"Eine größere Katastrophe wird kommen"
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Christiane Heinicke baut gerade ein Haus – für den Mars. Mit herausfordernden Wohnverhältnissen kennt sich die Geophysikerin aus. Ein Jahr lang lebte sie mit fünf Kolleginnen und Kollegen von der Außenwelt abgeschlossen auf einem Vulkan auf Hawaii.
Minus 65 Grad, eine Atmosphäre überwiegend aus Kohlendioxid, dazu die Weltraumstrahlung: Der Mars bietet für uns Menschen eine eher lebensunfreundliche Umgebung. Oder um es mit Christiane Heinicke auf den Punkt zu bringen: "Es gibt Umwelteinflüsse, die würden uns sehr, sehr schnell umbringen."
Ein Grund, warum die Geophysikerin an einer Behausung baut, die Astronauten das zukünftige Arbeiten und Überleben auf dem roten Planeten sichern soll.
Gemüsebeete zum Überleben
Zweigeschossig, 150 Quadratmeter, dazu Gemüsebeete. So kann man sich die "Habitate" vorstellen, erzählt Christiane Heinicke, die an der Uni in Bremen das Forschungsprojekt Moon and Mars Base Analog leitet. Die Pflanzen sollen zur Selbstversorgung dienen und Sauerstoff produzieren.
"Ich kann ja nicht das Fenster zum Lüften aufmachen", erklärt sie. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Crew am Leben bleiben kann. Wir müssen die Luftversorgung sicherstellen, wir müssen die Wasserversorgung sicherstellen."
Marsmissionen gibt es mittlerweile viele. Bis Astronauten erstmals dort hingelangen, kann es dauern. Trotzdem findet die Geophysikerin die Erforschung des Planeten extrem wichtig. Die Umsiedlung der Weltbevölkerung, solche Überlegungen gibt es, das sei aber nicht ihr Ziel.
Viel über unser Sonnensystem lernen
"Für mich ist der Mars primär interessant, weil wir durch den Mars viel über unser Sonnensystem lernen können", sagt sie. "Wie die Erde entstanden ist, ob es jemals Leben auf dem Mars gegeben hat."
Aber so ganz abwegig findet Christiane Heinicke die Frage nach alternativen Siedlungsmöglichkeiten gar nicht.
"Denn aus geologischer Sicht ist es tatsächlich nur eine Frage der Zeit, bis die nächste größere Katastrophe über die Erde hereinbricht. Ob das jetzt ein Asteroideneinschlag oder der Ausbruch eines Supervulkans ist. Aber dass eine größere Katastrophe passieren wird, das ist sehr sicher."
Das Haus, das Christiane Heinicke gerade für den Mars entwickelt, es könnte auch das Überleben auf der Erde sichern.
Hilfe für das Leben auf der Erde
"Die Technologien, die wir für den Mars entwickeln, die kommen uns hier auf der Erde extrem zur Hilfe", erklärt die Geophysikerin. "Gerade als die Sommer sehr trocken waren, hatten einige Trinkwasserversorger Probleme, die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Wenn wir dieses Trinkwasser vor Ort so weit wie möglich wiederaufbereiten würden, wäre uns schon sehr viel geholfen."
2015 lebte die Physikerin vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation bereits auf dem Mars, zumindest in einer Simulation. Die NASA hatte das Experiment auf einem Vulkan auf Hawaii finanziert.
Christiane Heinicke wurde unter zahlreichen Bewerbern ausgewählt. Mit fünf weiteren Wissenschaftlern begab sie sich in Isolation, ein ganzes Jahr. Zweimal die Woche ging es nach draußen, aber nur im Raumanzug.
Große Bandbreite von Experimenten
Direkte Kommunikation, Telefonate mit der Familie etwa, die gab es nicht. "Der Abstand zwischen Erde und Mars ist im Extremfall etwa 400 Millionen Kilometer. Das heißt, wenn ich eine Nachricht von einem Planeten zum anderen schicken würde, dann würde die 20 Minuten unterwegs sein. Also schrieb man Mails oder sendete Sprachnachrichten, erinnert sich die 35-Jährige.
Neben wissenschaftlichen Experimenten ging es vor allem auch darum, "zu sehen, wie sich die Gruppendynamik entwickelt. Wie man eine Gruppe auswählen muss, damit sie diesen langen Zeitraum erfolgreich meistern kann", erzählt die Wissenschaftlerin.
Dazu gehörte auch die Freizeitgestaltung auf dem Mars. Die Möglichkeiten waren jedoch limitiert und klingen recht irdisch. Jeden Mittwoch verabredete man sich zu Brettspielen, immer am Freitag zum Filmabend.
Wie in jeder WG gab es natürlich auch Streitereien, erzählt sie. "Ich habe definitiv eine Freundin fürs Leben gewonnen. Aber es gibt auch zwei Crewmitglieder, die muss ich nicht noch einmal wiedersehen."
Haare färben musste sein
Ging es nach draußen, war eine der Aufgaben die Wassergewinnung aus Lavagestein. Eine mühselige Mission. Ein Liter war die Ausbeute in sieben Tagen. Leider, so Christiane Heinicke, schmeckt das Wasser "furchtbar, sehr stark nach Eisen".
Überhaupt war Wasser ein großes Thema für die Projektteilnehmer. Acht Minuten unter der Dusche waren erlaubt, in der Woche wohlgemerkt. Das hielt die Geophysikerin nicht davon ab, regelmäßig ihre Haare lila zu färben, ihr Markenzeichen. "Das gehörte zu den kleinen Luxussachen."
Wenn es vielleicht in 20 Jahren möglich sein sollte, auf den Mars zu fliegen, Christiane Heinicke wäre gern dabei, allerdings mit Rückflugschein auf die Erde. "Denn ich mag den Planeten."
(ful)