Geplantes Exilmuseum in Berlin

"Es soll um Menschenschicksale gehen"

Eine jüdische Familie 1939 auf der Flucht
Eine jüdische Familie flüchtet im Juni 1939 aus dem Memelland. © picture alliance/dpa/Foto: UPI
Christoph Stölzl im Gespräch mit Andrea Gerk |
Überlagert vom Grauen des Holocaust: Die erzwungene Flucht von 500.000 Juden aus Mitteleuropa sei bisher zu wenig präsent, sagt Christoph Stölzl. Das soll sich mit dem Exilmuseum am Anhalter Bahnhof in Berlin ändern, erklärt dessen Gründungsdirektor.
Die Stiftungsgründung sei fast fertig, sagte Christoph Stölzl im Deutschlandfunk Kultur. Ein Team arbeite bereits und man versuche, aus der Fülle von Lexikoneinträgen und Dokumenten Biografien zu erzählen, erläuterte der Gründungsdirektor des geplanten Berliner Exilmuseums die aktuellen Vorbereitungen. Es gehe darum, ein Kapitel deutscher und mitteleuropäischer Geschichte in Erinnerung zu rufen, das nicht so präsent sei, wie es sein sollte.

"Kulturelle Eliten sind fast vollständig vertrieben worden"

"Die Lexika beinhalten 8000 Namen, immerhin von 500.000. Zu diesen müssen nun Dokumente, Film- und Tonaufnahmen recherchiert werden, das ist unsere Arbeit jetzt." Im Museum soll es um Menschenschicksale gehen. Auch darum, was Deutschland und Mitteleuropa mit den jüdischen Flüchtlingen verloren hätten. Es handle sich bei dieser erzwungenen Flucht um eine "Selbstamputation": "Kulturelle Eliten sind fast vollständig vertrieben worden. Der moderne Teil, der weltfähige Teil ist doch fast ganz vertrieben worden."

Suche nach dem Möglichkeitssinn

Es gehe auch um die "Suche nach dem Möglichkeitssinn", den Deutschland damals gehabt habe. Die USA und andere Staaten hätten unendlich davon profitiert, man sehe sich nur die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen an. Interessant sei, dass alles bzw. fast alles über den Umweg Exil ins Nachkriegsdeutschland zurückgekehrt sei. Manches aber sei für immer untergegangen – wie zum Beispiel die deutsche Popmusik um 1930.
Christoph Stölzl, Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, aufgenommen am 05.09.2016 im sogenannten Tränenpalast in Berlin im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur "Denkmalkultur in Deutschland" - nach dem Scheitern der Einheitsdenkmäler in Berlin und Leipzig - zu den Gästen.
Christoph Stölzl, Gründungsdirektor des geplanten Exilmuseums © picture alliance / dpa

Ermöglichung einer sinnlichen Erfahrung

Es gehe also um die Ermöglichung einer sinnlichen Erfahrung, so Stölzl weiter. Es gehe um Hören und Anfassen. "Wir haben die 'Exilausstellung' nicht erfunden, in Frankfurt sammelt man seit langer Zeit, in Wuppertal auch, in Berlin in der Akademie der Künste. Wir sind keine Konkurrenz. Wir wollen keine Sammlung aufbauen, sondern zusammenarbeiten." Es werde Leihgaben geben. "In Berlin soll ein großes Schaufenster zur Verfügung gestellt werden", wo alle diese Vorarbeiten sichtbar würden für ein großes Publikum.

Ort auch kulturtopographisch interessant

Der Anhalter Bahnhof sei zudem ein symbolischer Ort, von hier gingen damals Züge nach Wien, Paris, Frankfurt oder London, hier spielten viele Abschiede, so Stölzl weiter. Der Weg ins Exil startete also von hier. Aber auch kulturtopographisch sei dieser Platz interessant, weil Friedrichshain-Kreuzberg ein migrantischer Bezirk sei und diese Migration der 50er- und 60er-Jahre auch ins große 20. Jahrhundert der Vertreibungen und Exile gehöre.

Die Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin.
Die Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin: Für viele Menschen startete der Weg ins Exil hier.© dpa / Soeren Stache

"Es dauert immer länger, als man denkt."

Stölzl erklärte zudem, dass, wie er erfahren habe, auf dem Parkplatz des Gropius-Baus auch ein Filmmuseum entstehen soll. "Es entsteht also gerade ein richtiges Museumsquartier" - mit der Topographie des Terrors, dem Gropius-Bau, dem geplanten Filmmuseum und dem neuen Exilmuseum. Jetzt müsse der Bezirk die für den Neubau vorgesehene Betonfläche in eine Baufläche umwidmen, dann werde das Geld besorgt. "Es dauert immer länger, als man denkt", gibt Stölzl zu bedenken.
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