Georgien

"Wir schauen mit Sorge auf die Ukraine"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier empfängt am 10.04.2014 in Berlin seine georgische Amtskollegin Maia Panjikidze.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier empfängt seine georgische Amtskollegin. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Moderation: Marietta Schwarz |
2008 habe es in Georgien ein ähnliches Szenario gegeben wie derzeit in der Ukraine, erinnert sich die georgische Außenministerin Maja Panjikidze, seitdem seien einzelne Landesteile von russischen Truppen besetzt. Sie traf sich in Berlin mit ihrem Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier.
Marietta Schwarz: Die georgische Regierung drückt bei EU-Assoziierungsabkommen aufs Tempo, und als potentielles Beitrittsland soll sie Teil einer EU-Unterstützungsgruppe für die Ukraine werden. Mit Russland unterhält Georgien seit dem Krieg um die Regionen Abchasien und Südossetien keine diplomatischen Beziehungen und sieht die russischen Truppen dort als Besatzer an. Die jetzige Krise in der Ukraine nährt die Angst der Georgier vor weiteren Übergriffen Moskaus. Einige Ältere trauern der Sowjetunion zwar nach, viele junge Leute aber wollen lieber heute als morgen den Anschluss an Westeuropa. Welche Vereinbarungen haben Sie mit Ihrem deutschen Kollegen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, bezüglich der Ukraine?
Maja Panjikidze: In Sachen Ukraine kann ich doch gar nichts vereinbaren. Wir haben über Georgien gesprochen. Natürlich haben wir auch über die Krise in der Ukraine gesprochen und über die Auswirkung der Krise auf die ganze Region, zu der auch Georgien gehört, aber wir haben uns über Georgien unterhalten, über die bilateralen Beziehungen, über das Assoziierungsabkommen, das Georgien sehr schnell unterschreibt und auch über die Annäherung an NATO.
Schwarz: Welche Rolle hat denn Georgien in diesem Konflikt?
Panjikidze: Wir sind ein Land, das die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine anerkennt, und wir sind ein Land, das mit der Ukraine ganz enge Beziehungen hat, mit dem ukrainischen Volk. Und wir schauen mit Sorge auf die Ukraine und leiden mit, weil auch die Erinnerungen wach werden von 2008. Da gab es ein ähnliches Szenario in Georgien und das Resultat ist, dass zwei Teile von Georgien besetzt sind von russischen Truppen, das sind 20 Prozent unseres Territoriums, und die Beigebiete Südossetien und Abchasien sind als unabhängige Länder anerkannt von Russland.
Schwarz: Inwieweit ist die Situation in Kiew jetzt vergleichbar mit der damals in Ihrem Land?
Panjikidze: Die ist nicht vergleichbar. Der Ausgang der Krise ist wahrscheinlich auch anders in der Ukraine, und auch der Grund, warum es zu Unruhen gekommen ist in der Ukraine, ist ein anderer. In Georgien steht die Bevölkerung hinter der Entscheidung der Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben, und daher gibt es eine Einigkeit über die europäische Idee in meinem Land.
Schwarz: Das heißt, die georgische Regierung steht auch zu den europäischen Kräften in der Ukraine?
Panjikidze: Die georgische Regierung hält das Referendum auf der Krim für illegal.
Schwarz: Kommen wir zurück auf Georgien: Erhöht eine Unterstützung der Ukraine beziehungsweise eine Hinwendung zur EU nicht den Druck, den Russland auf Georgien ausübt?
Panjikidze: Wie ich bereits gesagt habe, 20 Prozent unseres Territoriums ist okkupiert durch Russland. Mehr Druck ist nicht vorstellbar.
Schwarz: Gibt es Angst der Georgier vor Russland?
Panjikidze: Aus dem gleichen Grund: Ja.
"Der europäische Weg ist der einzig richtige Weg für unser Land"
Schwarz: Georgien strebt, wie Moldawien, eine engere Verbindung an die EU an, das haben Sie bereits auch erwähnt. Der moldawische Ministerpräsident hat in Berlin explizit die EU-Mitgliedschaft gefordert. Sie haben sich aber, zumindest nach meiner Kenntnislage, ihm da nicht angeschlossen.
Panjikidze: Wir betrachten das Assoziierungsabkommen als einen Schritt Richtung Mitgliedschaft der EU, und das ist nichts Neues für Georgier und für Georgien. Das ist der Weg, den Georgien gewählt hat, schon nach der Unabhängigkeit in den Neunzigern, Anfang Neunziger. Der europäische Weg ist der einzig richtige Weg für unser Land.
Schwarz: Wie wird sich die nähere Hinwendung zur europäischen Welt, wie wird die das Verhältnis zu Russland verändern?
Panjikidze: Wir glauben, dass beides möglich ist. Wir möchten die Beziehungen zu Russland normalisieren, wir haben auch erste Versuche gestartet, und die haben auch konkrete Resultate erbracht. Zum Beispiel wurde der russische Markt erneut für georgische landwirtschaftliche Produkte geöffnet. Wir glauben, dass eine Annäherung an die EU und NATO und gleichzeitig normale Beziehungen zu Russland möglich sind. Wir möchten EU und NATO-Mitgliedschaft nicht gegen Russland, sondern um eben auch mit Russland bessere Beziehungen zu haben.
Schwarz: Wie können Sie das Verhältnis zu Russland normalisieren?
Panjikidze: Wir haben einen direkten Dialog angefangen mit Russland, wir haben viele konstruktive Schritte gemacht, wir haben zum Beispiel an den Olympischen Spielen in Sotschi teilgenommen, wir haben einen direkten Dialog, wie ich erwähnte, wir besprechen mit denen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, kulturelle und humanitäre Beziehungen, und, wie gesagt, wir haben schon die ersten positiven Ergebnisse.
Schwarz: Frau Panjikidze, die NATO hat Georgien eine engere Anbindung in Aussicht gestellt. Wie wichtig ist Ihnen gerade jetzt in dieser Situation ein NATO-Beitritt?
Panjikidze: Auch NATO-Beitritt ist etwas, was das georgische Volk, wie gesagt, Anfang Neunziger beschlossen hat. Vielleicht ist das heute aktueller denn je, aber diesen Weg gehen wir schon seit 20 Jahren. Wir waren schon Teilnehmer der Partnerschaft-for-Peace-Programme, wir sind mit NATO gemeinsam im Kosovo gewesen, wir sind jetzt mit NATO gemeinsam in der ISAF-Mission in Afghanistan, wir haben eine enge Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich, aber auch im politischen Bereich mit der NATO, wir haben eine NATO-Georgien-Kommission, die regelmäßig tagt, und wir haben einen regen Austausch. Wir wollen NATO-Mitgliedschaft, aber auch die EU-Mitgliedschaft, nicht, weil wir nur Stabilität und Sicherheit wollen für unser Land, sondern weil wir die Werte teilen, auf denen die EU und NATO basieren.
Schwarz: Maja Panjikidze, georgische Außenministerin auf Deutschlandbesuch. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Panjikidze: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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