei. Es ist auch schon vorgekommen, dass einer der Bewohnerpartner verstarb. "Da lernen die Kinder: das Leben ist nicht nur Glücklichsein", stellt Susanne Schmitz heraus. "Die Eltern sind begeistert, weil sie oft eine Ersatzoma für ihre Kinder in der Nähe suchen", bestätigt Hanni Wilden. Mütter und Väter der Kita-Kinder werden in Elternabenden vorab darüber informiert, dass Krankheit, Sterben und Tod zum Projekt der "Generationsbrücke" dazu gehören.
Die 98-jährige Katharina Hermann lebt seit einem halben Jahrzehnt im Marienheim. Sie mag die Spiele und das Basteln mit den Kindern, auch wenn es für die alte Dame gelegentlich anstrengend ist. Einige kommen sie bis heute besuchen. Frau Hermann:
Katharina Hermann: "Schön, dann denk ich, das ist wunderbar, was die Kinder alles machen. Ja gewiss - aber anstrengend. Ich kann ihnen sagen, da sind sie nachher fertig. Die Nina, die kommt mich noch immer besuchen mit ihrer Mutter und dem Brüderchen."
Idee stammt aus den USA
Horst Krummbach ist der eigentliche Initiator und maßgebliche Ideengeber der "Generationsbrücke". Über viele Jahre war der gelernte Banker auch Leiter des Marienheims in Aachen. Er hatte sein Büro inmitten der Wohnbereiche und erklärt wie es zu seiner Idee der Generationsbrücke kam und was die Prinzipien sind. Horst Krumbach:
"Wenn sie tagtäglich umgegeben sind von alten, pflegbedürftigen, traurigen, gelangweilten, deprimierten und dementen Menschen, entwickelt man einfach das Bedürfnis, diesen Menschen in ihrer letzten Lebensphase noch Mal neue Lebensfreude zu vermitteln. Dann habe ich mich auf die Suche gemacht nach Lösungsansätzen. Weil in den USA aufgrund des vernachlässigten Sozialsystems viele gute Ideen entstehen, weil die Leute die Ärmel hochkrempeln, fand ich in den USA ein Konzept, was mich dazu inspiriert hat, das zu machen, was wir heute als Generationsbrücke Deutschland umsetzen."
Seine zukünftigen Aufgaben sieht Horst Krumbach im "Wachrütteln der 12 000 Pflegeheime in Deutschland", weil zum dortigen Leben die Selbstverständlichkeit der Generationen miteinander gehören muss. Er betont:
"Wir haben uns ganz klar die bundesweite Verbreitung unseres Konzeptes zur Aufgabe gemacht. Uns geht es darum, mit der Generationsbrücke Deutschland einen positiven Beitrag zu den großen Herausforderungen des demografischen Wandels zu leisten. Ein besserer und liebevollerer und verständnisvollerer Umgang der Generationen miteinander. Kinder zu sensibilisieren für die Bedürfnisse alter und pflegebedürftiger Menschen und die wiederum mit Glücksmomenten in ihrem tristen Alltag zu erfreuen."
Auch wenn die Generationsbrücke in Trägerschaft einer katholischen Stiftung ist, agiert sie nicht nur im kirchlichen Raum und ist offen für alle. "Das Miteinander von unterschiedlichen Generationen in ganz verschiedenen Lebenssituationen ist für mich gelebtes Christentum“, sagt Projektkoordinatorin Schmitz. Und ihr Chef Horst Krumbach unterstreicht:
"Alte Menschen, egal welcher Religionszugehörigkeit sie sind, sitzen alle im gleichen traurigen Boot. Dann kann es auch, selbst wenn man eine katholische Einrichtung ist, nur die Aufgabe eines Christen sein, dass man allen Menschen auch was Gutes tun möchte."
Am Ende verabschieden sich die acht betagten alten Frauen und Männer sowie die angehenden Schulkinder voneinander. Susanne Schmitz ist glücklich, dass sie mit ihrer Arbeit dazu beiträgt, dass Menschen aufeinander zugehen, sich die Hand reichen und Freude mit der jeweils anderen Generation erleben. Zum Abschied singen Kinder- und Alte gemeinsam:
"Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen bleibt nicht so lange fort, denn ohne euch ist halb so schön…"