George Takei : "They Called us Enemy"

Rassismus in Grautönen

06:19 Minuten
Ausschnitt einer Seite aus der Graphic Novel von George Takei "They Called Us Enemy".
George Takei "They Called Us Enemy" © Cross Cult
Von Stefan Mesch |
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In seiner Graphic Novel prangert George Takei den US-Rassismus an: Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor, 1941, kamen Tausende japanischstämmiger Familien in Internierungslager. Keine hohe Comic-Kunst - aber aufrüttelnd.
Enteignet, entrechtet, für staatenlos erklärt: Nur Wochen nachdem Japan Ende 1941 Pearl Harbour angegriffen hatte, sperrte die US-Regierung 120.000 japanischstämmige und japanische Menschen, die in den Vereinigten Staaten lebten, für bis zu fünf Jahre in bewachte Lager hinter Stacheldraht in Baracken. George Takei, geboren in Los Angeles, war fünf, als er mit seinen Eltern und zwei jüngeren Geschwistern eingesperrt und kriminalisiert wurde.
Der schwule Schauspieler (ab 1966 Sulu in "Raumschiff Enterprise") ist heute vor allem für seinen Aktivismus bekannt unter anderem auf Twitter. Er hält zudem seit mehr als 30 Jahren Vorträge, wie ihn seine Kindheit politisierte.
Als kurzer Erklär- und Erinnerungscomic soll "They called us Enemy" vor allem die jüngsten Generationen erreichen. Ein lesenswertes, griffiges Lehrmittel an Schulen, eine tolle Klassenlektüre für alle ab etwa 14 Jahren.

Fade Töne und viele offene Fragen

Als Comickunst, als Literatur fehlt dem Buch viel: Die Zeichnerin Harmony Becker teilt auf Instagram mutige, farbenfrohe, abwechslungsreiche Arbeiten - doch auf den 208 Schwarzweiß-Seiten von "They called us Enemy" bleiben Figuren- und Bildsprache oft monoton und geschmacksneutral. Fade Grautöne, einfallslose Perspektiven.
Komplex und literarisch interessant sind vor allem die Erzählbögen, die Takei schlägt. Wie prägte die Zeit seinen Vater, warum exponierte er sich als Lagersprecher und Vermittler? Wieso wollte Takeis Mutter die US-Staatsbürgerschaft aufgeben? Wie diskutierten, stritten, näherten und entfremdeten sich Vater und Sohn in den 50er- und 60er-Jahren, wie "gelingen" Widerstand und demokratische Partizipation?
Ausschnitt von dem Buchcover von George Takei "They Called Us Enemy".
Georg Takei erlebte als Kind beklemmende Jahre im US-Internierungslager.© Cross Cult
Besonders persönlich und intim wird "They called us Enemy" nie. Zum einen, weil Takei seine Kinderperspektive und Beobachtungen bewusst oberflächlich lässt. Er will nicht tiefer über eigene Traumata, Familiendynamik und lebenslange Folgen der Internierung sprechen: Die gezeigten Episoden sind erschütternd und bleiben im Gedächtnis, doch den Menschen Takei lernt man nicht genauer kennen.

Erzählerisch ambitioniert

Zum anderen stört, wie wichtig ihm Erfolg, Sich-zurück-ins-bürgerliche-Leben-Kämpfen scheinen: An mehreren Stellen betont "They called us Enemy", dass Menschen, denen großes Unrecht widerfuhr, vor und nach der Internierung fleißig waren, Unternehmen gründeten, Steuern zahlten, sich um die USA verdient machten oder sich als Soldat opferten.
Das macht die Ungerechtigkeiten der Regierung noch augenfälliger. Doch niemand, keine einzige Person hat verdient, kriminalisiert und eingesperrt zu werden. Nicht nur die besonders Fleißigen, Nützlichen, wirtschaftlich oder militärisch "Wertvollen".
Ausschnitt einer Seite aus der Graphic Novel von George Takei "They Called Us Enemy".
Freiheitsrechte entzogen: Tausende Japaner wurden nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Jahr 1941 in Lagern interniert.© Cross Cult
Anstrengend - wenn auch erzählerisch ambitioniert - sind die vielen Zeitsprünge und historischen Exkurse: Wer sich damit abfindet, dass viele Schlenker wie ein recht unpersönlicher Essay oder gar ein illustrierter Wikipedia-Eintrag klingen, nimmt in mehreren Zeitebenen, hastigen Sprüngen, offenen Ideen statt klarer Thesen viele wichtige, zeitlose Fragen mit.
Wie können Reparationen und Wiedergutmachungen aussehen? Wie kann die Mehrheitsgesellschaft einschreiten und Marginalisierte unterstützen? Wie funktionieren Populismus, Jingoismus, Othering und blinder Nationalismus?
Die Crew des "Raumschiffes Enterprise" in dem Film "Star Trek VI", (l-r) Walter Koenig, George Takei, DeForest Kelley, Nichelle Nichols, William Shatner, James Doohan und Leonard Nimoy.
Jahrelang war George Takei (obere Reihe links) als Hikaru Sulu Mitglied der Crew des "Raumschiff Enterprise".© dpa/ picture-alliance/ Paramount
Am schönsten ist, wie klar sich der Comic gegen Donald Trumps Fremdenhass und Abschiebepolitik richtet. Würde, Prinzipien, Menschlichkeit, Solidarität - kein bildstarker Comic. Aber eine starke Lektüre.

George Takei (Text) und Harmony Becker (Zeichnungen): "They called us Enemy. Eine Kindheit im Internierungslager"
Aus dem Englischen übersetzt von Christian Langhagen
Cross Cult, Ludwigsburg 2020
208 Seiten, 25 Euro

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