Mit einem Bohrer in 3000 Meter Tiefe
Wie lässt sich erneuerbare Energie rund um die Uhr produzieren? Wer tief genug in die Erde bohrt, könnte auf besonders hohe Temperaturen stoßen, die sich für eine solche Stromgewinnung eignen. In Bayern sind die Bedingungen günstig, allerdings gibt es erbitterte Gegner.
Mit einem Wasserkocher veranschaulicht Katharina Aubele ein zentrales Problem der Geothermie: nämlich Verkalkung.
"Wenn das Wasser von einem bestimmten Temperatur-Niveau abkühlt, tendieren bestimmte Mineralien dazu, auszufällen und sich abzulagern. In kalkigen Krusten. Diese Krusten lagern sich überall ab: in der Pumpe, die im Bohrloch hängt. In den Wärmetauschern. In den Steigleitungen. Das ist ein großes Problem für die Anlagen."
Die Anlagen – das sind die Geothermie-Kraftwerke, von denen im Süden Bayerns immer mehr ans Netz gehen. Die Geologin Katharina Aubele will dafür sorgen, dass die Anlagen effizienter werden.
"Da ist noch Luft nach oben. Und daran arbeiten wir."
Wir – das ist die Geothermie-Allianz Bayern. Ein Forschungs-Verbund der Technischen Universität München mit den Universitäten in Nürnberg und Bayreuth. Hier versuchen Geologen, Maschinenbauer und Elektrotechniker, die Schwierigkeiten zu lösen, an denen die Geothermie immer noch krankt.
"Die Probleme, die dazu geführt haben, dass die Technologie so ein bisschen ins Hintertreffen geraten ist, kann man vielleicht sagen, liegen daran, dass viele Probleme nicht vorhersehbar waren. Man hat zwar intensiv geophysikalisch und geologisch den Untergrund untersucht, hat die Bohrungen niedergebracht – hat aber nie mit hundert Prozent Sicherheit sagen können. Das Projekt wird erfolgreich. Hier werden wir fündig, hier reichen uns die Wassermengen und die Temperaturniveaus."
"Eine Gelddruck-Maschine"
Eigentlich funktioniert Geothermie bestechend einfach. Zuerst treibt man einen Bohrer in rund 3000 Meter Tiefe.
Dann fördert man mit Pumpen das heiße Grundwasser an die Oberfläche.
Dieses Thermalwasser erzeugt entweder Strom oder fließt durch Fernwärme-Leitungen, um Häuser und Fabriken zu beheizen. Ein Pionier dieser erneuerbaren und grundlastfähigen Energie ist Erwin Knapek, Präsident des Bundesvorstand Geothermie.
"Mit der Produktion von nutzbarer Energie durch die Geothermie wird Energie verkauft. Damit kommt auch Geld wieder zurück. Insofern ist das eine Gelddruck-Maschine. Ich kenne andere Sachen, da schieben Sie Geld rein, und es kommt keines zurück."
Geld-Druckmaschine – das klingt verlockend. In Südbayern, am Rande der Alpen, haben sich viele Gemeinden locken lassen. Hier sind die geologischen Bedingungen für Geothermie besonders günstig. Aber ein Selbstläufer ist die Technologie nicht. Das hat auch Wolfgang Geisinger erfahren müssen, der Geschäftsführer der Geothermie-Anlage Unterhaching, südlich von München.
"Natürlich ist die Euphorie, die am Anfang da war, die ist verflogen. Das muss man ehrlicherweise so sagen."
Denn die Investitions- und Betriebskosten sind höher als erwartet. Immer wieder fallen die Förderpumpen in 500 Metern Tiefe aus – weil sie verkalken oder nicht mit den hohen Temperaturen klarkommen. In Unterhaching sind längst nicht alle Bürger von der Geothermie überzeugt:
Auch die Stadtwerke München (SWM) kennen die Probleme. Allerdings hält deren technischer Geschäftsführer Stephan Schwarz die Geothermie für beherrschbar – und langfristig für ein Erfolgsmodell. Vor allem, weil München auf einem riesigen Molassebecken liegt – einem unterirdischen Heißwasser-Speicher.
Investition in dreistelliger Millionenhöhe
"Wer hat schon das Glück, für die Wärme so ein unerschöpfliches Reservoir zu haben? Wenn wir dieses Reservoir erstmal erschlossen haben, steht es für hunderte von Jahren zur Verfügung. Das gilt es wirklich zu erschließen."
Die Stadtwerke München haben dafür Geld in dreistelliger Millionenhöhe investiert. Schon jetzt laufen drei Geothermie-Anlagen im Stadtgebiet. Und obwohl die Stadtwerke inzwischen in finanzielle Turbulenzen geraten sind, planen sie ein viertes Heißwasser-Kraftwerk. Seismische Untersuchungen hätten gezeigt, so Schwarz…
"… dass das Projekt am Standort des Heizkraftwerkes Süd jetzt schon in der Planung präzisiert werden kann. Dort wollen wir im nächsten Jahr mit den vorbereitenden Arbeiten beginnen. Und spätestens 2018 mit den Bohrarbeiten."
Die neue Anlage wird mitten in München laufen. Sie soll über Fernwärmeleitungen vor allem Häuser und Wohnungen mit Energie versorgen. Derzeit verlegen die SWM kilometerweit Rohre in der Stadt – eine Investition in eine umweltfreundliche Zukunft. Für das Jahr 2040 formuliert der Technische Geschäftsführer Stephan Schwarz das Ziel…
"… dass wir mindestens 50 Prozent der dann gebrauchten Fernwärme über Geothermie erzeugen können."
Dieses ehrgeizige Ziel ist ohne die Hilfe von Wissenschaftlern nicht erreichbar. Geologinnen wie Katharina Aubele von der TU München müssen noch viele Probleme lösen. Die Geothermie-Allianz Bayern ist ein Schritt dazu. Der Freistaat bietet dafür bessere Voraussetzungen als jede andere Region in Deutschland.
Plötzlich sackte eine Straße ein
"Es gibt mit Sicherheit Gegenden in Deutschland, die risikobehafteter sind. Zum Beispiel der Oberrheingraben. Einfach aufgrund der Tektonik, die wir da vorfinden. Der Oberrheingraben ist eine Zone, in der viel passiert, da driften Erdplatten auseinander. Da haben wir in Bayern einfach das Glück, dass wir auf einem sehr ruhigen Fleckchen Erde wohnen."
Ein Fleckchen Erde, das aber auch nicht immer ganz ungefährlich ist. Vor ein paar Monaten bohrte ein Geothermie-Unternehmen in Rottach-Egern am Tegernsee nach heißen Quellen. Dabei sackte plötzlich eine Straße zwei Meter in die Tiefe. Niemand kam zu Schaden – aber für das Vertrauen in die Geothermie war der Vorfall nicht förderlich. Er zeigt, dass wir auf einer zerbrechlichen Erdkruste leben. Unter uns, in großer Tiefe, brodelt es wie in einem Wasserkocher. Wissenschaftlerinnen wie Katharina Aubele tun alles, um diese Energie gefahrlos an- und auszuschalten.