Meister der geografischen Präzision
Den Mount Everest kennt vermutlich jeder. Ganz anders als seinen Namenspatron, einen britischen Ingenieur, der in der Landvermessung sozusagen Berge versetzte − den höchsten Berg der Welt aber nie gesehen hat. Heute vor 150 Jahren starb George Everest.
George Everest: "Es gibt so viele Details zu bedenken, dass ich mich in permanenter Hochspannung befinde. (Jeder kleine Fehler hinterließe eine empfindliche Lücke in meinen Daten.) Aber dass ich am Ende triumphieren werde – daran habe ich keine Zweifel."
Er war der Mann, nach dem der Mount Everest benannt wurde. Wobei es eigentlich "Mount Eve-rest" heißen müsste – so wie George Everest, der Namenspatron, der den höchsten Berg der Welt selber zwar nie gesehen, aber dennoch eine einzigartige Leistung vollbracht hat. Im Auftrag der Britischen Ostindien-Kompanie vollendete Everest 1842 die Messung eines Meridianbogens, der sich über fast 2500 Kilometer von der Südspitze Indiens bis zu den Ausläufern des Himalayas im Norden des Landes erstreckte. Als Teil der "Großen Trigonometrischen Vermessung" des gesamten Indischen Subkontinents war es das aufwändigste Forschungsprojekt der damaligen Zeit.
"Aus wissenschaftlicher Perspektive geht es einzig und allein darum, Daten zu sammeln, um die seit langem heiß diskutierte Frage nach der Gestalt der Erde zu beantworten. Aus geographischer Perspektive geht es darum, die korrekte Position bestimmter Punkte auf der Erdoberfläche zu ermitteln."
... schrieb Everest 1823 an den Leiter des Amtes für Geodäsie und Kartographie in Kalkutta, nachdem man ihm die Leitung des Projekts angetragen hatte.
Everest lebte seit seinem 16. Lebensjahr in Indien, damals noch britische Kolonie. Er war ein schwieriges Kind gewesen, deshalb hatte ihn sein Vater, ein wohlhabender Londoner Rechtsanwalt,1804 im Alter von 14 Jahren auf die Königliche Militärakademie geschickt. Der Junge wurde nach Indien abkommandiert und aufgrund seines Interesses an Mathematik und Astronomie mit verschiedenen Aufgaben bei der Landesvermessung betraut.
Verbissen bei der Vermessung
1818 wurde Everest zunächst Assistent von Colonal William Lambton, dem Initiator und ersten Leiter der "Großen Trigonometrischen Vermessung", und nach Lambtons Tod schließlich dessen Nachfolger. Everest forderte von seinen Mitarbeitern absolute Disziplin. Dazu der Kölner Geograph Gert Ziegeler:
"Er war sicherlich sehr verbissen, und ich könnte mir vorstellen, dass jeder, der einigermaßen ernst an eine solche Aufgabe herangeht, verbissen sein musste. Weil 'Vermessung' ja auch bedeutete: genau sein."
Der Trupp marschierte, begleitet von indischen Soldaten, Tausende von Kilometern durch teils unwegsames Gelände. Um eine Sichtverbindung zwischen den sorgfältig ausgewählten, zu Dreiecken angeordneten Vermessungspunkten herzustellen, mussten Bäume gefällt, Schneisen geschlagen, notfalls auch bis zu 18 Meter hohe Türme mit sechs Meter tiefen Fundamenten gebaut werden.
George Everest: "Am Ufer des Godavari-Flusses gibt es eine fast unberührte Gegend mit furchterregenden Wäldern. Einen menschenfeindlicheren Ort kann man sich auf der Erde kaum vorstellen. Trotzdem musste ich über dieses Gebiet ein Netz von Dreiecken spannen, was mir auch auf befriedigende Weise gelungen ist."
Verbeugung vor dem imposanten Gerät
Aufsehen erregte Everest vor allem mit dem riesigen "Theodoliten", einem 500 Kilogramm schweren Winkelmessinstrument.
George Everest: "Männer und Frauen, darunter Blinde und Gelähmte, kamen von weit her, um mich um Erlaubnis zu bitten, sich vor dem imposanten Gerät verbeugen zu dürfen."
Everest hatte sich schon bei einem seiner ersten Dschungelmärsche ein schweres Tropenfieber zugezogen, das in Schüben wiederkehrte und ihn monatelang ans Bett fesselte.
George Everest: "Nach spätestens drei Stunden erwachte ich von konvulsivischen Krämpfen, begleitet von grauenvollen Schmerzen – so als ob ein Keil mit Gewalt zwischen die Knochen meiner Beine getrieben würde."
Zweimal musste Everest seine Arbeit für längere Zeit unterbrechen, um sich von den Strapazen zu erholen.
Ritterschlag und Familiengründung
1843, nach der erfolgreichen Messung des Meridianbogens, kehrte er endgültig nach London zurück. Er heiratete eine 33 Jahre jüngere Frau, das Paar bekam noch sechs Kinder. 1861 wurde Everest zum Ritter geschlagen. Derweil hatte sich sein ehemaliger Assistent und Nachfolger Andrew Scott Waugh unter anderem mit den Himalaya-Gipfeln beschäftigt. Einer von ihnen schien alle anderen zu überragen.
Andrew Scott Waugh: "Von Colonel George Everest habe ich gelernt, dass jedes geographische Objekt den Namen erhalten soll, den ihm die Menschen vor Ort gegeben haben", schrieb Waugh 1856 an seinen Stellvertreter in Kalkutta: "Für diesen Berg konnten wir aber keinen Namen ausfindig machen. Zum ewigen Angedenken an den Meister der präzisen geographischen Forschung schlage ich vor, ihn 'Mount Everest' zu nennen."
Ein Jahr, bevor George Everest am 1. Dezember 1866 in London starb, folgte die Royal Geographical Society diesem Vorschlag und benannte nach ihm den höchsten Berg der Welt.