George W. Bush
George W. Bush hat die Amerikaner gespalten, und auch den Rest der Welt nicht gerade versöhnt. Jetzt wird er mit Schuhen beworfen, doch nicht einmal sein unwürdiger Abgang mache ihn zum tragischen Helden, schreibt die "New York Times" - zu groß seien dafür die Trümmer seiner achtjährigen Präsidentschaft. George Bush, so lesen sich die Nachrufe, war eine Witzfigur, die die Welt an den Abgrund geführt hat und es ist höchste Zeit, dass er verschwindet.
Bush ist nach diesem seltsam hypertrophen Urteil immer beides zugleich, der gefährliche Ideologe einer ausgeklügelten neokonservativen Agenda, und der Hampelmann, der dämlich aus der Wäsche schaut, wenn man ihm zuflüstert, dass gerade zwei Flugzeuge ins World Trade Center geflogen sind. Bush war in dieser widersprüchlichen Dopplung ein Kunstprodukt, eine Fiktion.
Doch so konnte man ihm Naivität vorwerfen, weil er die Gefahr des Terrorismus vor dem 11. September unterschätzt habe; und andererseits seinen Kampf gegen den Terror, der auf die Anschläge von New York und Washington folgte, als Deckmantel für eine imperiale Agenda entlarven. Die amerikanische Verunsicherung nach dem 11. September, diese manische Depression einer ganzen Nation, hob diesen Präsidenten hoch und ließ ihn fallen.
Und auch dem Rest der Welt kam dieser Allzweck-Bush gerade recht. Mit Abgrenzung von diesen USA ließ sich Politik machen: die Deutschen meinten, sich auf Kosten dieses ungebildeten Cowboys emanzipieren zu können; die Russen verwiesen auf den vermeintlichen Kalten Krieger, um das eigene autokratische System zu stabilisieren. Mit Antiamerikanismus hatte das alles natürlich nichts zu tun. Bush, so lautete die verlogene Ausrede, Bush sei ja nicht Amerika.
Doch Witzfiguren verändern für gewöhnlich nicht die Weltgeschichte. Der historische Blick, nicht der gegenwärtig so verbreitete hysterische Blick, auf den 43. Präsidenten der USA wird vermutlich zeigen, dass er viel weniger angerichtet hat, als es heute den Anschein hat. George W. Bush war kein Idiot. Aber er hat auch die Weltgeschichte nicht verändert. Es ist, im Rückblick, kein Gestaltungswille zu erkennen, dafür viel erratisches Agieren, kein Zug zum Ziel, sondern Dilettantismus. Innenpolitisch war Bush fast passiv, so sehr, dass man ihm an der gegenwärtigen Finanzkrise kaum mehr Mitschuld geben kann als seinem Vorgänger Bill Clinton. Bush war ein Eklektiker, kein Stratege. Entscheidungen wie die, die Truppenzahl im Irak zu erhöhen, schob er zu lange vor sich her. Wie Clinton, und ganz anders als sein Vater, war er ein unentschlossener Präsident, ein politischer Pointillist.
Der 11. September gibt Bush das Thema seiner Präsidentschaft, den Krieg gegen den Terror. Sonst hatte der vermeintliche Weltenumkrempler in Wahrheit kein eigenes. Nun plötzlich schmiedet er äußerst erfolgreich eine weltweite Allianz für diese neue, nie dagewesene Herausforderung, eine Allianz, die sogar Länder wie Saudi-Arabien und Pakistan umfasst. Dass die Exzesse dieses Kampfes, die Ausweitung des rechtsfreien Raumes durch die Bush-Regierung, notwendig waren, um Amerika vor einem weiteren Anschlag zu bewahren, wird kaum zu belegen sein. Aber auch nicht zu widerlegen.
Doch auch vom Kampf gegen den Terror, der ihn zu einer historischen Figur hätte machen können, ließ Bush sich ablenken und begann, Amerikas Ressourcen im Irak zu binden und zu verschwenden. Der Irakkrieg hat sich als absurd teure, opfervolle, bestenfalls halbherzig umgesetzte humanitäre Intervention herausgestellt. Die wahre Tragik dieses Krieges besteht darin, dass er geopolitisch nicht genug verändert hat. Dass in der Region nach all dem Aufwand noch zuviel so ist wie vorher.
Der Sophist Gorgias schrieb auf Helena, die am meisten verhasste Frau der Antike, ein Loblied, eine Verteidigung. Von dem am meisten verhassten US-Präsidenten der Neuzeit würde Gorgias wohl die Finger lassen: Weil die historische Wirkungsmacht von George W. Bush, auch wenn es heute nicht so scheinen mag, weit geringer war als die der schönen Helena.
Moritz Schuller, geboren 1968 in München, in Berlin aufgewachsen, Studium der Altphilologie in Oxford und der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Yale, dort Ph.D 1998. Freier Journalist bei der "Süddeutschen", der "FAZ" und der "Welt", seit 2002 beim Tagesspiegel, heute als Verantwortlicher Redakteur Meinung/Politische Literatur.
Doch so konnte man ihm Naivität vorwerfen, weil er die Gefahr des Terrorismus vor dem 11. September unterschätzt habe; und andererseits seinen Kampf gegen den Terror, der auf die Anschläge von New York und Washington folgte, als Deckmantel für eine imperiale Agenda entlarven. Die amerikanische Verunsicherung nach dem 11. September, diese manische Depression einer ganzen Nation, hob diesen Präsidenten hoch und ließ ihn fallen.
Und auch dem Rest der Welt kam dieser Allzweck-Bush gerade recht. Mit Abgrenzung von diesen USA ließ sich Politik machen: die Deutschen meinten, sich auf Kosten dieses ungebildeten Cowboys emanzipieren zu können; die Russen verwiesen auf den vermeintlichen Kalten Krieger, um das eigene autokratische System zu stabilisieren. Mit Antiamerikanismus hatte das alles natürlich nichts zu tun. Bush, so lautete die verlogene Ausrede, Bush sei ja nicht Amerika.
Doch Witzfiguren verändern für gewöhnlich nicht die Weltgeschichte. Der historische Blick, nicht der gegenwärtig so verbreitete hysterische Blick, auf den 43. Präsidenten der USA wird vermutlich zeigen, dass er viel weniger angerichtet hat, als es heute den Anschein hat. George W. Bush war kein Idiot. Aber er hat auch die Weltgeschichte nicht verändert. Es ist, im Rückblick, kein Gestaltungswille zu erkennen, dafür viel erratisches Agieren, kein Zug zum Ziel, sondern Dilettantismus. Innenpolitisch war Bush fast passiv, so sehr, dass man ihm an der gegenwärtigen Finanzkrise kaum mehr Mitschuld geben kann als seinem Vorgänger Bill Clinton. Bush war ein Eklektiker, kein Stratege. Entscheidungen wie die, die Truppenzahl im Irak zu erhöhen, schob er zu lange vor sich her. Wie Clinton, und ganz anders als sein Vater, war er ein unentschlossener Präsident, ein politischer Pointillist.
Der 11. September gibt Bush das Thema seiner Präsidentschaft, den Krieg gegen den Terror. Sonst hatte der vermeintliche Weltenumkrempler in Wahrheit kein eigenes. Nun plötzlich schmiedet er äußerst erfolgreich eine weltweite Allianz für diese neue, nie dagewesene Herausforderung, eine Allianz, die sogar Länder wie Saudi-Arabien und Pakistan umfasst. Dass die Exzesse dieses Kampfes, die Ausweitung des rechtsfreien Raumes durch die Bush-Regierung, notwendig waren, um Amerika vor einem weiteren Anschlag zu bewahren, wird kaum zu belegen sein. Aber auch nicht zu widerlegen.
Doch auch vom Kampf gegen den Terror, der ihn zu einer historischen Figur hätte machen können, ließ Bush sich ablenken und begann, Amerikas Ressourcen im Irak zu binden und zu verschwenden. Der Irakkrieg hat sich als absurd teure, opfervolle, bestenfalls halbherzig umgesetzte humanitäre Intervention herausgestellt. Die wahre Tragik dieses Krieges besteht darin, dass er geopolitisch nicht genug verändert hat. Dass in der Region nach all dem Aufwand noch zuviel so ist wie vorher.
Der Sophist Gorgias schrieb auf Helena, die am meisten verhasste Frau der Antike, ein Loblied, eine Verteidigung. Von dem am meisten verhassten US-Präsidenten der Neuzeit würde Gorgias wohl die Finger lassen: Weil die historische Wirkungsmacht von George W. Bush, auch wenn es heute nicht so scheinen mag, weit geringer war als die der schönen Helena.
Moritz Schuller, geboren 1968 in München, in Berlin aufgewachsen, Studium der Altphilologie in Oxford und der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Yale, dort Ph.D 1998. Freier Journalist bei der "Süddeutschen", der "FAZ" und der "Welt", seit 2002 beim Tagesspiegel, heute als Verantwortlicher Redakteur Meinung/Politische Literatur.

Moritz Schuller© Doris Spiekermann-Klaas