Geothermie-Pilotprojekt in Munster
Heißes Wasser wird aus der Erde gepumpt, kaltes zurück: Wärmegewinnung auf diese Weise ist günstig und krisenfest. © Getty Images / iStock / Dmytro Bosnak
Wärme aus dem Erdreich
10:38 Minuten
In der Kleinstadt Munster erscheint durch die Energiekrise plötzlich ein Projekt profitabel, bei dem Wärme über Geothermie gewonnen wird. Die Investitionskosten sind erst einmal hoch - doch in ein paar Jahren wird Heizen nur noch die Hälfte kosten.
Wenn man in Munster aus dem Zug steigt, sieht man auf den Bahnsteigen auffällig viele Soldaten. Die Bundeswehr ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mitten in der Lüneburger Heide. 15.000 Einwohner leben in der Kleinstadt Munster, fast jeder zweite ist wegen der Bundeswehr hier.
Mich aber interessiert das Bohrloch, das direkt an den riesigen Truppenübungsplatz grenzt. Es ragt 5.000 Meter tief in die Erde und ist vielleicht zehn Zentimeter breit. Eine der vielen ausgedienten Erdgasförderstellen des US-Energie- und -Rohstoffriesen Exxon Mobil hier in der Region. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Munster-Bispingen, Jan Niemann, holt mich mit dem Auto ab und zeigt mir auf dem Weg zur Bohrstelle die Stadt.
Die Bundeswehr prägt die Kleinstadt
Ganze Stadtteile sind durch die Wohnblocks der Bundeswehr geprägt. Pro Gebäude acht bis zehn Wohnungen. Jedes dieser Mehrfamilienhäuser braucht nur einen Fernwärmeanschluss. Das macht die Installation in Munster besonders rentabel.
Ein weiterer Vorteil für das Herzensprojekt von Niemann ist die Wärmegewinnung mittels Geothermie. Der Kaufmann war schon als Schüler von grüner Technologie fasziniert. Deshalb reizt es den 58-jährigen besonders, seine Stadtwerke zu einem Lieferanten von umweltfreundlicher Energie umzubauen. Der dreifache Familienvater will das Projekt mit dem Namen Heide Geo wirtschaftlich zum Erfolg zu führen.
Er sagt: "Wie kann ich mich später, und das war immer mein Anspruch, vor meinen Kindern hinstellen? Papa, hast Du versucht, etwas für den Umweltschutz oder die nächste Generation zu tun? Das war mein Ansporn und den habe ich noch immer."
Schon seit 18 Jahren arbeiten die Stadtwerke Munster-Bispingen an ihrem Erdwärmeprojekt. Ursprünglich wollte man nur die Bundeswehr mit Wärme versorgen und dafür das hunderte Kilometer lange Fernwärmenetz der Streitkräfte vor Ort nutzen.
Als sich das nach endlosen Verhandlungen aber zerschlug, fragte sich die Kommune als Besitzer der Stadtwerke: Warum versorgen wir nicht die ganze Stadt mit der günstigen Energie aus den alten Bohrlöchern?
Grünes Licht von Stadtrat
Doch erst jetzt in der aktuellen Energiekrise rechnet sich das Projekt richtig. Im Frühjahr hat der Stadtrat grünes Licht gegeben. Derzeit wird im Quartiersplan festgelegt, welche Bereiche zuerst an das Wärmenetz angeschlossen werden, wie die Schulzentren, das Rathaus. "Das sind öffentliche Gebäude, die hier im Fokus stehen, und dann muss man sehen, wer links oder rechts als Wohnungseigentümer oder Wohnblockeigentümer interessiert ist, sich anschließen zu lassen", so Niemann.
Niedersachsen ist das Gas- und Ölförderland Nummer eins in Deutschland. In den vergangenen 60 Jahren sind hier mehr als 15.000 Förderstellen gebohrt worden.
Der Plan: Aus den Bohrlöchern, die noch nicht verschlossen sind, riesige Mengen an CO2-freier Erdwärme zu gewinnen und damit die Energiewende massiv zu unterstützen. Nach dem Vorstoß von Munster hat das Landesbergamt in Hannover deshalb die Gasindustrie verpflichtet, alle Bohrlöcher offenzuhalten, die für eine Nachnutzung zur Wärmegewinnung in Frage kommen.
Eine alte Bohrstelle ist wieder von Nutzen
Die stillgelegte Bohrstelle liegt nur zwei Kilometer von der Stadt Munster entfernt, umgeben von einem Birken- und Fichtenwäldchen, typisch für die Lüneburger Heide. Die Förderstelle ist zwei Fußballfelder groß und mit einem Maschendrahtzaun umgeben. Betriebsanlage Munster Süd-West Z3 ist auf einem Schild von Exxon Mobil zu lesen. Der Platz ist fast leer. Nur das Gestänge des alten Bohrlochs ragt aus dem Boden.
Für den Öl- und Gaskonzern ist es ein großer Vorteil, dass die Stadtwerke die Bohrstelle weiternutzen. Das spart Exxon Mobil Millionenkosten, um die Bohrung sicher zu verschließen. Genau über dem ausgedienten Bohrloch soll die neue Geothermie-Anlage gebaut werden.
Der Plan: Das 147 Grad Celsius heiße Salzwasser wird aus 5000 Meter Tiefe nach oben gepumpt und an die Fernwärmeleitung weitergegeben. Über ein zweites Bohrloch wird das abgekühlte Wasser wieder in die Tiefe geleitet, damit die Druckverhältnisse unter Tage nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Für das zweite Bohrloch, das etwa 50 Meter weiter noch entstehen muss, ist auf dem Gelände noch genug Platz.
"Das ist das Tolle an dem Projekt, hier wird ein bestehendes Loch, das jetzt für den ursprünglichen Zweck nicht mehr gebraucht wird, nachgenutzt", zeigt sich Niemann begeistert. Diese Nachnutzung sei für Niedersachsen so interessant, weil das Bundesland mindestens 2000 Bohrlöcher habe.
Ein Markt ist jetzt da
Der Finanzplan des Projekts steht. Gut 40 Millionen Euro kostet das Projekt insgesamt, gut 10 Millionen Euro investieren die Stadtwerke, mit zehn Millionen Euro können sich die Bürgerinnen und Bürger von Munster beteiligen und 20 Millionen Euro kommen von externen Investoren. Längst geklärt ist, dass in 5000 Meter Tiefe tatsächlich genügend heißes Wasser vorhanden ist.
Denn Exxon Mobil hat dem Heide Geo Projekt alle geologischen Daten zur Verfügung gestellt. Und weil eines der beiden Bohrlöcher schon da ist, sparen die Stadtwerke allein dadurch 15 Millionen Euro an Bohrkosten. Gerade wegen der hohen Investitionskosten sind viele Kommunen bislang vor solch einem Geothermie Projekt zurückgeschreckt.
Das ist jetzt anders: "Jetzt entsteht dieser Markt, der ist jetzt vor der Tür, dieser Markt, aufgrund der Energiekrise." Wie es mit der Erdwärmegewinnung in Munster vorangeht, wird auch außerhalb des Städtchens genau verfolgt. So auch im Landkreis Rotenburg (Wümme), dem eigentlichen Zentrum der deutschen Erdgasförderung. Denn auch hier gibt es ausgediente Förderlöcher. Der Bürgermeister von Bothel, Dirk Eberle, ist längst auf das Erdwärmeprojekt im 50 Kilometer entfernten Munster aufmerksam geworden.
Günstige Wärme für viele Haushalte
Zurück bei den Stadtwerken in Munster-Bispingen. Im Verwaltungsgebäude treffe ich den Projektleiter Sebastian Spöring. Der Prokurist arbeitet seit sechs Jahren für die Stadtwerke. Er ist auch zuständig für die Strategie und Weiterentwicklung von Heide Geo und fasst die Eckpunkte des Erdwärmeprojekts zusammen. "Wir haben eine bestätigte Temperatur von 147 Grad Celsius", sagt er. "Wir gehen von einer Förderleistung von mindestens 30, im ausgebauten Zustand der Bohrung von 50 Litern pro Sekunde aus."
Das reicht aus, um Tausende von Haushalten mit günstiger Wärme aus der eigenen Förderstelle zu versorgen. Wenn sich das Projekt erst herumgesprochen hat, ließen sich mit der billigen Energie vielleicht sogar Industriebetriebe in die strukturschwache Region locken, hofft Spöring.
Bundesweite Perspektiven
Für den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies könnte das Projekt sogar bundesweit Schule machen. Das Land hat die Stadtwerke Munster-Bispingen jetzt mit 6,9 Millionen Euro Anschubfinanzierung unterstützt. Die Umsetzung könnte optimistisch geschätzt in zwei Jahren möglich werden.
Dass in Munster schon in zwei Jahren die ersten Haushalte mit der eigenen Erdwärme beheizt werden könnten, wäre schön, meint Geschäftsführer Niemann. Doch er plant da etwas vorsichtiger.
Er wäre zufrieden, wenn die Bürgerinnen und Bürger in vier Jahren ihre alten Gas- und Ölheizungen gegen den Fernwärmeanschluss austauschen könnten. Die Munsteraner freuen sich auf die neue Wärmequelle. Denn dann müssen sie nur noch die Hälfte fürs Heizen bezahlen.
Schon jetzt erreichen Niemann viele Anfragen zu seinem Projekt. Gerade angesichts der explodierenden Energiepreise wollen andere Stadtwerke genau wissen, wie man das anstellen muss, Erdwärme aus nicht mehr genutzten Bohrlöchern zu gewinnen.
Der Geschäftsführer gibt sein Wissen gerne weiter. Denn auch so kann er etwas für die Umwelt tun. Wenn aus alten Bohrlöchern eine neue, umweltfreundliche Wärmequelle wird. Und das Ganze wirtschaftlich und für Jahrzehnte.