Gentest kann Brustkrebspatientinnen Chemotherapie ersparen
Viele an Brustkrebs erkrankte Frauen brauchen keine Chemotherapie, um gesund zu werden. Sie sind mit dem Giftcocktail überbehandelt. Mit verschiedenen Gentests kann das Risiko für eine Wiedererkrankung nach einer Operation überprüft und gegebenenfalls eine verträglichere Behandlung eingeleitet werden.
Brustkrebs. Hiltraut Kaufmann-Thönes erfährt kurz vor ihrem 63. Geburtstag davon. Sie weiß, was damit wahrscheinlich auf sie zukommt: eine Chemotherapie. Und sie hat Angst davor.
"Das war ein Riesenschock. Das hat mich sehr ratlos und hilflos und orientierungslos gemacht und diese Angst hat mich tagelang beherrscht."
Unruhig und voller Sorgen begibt sie sich in Behandlung, am Brustzentrum Niederrhein in Mönchengladbach. Dort gibt es einen ersten Lichtblick für sie, denn die Ärzte bieten ihr etwas Neues an: einen Gen-Test. Er soll prüfen, ob sie wirklich eine Chemotherapie benötigt. Die Lehrerin ergreift die Chance und willigt ein. Sie nimmt jetzt an der medizinischen Studie teil, die den Test untersucht. Es folgt die Operation. Dabei entfernen die Ärzte ihren Tumor und eine kleines Stück davon schicken sie weiter, zur genetischen Analyse. Dabei zeigt sich: Der Krebs von Hiltraut Kaufmann ist wenig aggressiv, und die Wahrscheinlichkeit gering, dass er nach der Operation erneut ausbricht. Die Ärzte raten ihr, auf die Chemotherapie zu verzichten.
"Das war ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich muss sagen, ich habe Tage gebraucht, es zu fassen, dass ich drum herum gekommen bin."
Keine Chemotherapie, trotz Brustkrebs. Das ist möglich, weil Mediziner inzwischen einen neuen Blick auf den Tumor haben, erklärt Studienleiterin Ulrike Nitz vom Brustzentrum Niederrhein.
"Seit dem Jahr 2002 haben wir den genetischen Fingerabdruck der Tumoren untersuchen können. Und da haben wir gesehen, dass es unterschiedliche Arten von Brustkrebs gibt. Das wussten wir vorher nicht."
Jeder Tumor ist anders. Ärzte vermuten deswegen heute: Ist der Krebs wenig aggressiv, hat die Patientin eine gute Prognose. Das heißt, ihr Risiko, in den zehn Jahren nach der Operation erneut zu erkranken, liegt unter zehn Prozent. Die Ärzte vermuten, dass das jedes Jahr auf bis zu 15.000 Frauen zutrifft. Bisher bekommen sie alle noch eine Chemotherapie - und sind damit überbehandelt, einem Giftcocktail ausgesetzt, den sie möglicherweise gar nicht benötigen. Die neuen Testverfahren - ein Biomarker- und drei Gentests - sollen das jetzt verhindern. Aber obwohl sie seit kurzem zur Verfügung stehen, warnt Ulrike Nitz vor vorschnellen Hoffnungen:
"Das ist letztlich noch therapeutisches Neuland, sodass wir das nicht routinemäßig einsetzen können. Wir haben ja auch immer die Angst, dass wir jemanden unterbehandeln."
Am besten erforscht ist der Biomarkertest – UPA/PAI-1 genannt. Die ärztliche Leitlinie empfiehlt ihn bereits bei der Behandlung von Brustkrebs. Trotzdem bieten nicht alle Kliniken ihn ihren Patientinnen an. Noch neuer sind drei unterschiedliche Gentests. Sie alle werden zurzeit noch in medizinischen Studien erprobt. Patientinnen, die sich für einen der Tests interessieren, rät Ulrike Nitz:
"Die Patientin sollte sich an jemanden wenden, von dem sie weiß, dass er viel Umgang mit Brustkrebs hat und eben auch diese Testsysteme kennt. Ich denke, es gibt genügend Brustzentren und es gibt genügend Ärzte, die sich eigentlich nur noch mit Brustkrebs beschäftigen. Und bei denen ist es so, dass sie zu den Kongressen fahren und eben dieses Know-how haben."
Wenn der Test der Brustkrebs-Patientin ein geringes Risiko für eine Wiedererkrankung bescheinigt - dann muss sie immer noch selbst entscheiden: Chemotherapie ja oder nein?
"Das sind keine Entscheidungen, die ganz schnell gehen. Wie hoch ist die Angst vor der Wiedererkrankung? Wie hoch ist das Risiko? Wie ist die Aufklärung durch den Arzt? Und wie werden die Nebenwirkungen der Chemotherapie eingeschätzt. Ich glaube, dass man da einen guten Mittelweg finden muss. Das sind aufwendige Diskussionen."
Patientinnen, die sich gegen eine Chemotherapie entscheiden, bekommen in der Regel eine Antihormontherapie. Dabei nimmt die Patientin über mehrere Jahre Medikamente ein, die das Tumorwachstum stoppen oder verlangsamen. Der Vorteil gegenüber der Chemotherapie: Gesunde Zellen werden nicht direkt angegriffen. Insgesamt ist die Antihormontherapie besser verträglich, denn sie hat vergleichsweise geringe Nebenwirkungen: Wechseljahr- und Gelenkbeschwerden, Blutungen, Depressionen. Eine Chemotherapie dagegen verursacht massive Beschwerden:
"Weil es Zellgifte sind, die gehen auf alles, was schnell wächst. Die gehen aufs Immunsystem, die Haare, die Eierstöcke, die Darmschleimhaut. Und wir wissen auch, dass sie am Hirn zu Konzentrationsschwächen, Antriebsschwäche. Vom Nebenwirkungsprofil sind die Antihormontherapien sehr viel weniger belastend als eine Chemotherapie."
Ob diese aggressive Therapie vielen Patientinnen in Zukunft mit Hilfe der Tests erspart bleiben kann - das müssen die kommenden Jahre erst zeigen. Drei große Studien laufen dazu, sie sollen im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Brustkrebspatientin Hiltraut Kaufmann-Thönes jedenfalls hat ihren Verzicht auf die Chemotherapie bis heute nicht bereut.
"Und im Ende entstand dann ein Gefühl großer, großer Dankbarkeit. Und das hab ich bis zum heutigen Tag."
"Das war ein Riesenschock. Das hat mich sehr ratlos und hilflos und orientierungslos gemacht und diese Angst hat mich tagelang beherrscht."
Unruhig und voller Sorgen begibt sie sich in Behandlung, am Brustzentrum Niederrhein in Mönchengladbach. Dort gibt es einen ersten Lichtblick für sie, denn die Ärzte bieten ihr etwas Neues an: einen Gen-Test. Er soll prüfen, ob sie wirklich eine Chemotherapie benötigt. Die Lehrerin ergreift die Chance und willigt ein. Sie nimmt jetzt an der medizinischen Studie teil, die den Test untersucht. Es folgt die Operation. Dabei entfernen die Ärzte ihren Tumor und eine kleines Stück davon schicken sie weiter, zur genetischen Analyse. Dabei zeigt sich: Der Krebs von Hiltraut Kaufmann ist wenig aggressiv, und die Wahrscheinlichkeit gering, dass er nach der Operation erneut ausbricht. Die Ärzte raten ihr, auf die Chemotherapie zu verzichten.
"Das war ein unglaubliches Glücksgefühl. Ich muss sagen, ich habe Tage gebraucht, es zu fassen, dass ich drum herum gekommen bin."
Keine Chemotherapie, trotz Brustkrebs. Das ist möglich, weil Mediziner inzwischen einen neuen Blick auf den Tumor haben, erklärt Studienleiterin Ulrike Nitz vom Brustzentrum Niederrhein.
"Seit dem Jahr 2002 haben wir den genetischen Fingerabdruck der Tumoren untersuchen können. Und da haben wir gesehen, dass es unterschiedliche Arten von Brustkrebs gibt. Das wussten wir vorher nicht."
Jeder Tumor ist anders. Ärzte vermuten deswegen heute: Ist der Krebs wenig aggressiv, hat die Patientin eine gute Prognose. Das heißt, ihr Risiko, in den zehn Jahren nach der Operation erneut zu erkranken, liegt unter zehn Prozent. Die Ärzte vermuten, dass das jedes Jahr auf bis zu 15.000 Frauen zutrifft. Bisher bekommen sie alle noch eine Chemotherapie - und sind damit überbehandelt, einem Giftcocktail ausgesetzt, den sie möglicherweise gar nicht benötigen. Die neuen Testverfahren - ein Biomarker- und drei Gentests - sollen das jetzt verhindern. Aber obwohl sie seit kurzem zur Verfügung stehen, warnt Ulrike Nitz vor vorschnellen Hoffnungen:
"Das ist letztlich noch therapeutisches Neuland, sodass wir das nicht routinemäßig einsetzen können. Wir haben ja auch immer die Angst, dass wir jemanden unterbehandeln."
Am besten erforscht ist der Biomarkertest – UPA/PAI-1 genannt. Die ärztliche Leitlinie empfiehlt ihn bereits bei der Behandlung von Brustkrebs. Trotzdem bieten nicht alle Kliniken ihn ihren Patientinnen an. Noch neuer sind drei unterschiedliche Gentests. Sie alle werden zurzeit noch in medizinischen Studien erprobt. Patientinnen, die sich für einen der Tests interessieren, rät Ulrike Nitz:
"Die Patientin sollte sich an jemanden wenden, von dem sie weiß, dass er viel Umgang mit Brustkrebs hat und eben auch diese Testsysteme kennt. Ich denke, es gibt genügend Brustzentren und es gibt genügend Ärzte, die sich eigentlich nur noch mit Brustkrebs beschäftigen. Und bei denen ist es so, dass sie zu den Kongressen fahren und eben dieses Know-how haben."
Wenn der Test der Brustkrebs-Patientin ein geringes Risiko für eine Wiedererkrankung bescheinigt - dann muss sie immer noch selbst entscheiden: Chemotherapie ja oder nein?
"Das sind keine Entscheidungen, die ganz schnell gehen. Wie hoch ist die Angst vor der Wiedererkrankung? Wie hoch ist das Risiko? Wie ist die Aufklärung durch den Arzt? Und wie werden die Nebenwirkungen der Chemotherapie eingeschätzt. Ich glaube, dass man da einen guten Mittelweg finden muss. Das sind aufwendige Diskussionen."
Patientinnen, die sich gegen eine Chemotherapie entscheiden, bekommen in der Regel eine Antihormontherapie. Dabei nimmt die Patientin über mehrere Jahre Medikamente ein, die das Tumorwachstum stoppen oder verlangsamen. Der Vorteil gegenüber der Chemotherapie: Gesunde Zellen werden nicht direkt angegriffen. Insgesamt ist die Antihormontherapie besser verträglich, denn sie hat vergleichsweise geringe Nebenwirkungen: Wechseljahr- und Gelenkbeschwerden, Blutungen, Depressionen. Eine Chemotherapie dagegen verursacht massive Beschwerden:
"Weil es Zellgifte sind, die gehen auf alles, was schnell wächst. Die gehen aufs Immunsystem, die Haare, die Eierstöcke, die Darmschleimhaut. Und wir wissen auch, dass sie am Hirn zu Konzentrationsschwächen, Antriebsschwäche. Vom Nebenwirkungsprofil sind die Antihormontherapien sehr viel weniger belastend als eine Chemotherapie."
Ob diese aggressive Therapie vielen Patientinnen in Zukunft mit Hilfe der Tests erspart bleiben kann - das müssen die kommenden Jahre erst zeigen. Drei große Studien laufen dazu, sie sollen im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Brustkrebspatientin Hiltraut Kaufmann-Thönes jedenfalls hat ihren Verzicht auf die Chemotherapie bis heute nicht bereut.
"Und im Ende entstand dann ein Gefühl großer, großer Dankbarkeit. Und das hab ich bis zum heutigen Tag."