Die dunkle Seite der Globalisierung
Stark steigende Preise für Wohnraum in Großstädten machen Millionen Menschen zu schaffen. Viele müssen wegziehen. Verantwortlich sind oft ausländische Spekulaten, in Vancouver - an Kanadas Westküste - vor allem Chinesen. Jetzt reagiert die Politik.
Sam Cooper ist Reporter für die Zeitung "Vancouver Sun", spezialisiert auf das Thema Preissteigerungen auf dem Wohnungs- und Hausmarkt in Vancouver und dem gesamten kanadischen Bundesstaat British Columbia - ein welweiter Hotspot, was Spekulationen betrifft.
Andre Zantow: Wie würden Sie unseren deutschen Hörern die Lage bei Ihnen im Westen Kanadas beschreiben?
Sam Cooper: Ich bin ein investigativer Reporter hier in Vancouver. Mein Job in den vergangenen fünf Jahren war es, auf den Wohnungsmarkt im Bundesstaat Britisch Columbia zu schauen, während die Preise in die Höhe schossen. Inzwischen kostet eine durchschnittliche Wohnung zwei Millionen Dollar. Und das liegt vor allem am ausländischen Kapital. Vor allem aus China. Vor allem für Spekulationen, Geldwäsche und zur Steuervermeidung. Das tifft die Mittelschicht hier in Vancouver sehr hart. Viele werden gezwungen wegzugehen, weil sie sich das Wohnen nicht mehr leisten können.
Zantow: Das ist keine neue Situation für Vancouver, was tut die Politik?
Sam Cooper: Die neue Regional-Regierung hier ist seit einem Jahr an der Macht. Ihr Wahlversprechen war es gegen Spekulationen vorzugehen. Und sie haben nun erste Schritte eingeleitet. Sie besteuern jegliche Form des Immobilien-Besitzes in den innerstädtischen Gebieten mit 20 Prozent – in Vancouver und anderen Städten. Und sie haben eine Spekulations-Steuer eingeführt. Die soll Leute treffen, die ein oder mehrere Immobilien haben und weltweite Einkommen, die sie verstecken wollen. Viele sind Offshore-Investoren, die auch ihren fairen Anteil zahlen sollen, für das Stadtleben, das sie genießen. Weitere Maßnahmen drehen sich darum, viel mehr Informationen zu sammeln über die Immobilien-Besitzer, besonders die sehr reichen. So kann die Regierung besser gegen Geldwäsche und Steuervermeidung vorgehen.
Gesetzeslücken zum Verstecken von ausländischem Kapital
Zantow: Wird das funktionieren und weite Teile der Mittelschicht müssen nicht wegziehen?
Sam Cooper: Es ist immerhin ein Anfang. Es gibt jetzt eine Debatte darüber, ob es funktioniert. Kräftiger Widerstand kommt vor allem von der Immobilien-Branche, die hier sehr viel politische Macht hat und eine wichtige Stütze der Wirtschaft ist. Sie suchen nach Wegen zurück zu schlagen. Und es gibt auch das Argument, dass die Preise sowieso schon so extrem hoch sind, dass keine Maßnahme sie wieder auf ein Niveau bringt, das sich normale Leute leisten können. Ich finde es wichtig, dass die Regierung den Kampf überhaupt aufgenommen hat - gegen Spekulationen und die organisierte Kriminalität. Es geht hier auch um Geldwäsche. Dagegen kämpft die Regierung.
Zantow: Sie haben sich nun Jahre mit dem Thema befasst, das Millionen Menschen in Großstädten weltweit umtreibt. Was lässt sich gegen die Verdrängung der geringen und mittleren Einkommensempfänger durch ausländisches Kapital tun?
Sam Cooper: Einige Analysten sagen, das sei die dunkle Seite der Globalisierung. Einige renommierte Professoren hier in Britisch Columbia sehen das als Faktor der Globalisierung von Chinas Wirtschaft. Und Chinas Wirtschaft hat einige Faktoren, die sich nicht gut vereinbaren lassen mit einer Demokratie. Das ist etwas, womit sich Regierungen auf der Welt auseinander setzen müssen - vor allem in Neuseeland, Australien und hier in Britisch Columbia. Auf dieser hohen Ebene müssen Gesetze koordiniert werden, um gegen Geldwäsche, Steuervermeidung und unproduktive Investitionen vorzugehen. Das ist alles nicht gut für eine Volkswirtschaft.
Zantow: Und warum haben sich viele reiche Chinesen Vancouver ausgesucht an Kanadas Westküste – bzw. den Bundesstaat Britisch Columbia?
Sam Cooper: Da gibt es viele Gründe. Kanada hat zwar einen Ruf als gut-regiertes Land, aber es ist kein Geheimnis mehr, dass Kanada inzwischen bekannt ist für eine bestimmte Art der Geldwäsche. Dabei werden legale Lücken im System ausgenutzt, um ausländisches Kapital in Kanada nicht nur zu verstecken, sondern auch zu vermehren. Es fehlt an Gesetzen gegen Geldwäsche und Steuervermeidung. Die USA sind viel härter in diesem Bereich. Kanada muss seine Gesetze reformieren, damit Anwälte verdächtige Aktionen melden müssen. Und meine Recherchen zeigen auch dass Untergrund-Banking auf Festland-China eine Institution geworden ist, die viele Verbindungen hat nach Hongkong und Macau und jetzt auch nach Britisch Columbia. Das liegt einmal an der großen Anzahl an Einwanderern aus China. Und an den Casinos hier, die sehr förderlich sind für die gleichen Geldwäsche-Methoden wie in Hongkong und Macau.