Gentrifizierung in Hamburg

Warum das 3001-Kino ums Überleben kämpft

Ein Transparent mit der Aufschrift "Hände weg vom Schanzenhof" hängt am 26.03.2016 im Hamburger Schanzenviertel vor dem Gebäudekomplex Schanzenhof, in dem ein Investor ein Hotel eröffnen will.
Proteste vor dem Gebäudekomplex Schanzenhof in Hamburg © picture alliance / dpa / Markus Scholz
Von Swantje Unterberg |
Der Hausfrieden im Schanzenhof ist gestört: Alternativhotel, Kulturetage und Drogenhilfe sind schon raus. Nun hat auch das Programmkino 3001 Angst um seine Zukunft. Ist eine Bastion gegen die Verdrängung und Gentrifizierung im alternativen Hamburg am Ende?
"Sein oder Nichtsein."
Die Nazi-Parodie von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1942, sie ist der Lieblingsfilm der Gründer des Hamburger Programmkinos 3001. In den 80ern zunächst als reines Repertoire-Kino gestartet, zog es 1991 in den Schanzenhof, ein Ensemble aus fünf Gebäuden:
Carl Schröder: "Die Stadt hat es aufgekauft und hat damals eben gesagt, wir machen da ein Musterprojekt von alternativen Projekten rein. Die einzige Bedingung war, dass die Volkshochschule reinkommt. Und ansonsten waren das alles mehr oder minder kollektive Betriebe, die ihren Schwerpunkt nicht unbedingt auf Geldverdienen hatten und kommerzielles Arbeiten, sondern das, was sie machen, ist ihnen inhaltlich wichtig."

Programmkino kämpft für seine Zukunft

Sagt Carl Schröder, der das Kino seit den Tagen im Schanzenhof mitbetreibt. Hier machte sich das 3001 einen Namen mit Erstaufführungen von kleinen Produktionen, stets im Original mit Untertitel. Preisgekrönte Filmkunst wie "Desde allá" von Lorenzo Vigas. Oder "Louder than Bombs" von Joachim Trier. Doch nach 25 Jahren im Schanzenviertel stellt sich für das Kino selbst die Frage:
"Sein oder Nichtsein."
Im vergangenem Herbst wurde es laut um den Schanzenhof. Krachdemos, Topfschlagen, der Aufruf zu "Verschönerung", die Ankündigung, Kritik müsse "praktisch werden".
Maximilian Schommartz: "Im Schanzenhof spielt sich ein Konflikt ab, der in dem Stadtteil vor 15 Jahren begonnen hat, dass mit Mieterwechseln alte Mieter sich von neuen Mietern verdrängt fühlen und dagegen mit Methoden vorgehen, die ansonsten in der Stadt sehr unüblich sind."

Beleidigungen, Abmahnungen und Hausverbote

Maximilian Schommartz sitzt im Konferenzraum seiner HWS Immobilien GmbH im Hochparterre eines Gründerzeithauses. Das SPD-Mitglied mit Bundestagsambitionen ist gemeinsam mit seinem Bruder der dritte in der Reihe der Eigentümer, seit der damalige CDU-Senat den Schanzenhof 2006 verkauft hat. Und der erste, der das alteingesessene Gefüge nicht nur ins Wanken, sondern schon halb zum Einsturz gebracht hat.
Mieterhöhungen, Vertragsstreitigkeiten: Fünf der alten Nutzer sind raus. Und auf beiden Seiten gibt es Vorwürfe, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben. Die Auseinandersetzung um den Schanzenhof ist längst eine dreckige geworden. Mit Beleidigungen, Abmahnungen, Hausverboten.
Gunhild Abigt: "Es ging ja nicht um Geld nur, sondern es ging ja auch um die Auflösung der ganzen Struktur."
Sagt die ehemalige Inhaberin des Schanzensterns, eines alternativen Übernachtungsbetriebs, der einem Hotel weichen musste.
Gunhild Abigt: "Geht es auch nach wie vor, deswegen hängt das Kino auch so in der Luft."
Das 3001 hat noch einen alten Mietvertrag bis 2021. Doch der Streit ist schon da.
Maximilian Schommartz: "Der Konflikt ist hochgekommen, weil einer von vier Kinogesellschaftern öffentlich Beleidigungen verbreitet hat und viel schlimmer, zu Straftaten aufgerufen hat."

Verschiedene Weltanschauungen prallen aufeinander

Der Gesellschafter ist mittlerweile in Rente, doch auch das Verhältnis zu den noch aktiven Kinobetreibern ist nun gestört:
Maximilian Schommartz: "Das Kino wurde aufgefordert, die nicht genehmigte Nutzung des Innenhofes zu unterlassen."
Bei Zuwiderhandeln droht die Kündigung. Kinomitbetreiber Carl Schröder führt raus aus dem einzigen Kinosaal mit 91 Sitzen, durch das Foyer, öffnet die Glastür:
"Jetzt kommen wir auf den Hof raus, der immer noch ein bisschen befremdlich aussieht, also ist ne freie Fläche, wo in der Mitte relativ funktionslos ein paar Blumentöpfe rumstehen."
Tische und Stühle sind geräumt, die Nutzung untersagt.
Carl Schröder: "Ich lerne gerade durch die Auseinandersetzung, was alles nicht selbstverständlich ist, dass dieses ein Privatgelände ist und es nicht selbstverständlich ist, dass dieser Hof frei zugänglich ist."
In dem Konflikt im Schanzenhof prallen verschiedene Weltanschauungen aufeinander. Hier spielt sich im Kleinen eine Auseinandersetzung ab, die in Hamburg schon lange präsent ist.
In der Recht-auf-Stadt-Bewegung sind Künstler genauso aktiv wie radikale Linke, gingen Anwohner wie Kulturschaffende schon für die Esso-Häuser, die Rote Flora oder den Golden Pudel Club auf die Straße.
Carl Schröder: "Wie haben uns ein bisschen ne Nische geschaffen, in der wir versucht haben, anders miteinander zu arbeiten und miteinander zu leben. Jetzt in dieser Auseinandersetzung mitzukriegen, dass das ganz viele Leute einfach wahrgenommen haben, dass wir ein Teil dieser Bewegung sind, da hätte ich nicht unbedingt mit gerechnet, tut aber gut."

Teil der Hamburger Recht-auf-Stadt-Bewegung

Im Schanzenhof kollidiert die Mentalität eines Kinos, das weitgehend werbefrei ist und Menschen mit geringem Einkommen auch ohne Nachweis für 5,50 Euro in die Vorstellung lässt, mit der neuen Orientierung am Mietenspiegel und den Ansprüchen der HWS Immobilien an ihr Eigentum. Die Strukturen blieben erhalten, rechtfertigt Schommartz:
"Dort haben wir Gastro bei Gastro gelassen, Hotel bei Hotel."
Nur die Nutzer sind eben andere. Das Hotel durchgestylter, kommerzieller, sagen die alten Mieter. Ins Viertel passend, verteidigt Max Schommartz. Er habe sich ja nicht für Ibis oder Starbucks entschieden. Auch die öffentliche Nutzung des Innenhofs soll wieder möglich werden.
Max Schommartz: "Aber das wird eben nur mit klaren Regeln gehen."
"Sein oder Nichtsein."
Bei allem Konflikt: In Gefahr sei das Kino nicht:
"Wir haben mehrfach dem Kino mitgeteilt, dass sie gerne bleiben können."
Carl Schröder hingegen sagt, er kenne die Aussagen nur aus den Medien. Bevor er sie nicht schriftlich sieht, glaube er das nicht.
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