Wie Biobauern unter "MON810" leiden
Auf den Feldern Europas wachsen kaum genveränderten Pflanzen, nur in Spanien bauen Landwirte im großen Maßstab Genmais der Sorte MON810 an. Negative Effekte konnten Wissenschaftler bislang keine nachweisen. Trotzdem ist die Pflanze auch in Spanien umstritten.
Im Sommer steht der Mais auf den Feldern Spaniens prächtige zwei Meter hoch. Auf einer Fläche von rund 130.000 Hektar bauen die Landwirte die genveränderte Maissorte MON810 an - wohl Europas am meisten umstrittene Pflanze. José Manuel Cebollada kultiviert in Calamocha in Aragon Genmais. Er hat gute Gründe dafür:
"Ich pflanze Genmais wegen des Ertrags: Bauern mit konventionellem Mais ernten ungefähr 12.000 Kilo Mais pro Hektar. Wir Genmaisbauern ernten pro Hektar zwei oder dreitausend Kilo mehr."
Außerdem spart sich der Landwirt die Kosten für Insektizide. Eine spanische Studie hat ergeben, dass die Landwirte mit Gentech-Mais 100 Euro mehr Verdienst pro Hektar erwirtschaften, obwohl das Saatgut mehr kostet.
Ein Drittel der gesamten Maisproduktion Spaniens entfällt auf MON810. Der gentechnisch veränderte Mais enthält Erbmaterial des Bakteriums Bacillus thuringiensis, das der Saatguthersteller Monsanto in die Samen einschleust. So produziert der Mais Bt-Gift, benannt nach den Anfangsbuchstaben des Bakteriums. Es schützt den Mais vor dem Schädling Maiszünsler - und die Landwirte somit vor Ernteausfällen.
Schadet MON810 auch anderen Organismen?
Auf Mallorca, am Meer befinden sich die Maisfelder, auf denen Jeroni Galmés und seine Mitarbeiter mögliche Langzeitfolgen des Bt-Mais untersuchen.
Die Wissenschaftler der Balearen-Universität in Palma de Mallorca testeten, ob MON810 außer dem Maiszünsler auch anderen Organismen schadet. Hierzu stellten sie auf den Feldern Fallen für Käfer, Spinnen, Tausendfüßler und andere Organismen auf. Diese Tiere erfüllen wichtige Funktionen für das Ökosystem, indem sie beispielsweise die Fruchtbarkeit der Böden fördern. Das Ergebnis:
"Der Bt-Mais, der dieses bestimmte Gift enthält, das nur dem Maiszünsler schadet, hat keine Wirkung auf andere Organismen. Dieses Gift kann nur seine Wirkung entfalten, wenn es an Rezeptoren an der Darmwand der Maiszünsler-Larven andockt. Deshalb wird das Gift seit Jahren im biologischen Landbau verwendet. Wir konnten eine Verbesserung der Biodiversität in den Genmaisfeldern feststellen, im Vergleich zu den Feldern, auf denen konventioneller Mais wächst und Insektenvernichtungsmittel angewendet werden."
Trotzdem ist die genveränderte Pflanze auch in Spanien weiterhin umstritten. Der Anbau des Genmais bedeutet für Bio-Imker wie Jaume Pou aus Mallorca handfeste Schwierigkeiten.
"Die Bienen sammeln Pollen für ihren Nachwuchs. Du kannst nicht kontrollieren, von welcher Pflanze sie die Pollen sammeln. In den Honig fällt immer ein Teil der Pollen. Wenn er von einer genveränderten Pflanze stammt, ist dein Honig verschmutzt."
Eigentlich möchte Jaume Pou seinen Honig als Ökoprodukt verkaufen. Doch weil sich in dem Produkt Spuren des gentechnisch veränderten Mais nachweisen lassen, geht der Honig zu niedrigeren Preisen über den Ladentisch. Ein ähnliches Problem haben die Biobauern:
Wind kann MON810-Blütenstaub auf Biomais tragen
Der Wind kann den Blütenstaub von MON810 auf die Blütennarbe von Biomais tragen, die Inspektoren der Prüfstellen weisen dann Anteile des Genmais in den Bio-Maiskolben nach, so dass es auch für die Biobauern heißt: Abschied nehmen von den erhofften höheren Preisen für das Bioprodukt. In Spanien bauen deshalb nur noch wenige Landwirte Biomais an, so wie Joan Llul aus Mallorca:
"Wir versuchen, unter dem Schutz von Plastikplanen unsere Pflanzen auszusäen und die Aussaat vorzuziehen, damit unsere Pflanzen nicht zur gleichen Zeit blühen wie der Gen-Mais. Wir machen alles Mögliche, um zu verhindern, dass sich der Gen-Mais auf unseren Bio-Feldern ausbreitet, obwohl es die Genmaisbauern sind, die uns schaden. Das ist ungerecht."
Um verbindliche Regeln aufzustellen, wollen die Forscher um Jeroni Galmés auf den Versuchsfeldern der Balearen-Uni einen notwendigen Mindestabstand zwischen genverändertem und nicht-genverändertem Mais ermitteln:
"Unsere Felder liegen in Gebieten, in denen starker Wind vom Meer aufs Land weht, wobei die Gentech-Maisfelder näher an der Küste liegen. Die Felder mit herkömmlichem Mais befinden sich dahinter. Wir haben herausgefunden, dass selbst bei diesem starken Wind ein Abstand von 30 Metern zwischen den Feldern ausreicht, um eine genetische Übertragung zu verhindern. Allerdings nur, sofern das Land dazwischen bewachsen ist. Die Pflanzen wirken wie eine Barriere. Diese Studien sollen Politikern dienen, einen Mindestabstand zwischen den verschiedenen Felder-Typen festzulegen."
Doch für diese Forschungsarbeiten hat sich bisher noch kein Politiker interessiert.