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Jazz im Frack?
Ein Meister der leichten Muse auf der Suche nach ernster Musik: George Gershwin wollte sich mit seinem Klavierkonzert als Klassiker etablieren. Das Werk ist ebenso umstritten wie hörenswert.
Der Komponist: Mitte zwanzig. Das Publikum: erlesen. Das Werk: unerhört. 1924 erlebte George Gershwin einen Triumph mit seiner "Rhapsody in Blue", und unter das illustre Publikum in New York hatten sich die Dirigenten Walter Damrosch und Leopold Stokowski sowie die Komponisten Sergej Rachmaninow, Ernest Bloch und viele andere gemischt. Schnell stand fest: Dieser junge Mann, der mit der leichten Muse verheiratet zu sein schien, konnte noch viel mehr, als "nur" Jazz-inspirierte Tondichtungen zu schreiben. Und so beauftragte Damrosch ihn mit der Komposition eines Klavierkonzerts.
Pionier am Piano
Im Unterschied zur "Rhapsody in Blue" erstellte Gershwin die Orchestrierung des Klavierkonzerts im Folgejahr selbst, und behandelte das Orchester dabei zwar sorgfältig, aber alles andere als konventionell. Nicht zuletzt deswegen gibt es noch heute Vorbehalte gegenüber diesem "Concerto in F", obwohl es an die Tradition klassischer Klavierkonzerte ebenso anschließt, wie es eine ganze Serie von motorischen Kompositionen für diese Besetzung vorwegzunehmen scheint, etwa die Werke von Bartók und Ravel.
Gershwins russische Wurzeln
Gershwins Klavierkonzert, in den Konzertsälen selten zu hören, ist ein Sonderfall geblieben. Und dennoch weist das "Concerto in F" eine große Diskographie auf, in der zwar viele bedeutende Pianisten-Namen fehlen, während andere Musiker hier eher überraschend auftauchen, etwa der große Pianist Swjatoslaw Richter, der Gershwins russischen Wurzeln nachzuspüren scheint – oder auch Gershwin selbst, von dessen stupendem Klavierspiel man sich anhand fragmentarisch überlieferter Rundfunkmitschnitte überzeugen kann. Gershwins Bruder und engster Mitarbeiter Ira hatte recht, als er über dieses Werk sagte, es sei "the bravest thing he ever did".
Unser Studiogast Wolfgang Rathert ist Professor für Musikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Experte für die Musikkultur der USA, der er ein umfangreiches Buch gewidmet hat.