Alexander Braun: "Krazy Kat. George Herriman. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935–1944"
Taschen, 2019, 632 Seiten, gebunden, 150 Euro
Neurotische Katze trifft aggressive Maus
14:01 Minuten
Ein US-Comic-Klassiker ist jetzt als Buch zu haben: "Krazy Kat" von George Herriman. Es ist viel mehr als eine schräge Geschichte über eine verliebte Katze - der Comic ist auch tiefenpsychologisch spannend, meint Herausgeber Alexander Braun.
Im Taschen-Verlag ist gerade ein spektakuläres Biuch erschienen: Es wiegt 7,4 Kilo, ist gut fünf Zentimeter dick und hat, was die Größe angeht, in etwa taz-Format. Titel: "Krazy Kat. George Herriman. Die kompletten Sonntagsseiten 1935-1944 in Farbe".
Dieser Schinken ist nicht nur optisch eine Wucht: Er versammelt sämtliche zwischen 1933 und 1944 im US-amerikanischen "Evening Journal" abgedruckte Episoden des Comiczeichners George Herriman. Sein Comic "Krazy Kat" ist eine Art absurde ménage à trois zwischen einer schwarzen Katze, einer weißen Maus und einem Hund in Polizeiuniform:
Während die Katze fast bis zur Selbstaufgabe in die Maus Ignatz verliebt ist, reagiert diese stets abweisend, aggressiv, und wirft mit Ziegelsteinen um sich. In Schach gehalten wird sie dabei vom pflichtbewussten Officer Pupp, einem Hund, der zumeist vergeblich versucht die Katze, seine heimliche Liebe, vor dem Schlimmsten zu bewahren.
Ein ewiger Kreislauf aus Neurosen und Fixierung
Das gehe endlos so weiter - wie eine Art Perpetuum mobile - und erreiche dabei durchaus tiefenpsychologische Dimensionen, sagte der Comic-Herausgeber Alexander Braun:
"Und das ist auch die Qualität von 'Krazy Kat' - weil so etwas in einem Comic nicht erwartet werden würde und schon gar nicht mit der Komplexität, wie George Herriman das dann über Jahre entfaltet. Es geht um Fixierungen, es geht um Neurosen. Und letztlich ist ja diese Fixierung auf den Ziegelstein auch ein Form von Fetisch, den die Maus da an den Tag legt. Und wir als Betrachter sind in einer ähnlich ambivalenten Emotionalität: Wir sehen die Maus gar nicht als so böse, dass sie diesen Stein wirft, sondern wir haben Mitleid mit ihr, weil ihre Sehnsucht, der Katze einfach einmal Schmerz zuzufügen, einfach nicht funktioniert."
Genau dies mache den Comic - mit Blick auf die damalige Zeit - so außergewöhnlich.
Erstmals zeichnete Herriman 1913 einen Katzen-Cartoon. Sonderlich politisch waren die Strips über all die Jahrzehnte offenbar nicht - während der Zeit des Ersten Weltkriegs tauchte ab und zu mal ein Schützengraben in den Zeichnungen auf - "oder Ziegelsteine wurden nicht nur auf Krazy Kat, sondern auch auf Kaiser Wilhelm geworfen", so Alexander Braun. Doch das Politische sei nicht der Hauptantrieb der Serie gewesen.
Blaupause für Tom, Jerry und Micky Maus
Und vielleicht machte genau das den Erfolg aus: So zeitlos witzig, geistreich und surreal gezeichnet waren Herrimans "Krazy Kat"- und auch andere Geschichten -, dass er damit zu einem der erfolgreichsten Comiczeichnern der US-Geschichte entwickelte und seine Figuren zu einer Blaupause aller späteren Kleintier-Actionhelden wurden: von Tom und Jerry bis zu Micky Maus.
Das Besondere des jetzt veröffentlichten Buches: Es sind sämtliche "Krazy Kat"- Episoden in Originalgröße und Farbe gedruckt - nach Scans von Originalzeitungsseiten -, begleitet von einer umfangreichen Biografie George Herrimans, die gleichzeitig als eine profunde Kulturgeschichte des frühen Comics daherkommt.
(mkn)