Der Rebell von München
Die Mieten in München steigen seit Jahren exorbitant. Maxiliam Heisler wehrt sich dagegen und zeigt in Stadtführungen, wie die Gentrifizierung die Millionenstadt verwandelt hat. Dafür erhält er prominente Unterstützung.
"Herzlich Willkommen zur Stadtteilführung vom Bündnis bezahlbares Wohnen."
Mit weit ausholender Geste zeigt Maximilian Heisler um sich. Ein kleines Grüppchen Münchner steht um ihn herum, schaut neugierig in die angegebenen Richtungen. Ein Teilnehmer arbeitet beim Münchner Arbeitsamt und will erfahren, warum er immer öfter für Münchner Bürger das Wohngeld übernehmen muss, weil sie die eigene Miete nicht mehr zahlen können. Dabei ist auch eine Gruppe junger Pfadfinder aus Sachsen, die wissen wollen, warum das Leben in München so teuer ist.
Der Straßenverkehr rauscht vorbei, während er unbeirrt erzählt:
"Jetzt können wir uns mal diese Balkone anschauen, die sind quasi schwarz vom Ruß, wir schauen uns die notdürftig reparierte Fassade an mit ein paar Ausbesserungsarbeiten, der Block ist quasi genauso wie vorher, nur soll man jetzt zwanzig Prozent mehr Miete zahlen."
Alte Betriebe mussten weichen
Heisler führt zur alten Bäckerei Petermeier, die einer der vielen Back-Ketten weichen musste. Er führt zum alten Schuhmacher in der Hans-Mielich-Straße, der sich die Miete nicht mehr leisten konnte; und zu den 23 Architekturbüros, die sich hier angesiedelt haben.
In Untergiesing, wo Heisler regelmäßig kostenlos anderthalb-Stunden-Führungen für jeden Bürger, aber auch Politiker, Sozialarbeiter und Touristen anbietet, da ist er aufgewachsen, hat die Schule besucht, saß mit Freunden in der legendären Nachbarswirtschaft „Pilgersheimer Burg" beim Public Viewing, solange bis ein Investor das Gebäude samt Lokal kaufte und sein Viertel plötzlich nicht mehr das Alte war.
"Das war so ein bisschen Lokalpatriotismus. Wir haben zuerst angefangen T-Shirts per Hand zu bemalen, wo Untergiesing drauf stand mit dem Logo der Burg Pilgersheim, die dann geschlossen hat. Gleichzeitig kam das Parkraum-Management, das war so unsere erste Protestaktion, wo wir gesagt haben, die spielen mit unserem Viertel als wäre es ein Baukasten und wir wären nur so ein netter Nebeneffekt, der da rumlatscht und sich bitte damit abfinden soll."
In Nacht- und Nebel-Aktionen stülpten sie den 60 Parkscheinautomaten Mülltüten über, wieder mit dem Logo der Burg Pilgersheim:
"Also warum wir diese Nacht- und Nebel-Aktion gemacht haben, war, weil wir gerade einen Kurs an der Uni hatten, wo unser Dozent sagte, macht doch mal einen aktiven Protest, das habe ich wörtlich genommen und das haben wir dann getan."
Keine Guerilla-Methoden mehr
Die Stadt-Guerilla-Methoden hat der 26-Jährige längst abgelegt. Mittlerweile trifft er sich mit Politikern des bayerischen Landtags wie des Bundestags. Er führt sachliche Gespräche mit Hausbesitzern, Immobilienfirmen und Bauträgern und er jongliert mühelos mit Begriffen wie Mietpreisbremse, Erhaltungssatzung, Vorkaufsrecht, Abfindungserklärung.
In die Politik will er nicht gehen, dann würde er vielleicht auch irgendwann mit Worthülsen jonglieren – das müsse nun überhaupt nicht sein, wehrt Heisler ab. Auch Institutionen wie Mietervereine verlangten immer erst Geld für ihre Leistungen, dabei hätten ja gerade die Betroffenen nur sehr wenig davon.
Neben dem verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrandt unterstützt auch Münchens Liederbarde Konstantin Wecker die Initiative "Bezahlbares Wohnen", zu der Heisler gehört. Er hätte nie gedacht, sagt Wecker, dass er einmal nach einem starken Staat rufen würde.
Die Stadt müsse Auflagen schaffen, Spekulanten behindern, Finanzgewinne besteuern, um Wohnraum zu subventionieren: Wecker fordert eine Gemeinwohlökonomie.
Unterstützung von Konstantin Wecker
In seinem Lied "Oma" von 1987 beschrieb er bereits, wie ärmere, alte Leute an den Stadtrand ziehen müssen:
"Oma, hat koan Sinn, wenn ma si gegan Fortschritt wehrt. Wer koa Geld hat, is heut bloß die Hälften wert. Immerhin, die neie Wohnung is am Stadtrand draußt, und I führ dir jeden Tag dein Wasti aus, i versprichs."
25 Jahre später, im Jahr 2014 müssen immer mehr Menschen an den Münchner Stadtrand ziehen oder gleich ganz raus aufs Land. Der Stadtteilführer und freundliche Störenfried Maximilian Heisler sucht die Schuld jedoch nicht nur pauschal bei den Miethaien, sondern will die Schwächen der Gesetzgebung aufzeigen und verändern. Er will bei den Menschen, Mietern wie Vermietern, wie ein Mediator ein Bewusstsein wecken für die fast vorhersehbaren sozialen Abläufe der Gentrifizierung.
Auch vor dem Kontakt zu Politikgrößen schreckt er nicht zurück. Bundestagsabgeordneter Peter Gauweiler war von Heisler so überzeugt, dass er sich in Berlin für die Umsetzung der Mietpreisbremse einsetzte. Heisler sieht diese Änderung auch als sein Verdienst:
"Auf der einen Seite möchte ich möglichst vielen Leuten dieses Thema zeigen und sagen, schau mal, das passiert, also System ändern finde ich schwierig, ich finde, man schaut sich die Ursachen an und am Schluss gibt's bestimmt ein Gesetz, dass man ändern kann."
Oder gar nicht erst muss - ein Beispiel: Der Soziologe Detlev Sträter hat in der bayerischen Verfassung den Artikel 161 gefunden. Dort heißt es wörtlich:
"Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen."
Natürlich könne man viel erreichen und verändern, davon ist Maximilian Heisler überzeugt.