Berliner Sammlung Flick droht der Auszug
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Die Berliner Rieckhallen beherbergen die Sammlung Flick. Wie lange noch, ist unklar, denn ringsherum wächst die Europacity. Schick und teuer. Die Hallen müssen vielleicht weichen. Einen "Plan B" gebe es nicht, kritisiert Journalist Nikolaus Bernau.
Die Rieckhallen, in denen aktuell die Flick-Sammlung des Kunstmuseums Hamburger Bahnhof untergebracht ist, müssen möglicherweise einem Immobilienprojekt weichen. Die nördlich des Berliner Hauptbahnhofs gelegenen Hallen waren vom Eigentümer, der Wiener Immobilienfirma CA Immo, nur gemietet worden. Dieser Mietvertrag läuft demnächst aus. Doch scheint es derzeit noch keinen guten "Plan B" für die Sammlung zu geben. Denn bisher hat offenbar weder das Land Berlin noch der Präsident der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz", Hermann Parzinger, einen solchen entwickelt.
Sammler Friedrich Christian Flick habe deshalb vielleicht schon bald ein sehr gutes Argument für ein staatliche finanziertes Museum für seine Kunstwerke, sagt der Architekturjournalist Nikolaus Bernau. Sollte Flick nämlich seine Sammlung aus Berlin abziehen wollen, werde die Stiftung unter immensem Druck stehen, um die Kunstwerke in der Stadt zu halten. Andererseits habe die Stiftung derzeit ein großes Bauprojekt in Planung – einen neuen Ausstellungsbau am Kulturforum, nahe der Neuen Nationalgalerie, der jedoch "ein bisschen in der Luft hänge". Die Situation der Rieckhallen könnte jedoch dafür sorgen, dass sich das Projekt nun doch schnell konkretisiere, so Bernau.
Die Entwicklung des Areals völlig verkannt
Für ihn ist das Problem hausgemacht: Erst 2005 habe man damit angefangen, das Gelände nördlich des Hauptbahnhofs zu beplanen – doch schon 2006 sei der Bahnhof eingeweiht worden. Deshalb sei es aus Stiftungssicht eine rationale Entscheidung gewesen, sich erst einmal für die Anmietung der Hallen zu entscheiden – in völliger Verkennung der künftigen Entwicklung die das heute unter dem Namen Europacity bekannte Viertel nehmen würde.
Dabei hätten alle Beteiligten besser wissen müssen, wie sehr Kunst und Kultur die Gentrifizierung in Schwung bringen, denn, so Bernau: "Der Prozess selber ist inzwischen leider sehr gut bekannt – und auch sehr gut untersucht, spätestens seit dem Totalumbau der Londoner Docklands in den 1980er-Jahren." Das Ganze laufe weltweit immer nach dem gleichen Schema ab: Zuerst gebe es ein nicht mehr genutztes Gewerbegelände, das von jungen Künstlern bezogen werden. Wenig später folgten die ersten Galerien. Und am Ende entstünden dort teure Wohnungen und teure Büroräume für eine reiche Klientel. "Das wird auch auf dem Gelände nördlich des Hauptbahnhofs so der Fall sein."
Ein verhängnisvoller Kreislauf
Dieser verhängnisvolle Kreislauf, bei dem viele Künstler und kleinere Galeristen auf der Strecke blieben, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen könnten, lasse sich nur durch eine Maßnahme zumindest verlangsamen: "Durch die Deckelung von Gewerbemieten. Das heißt, dass nicht einfach die Anbieter jeden Preis nehmen dürfen, wie es jetzt der Fall ist. Das hat sich in Paris und in Italien bewährt, auch in Skandinavien gibt es da durchaus Modelle." In Deutschland dagegen hänge man nach wie vor der Vorstellung an, dass Gewerbemieten nicht begrenzt werden dürften. Doch dafür gebe es weder historisch, noch praktisch einen Grund.
(mkn)