Genie in Malerei, Zeichenkunst und Druckgraphik
Zum 400. Geburtstag des niederländischen Malers R. Harmensz van Rijn präsentieren die Staatlichen Museen zu Berlin einen "Rembrandt-Block". Die drei Ausstellungen zeigen "Rembrandt. Genie auf der Suche" sowie "Rembrandt. Der Zeichner" und "Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik".
Original Rembrandt - oder doch nur ein Schüler aus seiner Werkstatt? Seit Jahren ist mittlerweile die Verunsicherung beim Museumspublikum groß, seit nämlich ein beträchtlicher Anteil des vermeintlich so gewaltigen Oeuvres Rembrandts von der Forschung seinen Schülern zugeschrieben wurde. Die Berliner Staatlichen Museen waren besonders von der großen Werkbereinigung betroffen.
Prominentestes Beispiel nach wie vor das Gemälde "Mann mit dem Goldhelm", dessen Schöpfer heute als unbekannt gelten muss. Da stellt sich schon die Frage, was denn überhaupt noch von Rembrandt bleibt, wenn es offensichtlich in seiner Zeit so viele Genies gab, die zum Verwechseln gleich gut zu sein scheinen.
Bevers: "Erkennbar macht Rembrandt meines Erachtens vom Frühwerk bis zum Spätwerk die Tatsache, dass er mit wenigen präzisen Linien es schafft, Gebärden, Haltungsmotive, Gesten, Mimiken darzustellen. Oder wie man es schafft, mit wenigen Strichen den Kern einer Geschichte wirklich auf den Kern zu reduzieren,"
sagt Holm Bevers, als Direktor des Kupferstichkabinetts einer der Kuratoren des so genannten "Rembrandt"-Blockes auf dem Kulturforum am Potsdamer Platz, zuständig für die Zeichnungen und die Druckgraphik. Das ganze Spektrum von Rembrandts Kunst abzudecken, ist die große Besonderheit dieser Berliner Ausstellung, die eigentlich eine Dreifach-Schau ist. "Genie auf der Suche" nennt sich eine Ausstellung mit 70 Gemälden, die man im Wesentlichen vom Amsterdamer Rembrandt Huis übernommen hat. Aber man könnte sie vielleicht auch "Auf der Suche nach dem Genie" nennen. Denn wie auch in den beiden weiteren Ausstellungen mit Zeichnungen und Druckgraphik werden demonstrativ Werke von Rembrandts Schülern dem Meister gegenübergestellt, die vor nicht allzu langer Zeit noch diesem selbst zugeschrieben worden waren.
Bei den Zeichnungen des Berliner Kupferstichkabinetts etwa blieben von 126 Werken gerade 55 Original-Rembrandts übrig. Hochkarätige Landschaften, einstmalige Hauptwerke, wurden erst vor wenigen Jahren Rembrandts Schüler Konstantin Daniel von Renesse zugeschrieben. Direktor Holm Bevers ist immer noch konsterniert.
Bevers: "Also, es ist sehr dicht an Rembrandt, waren auch bis vor sechs Jahren immer Meisterblätter, da hab ich mit meinem damaligen Kollegen Hans Mielke, der inzwischen verstorben ist, noch lange vorgesessen und gesagt: Gott, wie schön ist, das, sagt er, Holm, ist das nicht herrlich? Sage ich: Ja, herrlich! Und es ist nicht Rembrandt!"
Das Publikum kann sich zum einen also selbst einmal davon überzeugen, welches Bild von Rembrandt es hat, und was geschieht, wenn die Erwartung enttäuscht wird: Der "Mann mit dem Goldhelm" ist ja über Nacht kein schlechteres Gemälde geworden. Und doch scheint ihm plötzlich die Absolution des Meisterwerks zu fehlen, da wir wissen, dass es eben "der" Meister doch nicht gemalt hat. Das ist sozusagen Rezeptionsgeschichte "live".
Das ist aber auch zugleich der Grund, weshalb die drei Berliner Ausstellungen in gewissem Sinn miteinander konkurrieren. Die Gemäldegalerie präsentiert auf sattem Dunkelgrün ein großes Augenfest. Rembrandt als Meister, der sich immer wieder verwandelt, der seine klassischen biblischen Themen, wie beispielsweise den Samson-und Dalila-Stoff, raffiniert verfremdet. Der bestimmte Figurentypen immer wieder in anderen Zusammenhängen einsetzt, wie an den vier Bildnisses seines Sohnes Titus zu sehen, der für verschiedenste Rollen Modell stand. Hier erscheint Rembrandt als der große Experimentator und in diesem Sinn tatsächlich immer auf der Suche. Doch drüben bei den Zeichnungen und der Druckgraphik sieht man die Sache etwas anders.
Holm Bevers: "Ich persönlich find den Titel ein Problem ein bischen, "Genie auf der Suche": Also ich glaube, ein Genie kann nicht mehr suchen, ein Genie hat schon längst alles gefunden. Und ich finde nicht, dass er noch groß sucht. Ich meine, er hat einfach in verschiedenen Zeiten verschiedene Interessen, denke ich mir. Ist natürlich schon toll, dass er plötzlich wieder Landschaft aufgreift, plötzlich Genre aufgreift und plötzlich wieder um 1650 mit der Historie anfängt. Das hat zum Teil aber auch sehr rationale Gründe, das hat mit dem Werkstattbetrieb sehr stark zu tun. Wahrscheinlich, was die Radierungen betrifft, auch mit einem bestimmten Käuferverhalten, natürlich. Aber ob er immer so rastlos suchte, permanent suchte, das wage ich etwas zu bezweifeln, und für die Zeichnungen finde ich es auch nicht so ausschlaggebend, oder sagen wir mal, ich würde es etwas abmildern."
Die Zeichnungen sind die Nagelprobe für den unbefangenen Betrachter. Im spontanen Elan der Zeichnungen kommt man der Handschrift des Meisters am nächsten. Die Themenvielfalt und stilistische Variabilität des malerischen Werks spiegelt sich auch hier und bei der Druckgraphik. Doch hier lassen sich anhand der Strichführung und der immer wieder großartigen Raumkomposition Rembrandts herausragende Eigenschaften von seiner Werkstatt abgrenzen.
Von burlesken Genreszenen bis zu so intimen Blättern wie dem berühmten Portrait seiner ersten Frau Saskia und wunderbar schlichten Landschaften reichen seine Studien und Entwürfe. In der Druckgraphik experimentiert er mit verschiedensten Materialien und geradezu virtuosen Verbindungen einzelner Genres, wie im berühmten Hundertguldenblatt.
Bevers: "Also das Hundertguldenblatt als Radierung ist absolut eine Malerei. Also da ist eine gedruckte Malerei. Zumindest der rechte Teil, der linke Teil ist vielleicht eher ne gedruckte Zeichnung, wenn man will, und das macht er natürlich schon absichtlich in dem Falle, um sozusagen zu zeigen, was er drauf hat, um seine ganze Stilbreite zeigen zu können - aha, das bin ich, Rembrandt, so gut bin ich, das kann ich, vom Zeichnerischen zum Malerischen, und dass er versucht alle Gattungen, alle Register zu ziehen und da sozusagen ein gedrucktes Bild und eine gedruckte Zeichnung in einem veröffentlicht."
Am Ende ist es gerade auch für nicht-wissenschaftliche Besucher ein Gewinn, dass die Berliner Dreifach-Ausstellung sich nicht scheut, indirekt gewissermaßen die noch nicht abgeschlossene Forschung am Rembrandt-Ouvre mit auszustellen. Die Gegenüberstellung von Rembrandt und seiner Werkstatt trägt zur Klärung bei – und das Publikum erhält einen unmittelbaren Einblick in die Bedingtheit wissenschaftlicher Urteile.
Prominentestes Beispiel nach wie vor das Gemälde "Mann mit dem Goldhelm", dessen Schöpfer heute als unbekannt gelten muss. Da stellt sich schon die Frage, was denn überhaupt noch von Rembrandt bleibt, wenn es offensichtlich in seiner Zeit so viele Genies gab, die zum Verwechseln gleich gut zu sein scheinen.
Bevers: "Erkennbar macht Rembrandt meines Erachtens vom Frühwerk bis zum Spätwerk die Tatsache, dass er mit wenigen präzisen Linien es schafft, Gebärden, Haltungsmotive, Gesten, Mimiken darzustellen. Oder wie man es schafft, mit wenigen Strichen den Kern einer Geschichte wirklich auf den Kern zu reduzieren,"
sagt Holm Bevers, als Direktor des Kupferstichkabinetts einer der Kuratoren des so genannten "Rembrandt"-Blockes auf dem Kulturforum am Potsdamer Platz, zuständig für die Zeichnungen und die Druckgraphik. Das ganze Spektrum von Rembrandts Kunst abzudecken, ist die große Besonderheit dieser Berliner Ausstellung, die eigentlich eine Dreifach-Schau ist. "Genie auf der Suche" nennt sich eine Ausstellung mit 70 Gemälden, die man im Wesentlichen vom Amsterdamer Rembrandt Huis übernommen hat. Aber man könnte sie vielleicht auch "Auf der Suche nach dem Genie" nennen. Denn wie auch in den beiden weiteren Ausstellungen mit Zeichnungen und Druckgraphik werden demonstrativ Werke von Rembrandts Schülern dem Meister gegenübergestellt, die vor nicht allzu langer Zeit noch diesem selbst zugeschrieben worden waren.
Bei den Zeichnungen des Berliner Kupferstichkabinetts etwa blieben von 126 Werken gerade 55 Original-Rembrandts übrig. Hochkarätige Landschaften, einstmalige Hauptwerke, wurden erst vor wenigen Jahren Rembrandts Schüler Konstantin Daniel von Renesse zugeschrieben. Direktor Holm Bevers ist immer noch konsterniert.
Bevers: "Also, es ist sehr dicht an Rembrandt, waren auch bis vor sechs Jahren immer Meisterblätter, da hab ich mit meinem damaligen Kollegen Hans Mielke, der inzwischen verstorben ist, noch lange vorgesessen und gesagt: Gott, wie schön ist, das, sagt er, Holm, ist das nicht herrlich? Sage ich: Ja, herrlich! Und es ist nicht Rembrandt!"
Das Publikum kann sich zum einen also selbst einmal davon überzeugen, welches Bild von Rembrandt es hat, und was geschieht, wenn die Erwartung enttäuscht wird: Der "Mann mit dem Goldhelm" ist ja über Nacht kein schlechteres Gemälde geworden. Und doch scheint ihm plötzlich die Absolution des Meisterwerks zu fehlen, da wir wissen, dass es eben "der" Meister doch nicht gemalt hat. Das ist sozusagen Rezeptionsgeschichte "live".
Das ist aber auch zugleich der Grund, weshalb die drei Berliner Ausstellungen in gewissem Sinn miteinander konkurrieren. Die Gemäldegalerie präsentiert auf sattem Dunkelgrün ein großes Augenfest. Rembrandt als Meister, der sich immer wieder verwandelt, der seine klassischen biblischen Themen, wie beispielsweise den Samson-und Dalila-Stoff, raffiniert verfremdet. Der bestimmte Figurentypen immer wieder in anderen Zusammenhängen einsetzt, wie an den vier Bildnisses seines Sohnes Titus zu sehen, der für verschiedenste Rollen Modell stand. Hier erscheint Rembrandt als der große Experimentator und in diesem Sinn tatsächlich immer auf der Suche. Doch drüben bei den Zeichnungen und der Druckgraphik sieht man die Sache etwas anders.
Holm Bevers: "Ich persönlich find den Titel ein Problem ein bischen, "Genie auf der Suche": Also ich glaube, ein Genie kann nicht mehr suchen, ein Genie hat schon längst alles gefunden. Und ich finde nicht, dass er noch groß sucht. Ich meine, er hat einfach in verschiedenen Zeiten verschiedene Interessen, denke ich mir. Ist natürlich schon toll, dass er plötzlich wieder Landschaft aufgreift, plötzlich Genre aufgreift und plötzlich wieder um 1650 mit der Historie anfängt. Das hat zum Teil aber auch sehr rationale Gründe, das hat mit dem Werkstattbetrieb sehr stark zu tun. Wahrscheinlich, was die Radierungen betrifft, auch mit einem bestimmten Käuferverhalten, natürlich. Aber ob er immer so rastlos suchte, permanent suchte, das wage ich etwas zu bezweifeln, und für die Zeichnungen finde ich es auch nicht so ausschlaggebend, oder sagen wir mal, ich würde es etwas abmildern."
Die Zeichnungen sind die Nagelprobe für den unbefangenen Betrachter. Im spontanen Elan der Zeichnungen kommt man der Handschrift des Meisters am nächsten. Die Themenvielfalt und stilistische Variabilität des malerischen Werks spiegelt sich auch hier und bei der Druckgraphik. Doch hier lassen sich anhand der Strichführung und der immer wieder großartigen Raumkomposition Rembrandts herausragende Eigenschaften von seiner Werkstatt abgrenzen.
Von burlesken Genreszenen bis zu so intimen Blättern wie dem berühmten Portrait seiner ersten Frau Saskia und wunderbar schlichten Landschaften reichen seine Studien und Entwürfe. In der Druckgraphik experimentiert er mit verschiedensten Materialien und geradezu virtuosen Verbindungen einzelner Genres, wie im berühmten Hundertguldenblatt.
Bevers: "Also das Hundertguldenblatt als Radierung ist absolut eine Malerei. Also da ist eine gedruckte Malerei. Zumindest der rechte Teil, der linke Teil ist vielleicht eher ne gedruckte Zeichnung, wenn man will, und das macht er natürlich schon absichtlich in dem Falle, um sozusagen zu zeigen, was er drauf hat, um seine ganze Stilbreite zeigen zu können - aha, das bin ich, Rembrandt, so gut bin ich, das kann ich, vom Zeichnerischen zum Malerischen, und dass er versucht alle Gattungen, alle Register zu ziehen und da sozusagen ein gedrucktes Bild und eine gedruckte Zeichnung in einem veröffentlicht."
Am Ende ist es gerade auch für nicht-wissenschaftliche Besucher ein Gewinn, dass die Berliner Dreifach-Ausstellung sich nicht scheut, indirekt gewissermaßen die noch nicht abgeschlossene Forschung am Rembrandt-Ouvre mit auszustellen. Die Gegenüberstellung von Rembrandt und seiner Werkstatt trägt zur Klärung bei – und das Publikum erhält einen unmittelbaren Einblick in die Bedingtheit wissenschaftlicher Urteile.