Neues Radsportbuch

Eine Hommage an den Giro d'Italia

05:57 Minuten
Szene vom Giro d'Italia
Der Giro d'Italia ist eine der großen Radrundfahrten der Welt. © dpa / picture alliance / Fabio Ferrari
Von Stefan Osterhaus · 21.05.2023
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Der Giro d’Italia ist ein Faszinosum – auch für den Schriftsteller Fabio Genovesi. Als Journalist begleitete er das Radrennen und veröffentlichte nun das Buch „In meinem Herzen alles Sieger“. Es ist mehr als nur das Protokoll einer Reise.
Als Kind fasste Fabio Genovesi einen Entschluss. Wenn er erwachen sei, dann fahre er den Giro d’Italia. Das sagte er 1984, mit gerade mal zehn Jahren.
Denn er konnte nicht genug vom Giro bekommen, als er auf der Straße stand und die Fahrer an ihm vorbeirauschten:
„Innerhalb weniger Sekunden waren die Fahrer vorbeigefahren, dann die Mannschaftswagen, zum Schluss weitere Polizeimotorräder. Und dann: nichts mehr. Nur die Stille, die leere Straße, die Menschen, die sich auf den Nachhauseweg machten, ein jeder und eine jede zurück in ihr normales Leben, ohne Sirenen, ohne aus dem Fenster geworfene Geschenke, ohne diese Energie und Geschwindigkeit. Mir erschien das alles unmöglich. Eine solche Grausamkeit, eine Ungerechtigkeit, dass der Giro an mir vorbeizog, mir seinen ganzen Glanz offenbarte, nur um weiterzuziehen und mich hier alleine zurückzulassen.“

Eine der größten Radrundfahrten der Welt

Es war der Beginn einer Passion. Und Fabio Genovesi machte seine Prophezeiung wahr. Zwar wurde er nicht Radprofi, aber 2013 fuhr der Schriftsteller den Giro d'Italia mit. Aber nicht als Radsportler, sondern als Reporter für die "Corriere della Sera".
Genovesi ist das, was man einen Erfolgsschriftsteller nennen kann. In Italien ist er ein populärer Autor. „In meinem Herzen alles Sieger“, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt, ist allerdings kein journalistisches Werk im üblichen Sinne. Es ist fernab jeder Aktualität - und somit zeitlos. Eine Hommage an eine der großen Radrundfahrten der Welt, ein Rennen so legendär wie sonst nur die Tour de France.

Viele Legenden beim Giro

Und der Giro hat viele Legenden hervorgebracht – Gino Bartali, Faust Coppi sind zwei der größten. Über Bartali gibt es einen Song des italienischen Musikers Paolo Conte, der von einem Mann handelt, der alles stehen und liegen lassen würde, nur um Bartali an Strecke erlebt zu können.
Denn der Giro ist keine übliche Sportveranstaltung. Radrennen haben einen ganz eigenen Charakter. Es gibt kaum Distanz zum Publikum, weder bei den Tagesklassikern noch bei der Tour oder beim Giro. Das hat auch Genovesi immer wieder so erlebt.

Die Eigenheit des Giro d'Italia beschreibt er so: „Er kommt zu dir. Er verlangt keine Eintrittskarten, er zwängt dich nicht in Stadien oder muffige Sporthallen, er kommt zu dir nach Hause. So als würde es eines Tages an deiner Tür klingeln, und wenn du aufmachst, steht die Mannschaft des AC Mailand oder von Juventus Turin vor dir und sagt: ‚Hey, wir kicken bei euch im Hof, hast du Lust, zuzusehen?’“

Genovesi gelingt es auf beeindruckende Weise - und zwar, ohne in den dokumentarischen Tonfall eines Reporters einzustimmen, die Atmosphäre des Giros einzufangen. Immer wieder vermittelt er den Eindruck, dass der Giro, wie auch die Tour de France, eben doch weit mehr als bloß eine Profi-Radveranstaltung ist.

Der Giro mit spiritueller Note

Der Giro ist für ihn gewissermassen ein Hochamt, ein Rennen, das eine spirituelle Note hat: „Heute habe ich sofort gespürt, dass Magie in der Luft liegt. Es könnten die Plakate entlang der Straße von Policastro gewesen sein, Werbung für Parapsychologen und Zauberer mit fabelhaften Namen: Mago di Corinto, Doctor Horus, der unheimliche Ibridos ... In Capo Vaticano stellte sich dann ein sanfteres Gefühl ein, begünstigt durch die Klippen von Mantineo, auf denen in der Antike die Götter befragt wurden.“

Die tragische Dimension mancher Helden

Antike Götter: Das sind selbst die größten Radsportler nicht, nicht mal Bartali und Coppi. Doch manche der Helden erlangte eine tragische Dimension. So auch Marco Pantani, der 2004 unter bisher ungeklärten Umständen ums Leben kam. In seinem Blut wurden damals Spuren von Drogen gefunden.
Bis heute haben ihn die Fans nicht vergessen, schreibt Genovesi: „Seit Beginn des Rennens feiert der Großteil der Plakate, die ich bei diesem Giro am Straßenrand gesehen habe, noch immer Marco Pantani. Und das macht mich glücklich, Pantani war ein Gigant, noch immer träume ich ab und zu von Pantani, der die ganze Nacht für mich aus dem Sattel geht und bergauf sprintet, die Hände im Unterlenker. Aber leider ist der Pirat nicht mehr da. Er hat dem Radsport unendlich viel gegeben, aber nun braucht es andere Funken, die die Straße entzünden.“

Wenn er über Doping schreibt, klingt er resigniert

Pantani wurde berühmt durch seinen Gesamtsieg bei der Tour de France 1998, während einer atemberaubenden Bergetappe hängte er bei Schnee und Regen den deutschen Tour-Gewinner von 1997, Jan Ullrich, ab. Im selben Jahr gewann Pantani den Giro d’Italia.
Der Schriftsteller Fabio Genovesi
Fabio Genovesi ist ein Erfolgsschriftsteller in Italien.© dpa / picture alliance / Mirco Toniolo
Es war die große Zeit des Dopings, eine Zeit der Champions unter Vorbehalt. Man denke nur an Lance Armstrong, der nur ein einziges Mal am Giro teilnahm, da er sich stets auf de Tour de France konzentrierte. Genovesi ignoriert die Betrügereien in seinem Buch nicht. Aber wenn er über Doping schreibt, dann klingt er eher resigniert:
„Aber ich fürchte, diese Betrübnisse sind zeitlos, sie verschwinden niemals von dieser Welt. Wir Fans sind daran gewöhnt, wir haben viel ertragen und werden durchhalten. Abgesehen davon kann man ja nicht behaupten, dass der Radsport sich viele Schlamassel nicht selbst zuzuschreiben hat.“
Fabio Genovesi:
„In meinem Herzen alles Sieger“

Covadonga-Verlag
200 Seiten
18 Euro

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