Stammtischmentalität statt Mut und Offensive
Das geplante Integrationsgesetz bilde kaum die gesellschaftliche Wirklichkeit ab, kritisiert Wolfgang Kaschuba, Direktor des Berliner Instituts für Migrationsforschung. Der Entwurf sehe mehr Forderungen als Förderungen vor.
Das geplante Integrationsgesetz sei stark von Sanktionen und Restriktionen geprägt, sagte Kaschuba im Deutschlandradio Kultur. Das Gesetz komme sehr misstrauisch und sehr ängstlich daher:
"Das im Grunde denen, um die es vor allem gehen soll, signalisiert: 'Wir glauben nicht wirklich daran, dass Ihr Euch hier niederlassen wollt. Dass Ihr selbständig werden wollt, dass Ihr Familie gründen wollt.'"
Das geplante Gesetz bilde eher bayerische Stammtischrealitäten als gesellschaftliche Realitäten ab, so die Einschätzung von Kaschuba. Der Entwurf berücksichtige auch nicht die in Deutschland bereits existierende Wirklichkeit. Unsere Gesellschaft sei in vielerlei Hinsicht bereits hochmobil geworden. Besonders in der jungen Generation sei die "postmigrantische Gesellschaft" bereits Wirklichkeit geworden, sagte Kaschuba:
"Also die Gesellschaft, die unterwegs ist. Wir selber sind unterwegs. Und das Gesetz fällt eben ganz deutlich hinter diese Realitäten zurück."
Was eine Einwanderungsgesellschaft braucht
Das im Entwurf vorgesehene Prinzip "Fordern und Fördern" sei eine Formel, die man nie gerne gehört habe, äußerte Kaschuba:
"Es wird gefordert. Und die Förderungen, die Angebote, also dieses Mutige und Offensive, das nötig wäre für eine Einwanderungsgesellschaft - nach vorne zu schauen -, das fehlt diesem Gesetz in seinem Grundton."
Wolfgang Kaschuba gehört zu den Mitunterzeichnern des jüngst veröffentlichten Offenen Briefes von Wissenschaftlern, Künstlern und Autoren gegen das geplante Integrationsgesetz. Es wird als ein "Rückschritt in die 1980er Jahre" kritisiert.