"Geplante Aktion von der Regierung Assad"
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, hat Syrien beschuldigt, die Auseinandersetzungen auf den Golanhöhen gesteuert zu haben. Er äußerte Verständnis für die Reaktion der Grenzposten.
Nana Brink: Neue Eskalation in Nahost: Ausgerechnet am 63. Jahrestag der Entstehung Israels ist es an den Grenzen des Landes zu massiven Unruhen gekommen. Erstmals seit Jahrzehnten durchbrachen Tausende palästinensische Zivilisten von Syrien aus die streng bewachte Grenze zu den von Israel kontrollieren Golanhöhen. Und auch für die Palästinenser war es ein Gedenktag, der sogenannte Nakba-Tag, der an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Araber aus dem historischen Palästina nach der israelischen Staatsgründung 1948 erinnert. Die Bilanz: Bis zu zehn Menschen sollen getötet worden sein.
Seit Sonntag herrscht nun allerdings wieder weitgehend Ruhe an den israelischen Grenzen, aber wird das so bleiben? Und wie sehr ist Israel unter Druck durch die arabischen Unruhen in den umliegenden Ländern? Und das möchte ich jetzt besprechen mit dem SPD-Politiker Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, einen schönen guten Morgen, Herr Robbe!
Reinhold Robbe: Guten Morgen, Frau Brink, ich grüße Sie!
Brink: Wie bewerten Sie die Ausschreitungen vom Wochenende an den Grenzen?
Robbe: Nun, ich war genau so wie alle bei uns, aber vor allen Dingen auch in Israel, überrascht von diesem Phänomen, muss man ja sagen, als am Sonntag dann Hunderte von palästinensischen Menschen plötzlich auf die israelische Grenze zukamen und die Grenzposten – man muss sich doch nur mal in die Situation dieser überraschten Grenzer versetzen – dann nicht wussten, wie sie mit dieser Situation klarkamen und das Ganze dann ja bedauerlicherweise auch eskaliert ist. Verständlicherweise eskaliert ist, denn wenn eine Grenze verletzt wird – insbesondere an dieser sensibelsten Stelle, wenn man sich einmal die Weltkarte anschaut, die man sich überhaupt nur vorstellen kann –, dann ist es klar, dass dort auch reagiert wird. Das muss man wissen, das ist genau so logisch – ich will ein anderes Beispiel nennen –, als wenn von Seeseite versucht wird, die Blockaden und die Grenzen zu durchdringen. Dann muss die israelische Seite reagieren. Und wenn dann nicht entsprechend …
Brink: … Sie sprechen jetzt die Hilfstransporte aus der Türkei an …
Robbe: … ja, ich spreche diese sogenannte Flottille an, die Flottille zwei, die jetzt wieder in der Vorbereitung ist, und die ausschließlich dazu dient, ja im Grunde das Land zu provozieren, und ablenkt von den Möglichkeiten, die es geben muss, einen Frieden in diesem Lande herzustellen, in dieser Region herzustellen. Aber ich will darauf, das ist ein anderes Thema … Ich will noch mal zurückkommen auf diese Geschichte: Offensichtlich – und das sagen inzwischen alle Beobachter vor Ort, alle ernstzunehmenden, auch Journalisten, ich habe gerade noch einen ausführlichen Bericht gesehen dazu –, sie sagen, dieses war eine lang geplante Aktion von der Regierung Assad, von dem Despoten, muss man sagen, der auf seine eigenen Leute schießen lässt, der seine eigenen Leute malträtiert und dafür sorgt, dass hier keine demokratische Entwicklung in Syrien möglich ist. Das muss man alles wissen.
Brink: Trotzdem, Pardon, hat ja die israelische Armeeführung Fehler eingestanden, ganz offen. Das macht sie ja auch äußerst selten. Hat man die Situation von israelischer Seite dann auch völlig falsch eingeschätzt?
Robbe: Ja, offensichtlich haben hier auch die Geheimdienste nicht gewusst, dass diese Aktion an diesem sogenannten Gedenktag vorbereitet wurde, und insofern waren alle überrascht. Also die Dienste wussten offensichtlich nicht Bescheid und selbstverständlich wussten auch die Verantwortlichen in der Armee nicht Bescheid. Und dann kommt es selbstverständlich auch zu Situationen, die man sich nicht wünscht. Und ich bin ehrlich gesagt froh, dass nicht noch mehr passiert ist, denn es hätte auch noch ganz anders kommen können, dass diese eskalierende Situation wie gesagt noch schlimmer gekommen wäre.
Brink: Nun weiß man aber über den Aufbruch, über die arabischen Freiheitsbewegungen, jetzt mal ganz abgesehen, ob dies gesteuert ist oder nicht von Syrien. Man hat ja doch den Eindruck, dass auch Israel durch diese arabischen Freiheitsbewegungen, durch diesen arabischen Frühling massiv unter Druck ist. Fühlt sich Israel bedrängt?
Robbe: Israel fühlt sich bereits seit der Staatsgründung bedrängt. Das wird bei uns immer wieder vergessen, dass dieses Land natürlich entstanden ist in der Geschichte aufgrund eines Beschlusses der Internationalen Staatengemeinschaft, der Vereinten Nationen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass die Menschen, die dort lebten, bevor der Staat Israel gegründet wurde, dann auch zum Teil das Land verlassen mussten, auch aus eigener Initiative verlassen haben, und dass es seitdem das Problem gibt, dass Palästinenser sagen, die Israelis haben uns unser Land genommen. Das ist einfach eine historische Tatsache. Und daraus haben sich seitdem immer wieder Probleme entwickelt bis hin zu der Tatsache, dass es bis heute nicht möglich war, mit allen Nachbarn Israels einen tatsächlichen Frieden hinzukriegen.
Brink: Aber ist der Druck jetzt in den letzten Monaten noch erhöht oder …
Robbe: … natürlich ist er erhöht, weil überhaupt nicht abzusehen ist, in welche Richtung sich auch bestimmte Länder entwickeln. Nehmen Sie doch nur den bisher wichtigsten Partner von, oder einen der wichtigsten Partner neben Jordanien, Ägypten. Hier haben wir Gott sei Dank jetzt eine Entwicklung, die in die richtige Richtung geht, sage ich mal, wo demokratische Abläufe jetzt festgelegt werden, vereinbart werden. Aber niemand weiß auf der anderen Seite, wie zum Beispiel in Zukunft der Einfluss der sogenannte Muslimbruderschaft sein wird, also eine Gruppe, die bisher überhaupt nicht, auch bei uns, entsprechend analysiert wurde, und wo kaum jemand weiß, in welcher Weise hier auch islamistische Tendenzen ausgehen. Und für Israel ist es natürlich wichtig, Partner zu haben auch in diesen, ich sag mal, neuen Demokratiebewegungen, die das Existenzrecht Israels bestätigen und nicht infrage stellen. Das ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Problems.
Brink: Herr Robbe, eine letzte kurze Frage noch: Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Mitchell, ist zurückgetreten, und nun hat Obama auch angekündigt, er wird eine neue Rede halten, noch in dieser Woche, zu dem Problem in Nahost. Wird es eine neue Friedensinitiative geben?
Robbe: Es muss eine neue Friedensinitiative geben. Es gibt hier überhaupt keine Alternative, auch für den amerikanischen Präsidenten nicht. Und ich glaube, Obama hat erkannt, dass seine erste Initiative, die er versucht hat, von vornherein zum Scheitern verurteilt war, weil die Erwartungshaltungen viel zu hoch gestellt wurden. Und jetzt muss versucht werden, hinter den Kulissen mit den beteiligten Akteuren zu reden, möglichst auch mit Vermittlern, die Vertrauen genießen. Und ich – das sage ich mit aller Deutlichkeit –, ich bin enttäuscht über die Europäische Union, die es bis zum heutigen Tage nicht fertiggebracht hat, mit einer Zunge zu reden, sowohl gegenüber den Demokratiebewegungen in Nordafrika, wie auch gegenüber den Partnern im Nahen Osten, das heißt, sowohl gegenüber Israel und den Palästinensern. Hier hätte eine ganz … und sie besteht noch, die Chance, aber hier hätte auch in der Vergangenheit schon eine ganz, ganz große Chance für Europa bestanden. Hier dürfen sich alle nicht mit Ruhm bekleckern, auch unser eigenes Land nicht.
Brink: Vielen Dank, Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, schönen Dank für das Gespräch, Herr Robbe!
Robbe: Gerne, gerne. Alles Gute!
Seit Sonntag herrscht nun allerdings wieder weitgehend Ruhe an den israelischen Grenzen, aber wird das so bleiben? Und wie sehr ist Israel unter Druck durch die arabischen Unruhen in den umliegenden Ländern? Und das möchte ich jetzt besprechen mit dem SPD-Politiker Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, einen schönen guten Morgen, Herr Robbe!
Reinhold Robbe: Guten Morgen, Frau Brink, ich grüße Sie!
Brink: Wie bewerten Sie die Ausschreitungen vom Wochenende an den Grenzen?
Robbe: Nun, ich war genau so wie alle bei uns, aber vor allen Dingen auch in Israel, überrascht von diesem Phänomen, muss man ja sagen, als am Sonntag dann Hunderte von palästinensischen Menschen plötzlich auf die israelische Grenze zukamen und die Grenzposten – man muss sich doch nur mal in die Situation dieser überraschten Grenzer versetzen – dann nicht wussten, wie sie mit dieser Situation klarkamen und das Ganze dann ja bedauerlicherweise auch eskaliert ist. Verständlicherweise eskaliert ist, denn wenn eine Grenze verletzt wird – insbesondere an dieser sensibelsten Stelle, wenn man sich einmal die Weltkarte anschaut, die man sich überhaupt nur vorstellen kann –, dann ist es klar, dass dort auch reagiert wird. Das muss man wissen, das ist genau so logisch – ich will ein anderes Beispiel nennen –, als wenn von Seeseite versucht wird, die Blockaden und die Grenzen zu durchdringen. Dann muss die israelische Seite reagieren. Und wenn dann nicht entsprechend …
Brink: … Sie sprechen jetzt die Hilfstransporte aus der Türkei an …
Robbe: … ja, ich spreche diese sogenannte Flottille an, die Flottille zwei, die jetzt wieder in der Vorbereitung ist, und die ausschließlich dazu dient, ja im Grunde das Land zu provozieren, und ablenkt von den Möglichkeiten, die es geben muss, einen Frieden in diesem Lande herzustellen, in dieser Region herzustellen. Aber ich will darauf, das ist ein anderes Thema … Ich will noch mal zurückkommen auf diese Geschichte: Offensichtlich – und das sagen inzwischen alle Beobachter vor Ort, alle ernstzunehmenden, auch Journalisten, ich habe gerade noch einen ausführlichen Bericht gesehen dazu –, sie sagen, dieses war eine lang geplante Aktion von der Regierung Assad, von dem Despoten, muss man sagen, der auf seine eigenen Leute schießen lässt, der seine eigenen Leute malträtiert und dafür sorgt, dass hier keine demokratische Entwicklung in Syrien möglich ist. Das muss man alles wissen.
Brink: Trotzdem, Pardon, hat ja die israelische Armeeführung Fehler eingestanden, ganz offen. Das macht sie ja auch äußerst selten. Hat man die Situation von israelischer Seite dann auch völlig falsch eingeschätzt?
Robbe: Ja, offensichtlich haben hier auch die Geheimdienste nicht gewusst, dass diese Aktion an diesem sogenannten Gedenktag vorbereitet wurde, und insofern waren alle überrascht. Also die Dienste wussten offensichtlich nicht Bescheid und selbstverständlich wussten auch die Verantwortlichen in der Armee nicht Bescheid. Und dann kommt es selbstverständlich auch zu Situationen, die man sich nicht wünscht. Und ich bin ehrlich gesagt froh, dass nicht noch mehr passiert ist, denn es hätte auch noch ganz anders kommen können, dass diese eskalierende Situation wie gesagt noch schlimmer gekommen wäre.
Brink: Nun weiß man aber über den Aufbruch, über die arabischen Freiheitsbewegungen, jetzt mal ganz abgesehen, ob dies gesteuert ist oder nicht von Syrien. Man hat ja doch den Eindruck, dass auch Israel durch diese arabischen Freiheitsbewegungen, durch diesen arabischen Frühling massiv unter Druck ist. Fühlt sich Israel bedrängt?
Robbe: Israel fühlt sich bereits seit der Staatsgründung bedrängt. Das wird bei uns immer wieder vergessen, dass dieses Land natürlich entstanden ist in der Geschichte aufgrund eines Beschlusses der Internationalen Staatengemeinschaft, der Vereinten Nationen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass die Menschen, die dort lebten, bevor der Staat Israel gegründet wurde, dann auch zum Teil das Land verlassen mussten, auch aus eigener Initiative verlassen haben, und dass es seitdem das Problem gibt, dass Palästinenser sagen, die Israelis haben uns unser Land genommen. Das ist einfach eine historische Tatsache. Und daraus haben sich seitdem immer wieder Probleme entwickelt bis hin zu der Tatsache, dass es bis heute nicht möglich war, mit allen Nachbarn Israels einen tatsächlichen Frieden hinzukriegen.
Brink: Aber ist der Druck jetzt in den letzten Monaten noch erhöht oder …
Robbe: … natürlich ist er erhöht, weil überhaupt nicht abzusehen ist, in welche Richtung sich auch bestimmte Länder entwickeln. Nehmen Sie doch nur den bisher wichtigsten Partner von, oder einen der wichtigsten Partner neben Jordanien, Ägypten. Hier haben wir Gott sei Dank jetzt eine Entwicklung, die in die richtige Richtung geht, sage ich mal, wo demokratische Abläufe jetzt festgelegt werden, vereinbart werden. Aber niemand weiß auf der anderen Seite, wie zum Beispiel in Zukunft der Einfluss der sogenannte Muslimbruderschaft sein wird, also eine Gruppe, die bisher überhaupt nicht, auch bei uns, entsprechend analysiert wurde, und wo kaum jemand weiß, in welcher Weise hier auch islamistische Tendenzen ausgehen. Und für Israel ist es natürlich wichtig, Partner zu haben auch in diesen, ich sag mal, neuen Demokratiebewegungen, die das Existenzrecht Israels bestätigen und nicht infrage stellen. Das ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Problems.
Brink: Herr Robbe, eine letzte kurze Frage noch: Der US-Gesandte für den Nahen Osten, Mitchell, ist zurückgetreten, und nun hat Obama auch angekündigt, er wird eine neue Rede halten, noch in dieser Woche, zu dem Problem in Nahost. Wird es eine neue Friedensinitiative geben?
Robbe: Es muss eine neue Friedensinitiative geben. Es gibt hier überhaupt keine Alternative, auch für den amerikanischen Präsidenten nicht. Und ich glaube, Obama hat erkannt, dass seine erste Initiative, die er versucht hat, von vornherein zum Scheitern verurteilt war, weil die Erwartungshaltungen viel zu hoch gestellt wurden. Und jetzt muss versucht werden, hinter den Kulissen mit den beteiligten Akteuren zu reden, möglichst auch mit Vermittlern, die Vertrauen genießen. Und ich – das sage ich mit aller Deutlichkeit –, ich bin enttäuscht über die Europäische Union, die es bis zum heutigen Tage nicht fertiggebracht hat, mit einer Zunge zu reden, sowohl gegenüber den Demokratiebewegungen in Nordafrika, wie auch gegenüber den Partnern im Nahen Osten, das heißt, sowohl gegenüber Israel und den Palästinensern. Hier hätte eine ganz … und sie besteht noch, die Chance, aber hier hätte auch in der Vergangenheit schon eine ganz, ganz große Chance für Europa bestanden. Hier dürfen sich alle nicht mit Ruhm bekleckern, auch unser eigenes Land nicht.
Brink: Vielen Dank, Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, schönen Dank für das Gespräch, Herr Robbe!
Robbe: Gerne, gerne. Alles Gute!