Geradlinig und unverstellt
Senta Berger spielte in mehr als 100 Kinofilmen mit - meist Frauen mit Beruf, Eigensinn und Selbstbewusstsein. Drei Attribute, die sie selbst aufs Augen- und Sinnfälligste verkörpert. Morgen wird sie 65. Pünktlich zum Jubiläum legte sie jetzt ihre Autobiografie vor. Senta Berger hat damit sich selbst und ihren Fans ein wirkliches Geschenk gemacht.
Fast 50 Jahre steht Senta Berger vor der Kamera. Sie hat mit Starregisseuren wie Orson Welles, Monicelli, Wenders und Schlöndorff gearbeitet, mit Leinwandidolen wie Kirk Douglas, Mastroianni, Delon und Romy Schneider gespielt. Und was sie an Orson Welles vor allem schätzte, scheint bezeichnend für ihr eigenes Naturell.
"Ein Mann, der fast zwei Meter groß ist, ein Kind geblieben ist mit all den kindlich guten Eigenschaften: diese unglaubliche Lebensfreude, die Neugierde, der Optimismus, das Zugehen auf Menschen …"
Eine Schauspielkarriere war Senta Berger nicht in die Wiege gesungen, doch immerhin trat sie schon als kleines Tanz-Mädchen mit ihrem Vater, ein Komponist und Pianist, bei "Bunten Abenden" auf. Eine erste Zeitungskritik attestiert der "herzigen Senta akrobatische Begabung". Die Wiener Lainzerstraße - beschwört diese 60 Jahre später- "war mein Kinderparadies", obwohl die Eltern arm waren und die Wohnung so winzig, dass allabendlich die Stühle auf den Tisch mussten ,um das Klappbett der Eltern aufzustellen.
Schmucklos und rührend erzählt Senta von der für wenig Geld putzenden Mutter, der "weichen Lachtaube Resie", wie sie sie liebevoll nennt, die eine sozialistische Frauenzeitung las, gerne wanderte, doch ihre Lebenslust mit dem unglücklichen Mann nicht teilen konnte. Als die quirlige Senta mit Resie eines Frühlingstags auf die Straßenbahn wartet und wie ein Schmetterling tanzt, sagt eine Frau mit fremdem Akzent: "Kind muss lernen tanzen, ist begabt."
So beginnt Senta - Wink des Schicksals - mit sechs einen zehnjährigen Ballettunterricht. Dennoch will sie lieber Sophia Loren werden als Primaballerina, wird jedoch bei einem PR-Wettbewerb um die "Loren Wiens" derart ernüchtert, dass sie kühn beschließt: "Nicht Doppelgängerin, Schauspielerin werd ich!"
Mit 16 ist sie jüngste Schülerin im renommierten Max-Reinhardt-Seminar. Bis sie dort rausfliegt, weil sie heimlich in einem Film mit Yul Brunner und Deborah Kerr mitspielt. Ein Vertrag am Theater in der Josefstadt rettet sie aus der Klemme. In den Ferien dreht sie Filme. Als es Hans Moser nach der Schmonzettenpremiere der "Lindenwirtin vom Donaustrand" mit den Autogrammjägern zuviel wird, zeigt er auf die hübsche Teenagerin: "Holt’s Euch amol a Autogramm von der Kleinen, nämlich aus der wird was."
Recht hat der alte Komödiant behalten. Nach "Secret Ways" mit Richard Widmark - da ist Senta 19 - jubelt die Presse über die "Wiener Sexbombe". Bis heute bekommt sie die Fotos von damals zum Signieren, meist legt sie ein jüngeres Foto dazu. Anfangs dreht sie viel für den Berliner Produzenten Arthur Brauner. Aber die seichten Rex Gildo- oder Valentefilme nach immer gleichem Strickmuster genügen ihr nicht. Solche Rollen wie die große Jeannne Moreau möchte sie gerne spielen!
"Ich kann nur das gut machen, was ich glaube, also was ich für mich glaube, was ich spielen kann."
Dieses Credo beherzigt sie auch in Hollywood. Dort hat sie die Stirn, dem berühmten "Director Minelli" - Vater von Liza - die Mata Hari für ein Broadway-Musical abzuschlagen, zu kitschig las sich das Drehbuch. Auch der Typ verwehte Frau mit Geheimnis oder Biest von Denver passe nicht in ihr Mimenregister, sie sei mit ihren Gefühlen eher ein offenes Buch.
"Viel eher könnte ich eine Mutter spielen, die ihren Sohn wie eine Krake umkrallt."
Sagt die Mutter zweier erwachsener Söhne, die beruflich in die Fußstapfen der Eltern treten. Wie sie über prominente Kollegen schreibt, ist alles andere als eitles Name-dropping. Selbst die von der Boulevardpresse herausgepickten Storys, wie O.W.Fischer - Partner im Erfolgsfilm "Es muss nicht immer Kaviar sein" - im Hotel über sie herfällt und sich dann mit 65 Rosen entschuldigt oder Starregisseur Previn sie wie ein Stalker verfolgt und um ihre Hand anhält, was sie jedoch konsequent ablehnt, entbehren jeglicher Schlüssellochperspektive.
Man glaubt ihr, weil sie genauso geradlinig und geradezu wie Mama Resie ist. In Mini-Episoden gelingen ihr dichte Mini-Porträts. Zum Beispiel wenn sie die junge Sabine Sinjen trifft: "sanft und spitzbübisch, zwischen verzauberter Undine und Kobold" Oder sich an Sinatras zum Drehen in Tel Aviv mitgebrachte "Entourage" erinnert: "Diener wie für ihren Boss trainierte Hunde". Gleichzeitig aber Respekt zollt, dass er sein Mammuthonorar einem israelisch-palästinensischem Jugendklub schenkt. Senta Berger beweist auch als Schreiberin Gespür für Charaktere, Geschichten und Atmosphärisches.
"Wenn sie wittert, da ist was, da wird gelogen, da liegt was drunter, dann, dann macht sie sich auf Spurensuche."
Doch so butterweich ihre Stimme und ihr Wiener Charme daherkommen, sie kann frechen Reportern auch entschieden Abfuhr erteilen. Dass Schönheit ihr wesentlich zum Erfolg verhalf, disqualifiziert sie in einer Talkshow als gemeines Klischee: "Mein Gott, was wär’ ich ohne Talent und Fleiß!"
Entschiedenheit ist auch ihrem politischen Engagement zueigen - ob im Protest gegen den Vietnam- und Golfkrieg der USA, für Brandts Wahlkampf 72 oder für die aktuelle Ärztekampagne "Stark gegen den Schmerz". Vielleicht ist es gerade das, das Unverstellte, Nichtdivenhafte, was Senta Bergers Charisma ausmacht. Da spielt dann keine Rolle, ob sie für Calciumpillen gegen alternde Knochen wirbt, beim Moderieren des Dresdner Opernballs durch uneitle Fröhlichkeit dem Entertainer Emmerlich den Rang abläuft oder ob sie - menschenfreundlich und kess - als schnelle Gerdi oder Kriminalrätin Prohacek agiert.
"Es geht mir um Glaubwürdigkeit. Ich weiß nicht, ob mich die Leute sympathisch finden oder mich einfach schon so lange kennen; das ist sozusagen das Beruhigende, dass es die Senta immer noch gibt, die hat’s schon gegeben, als ich zwölf war oder so."
Senta Berger: Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, 333 Seiten
"Ein Mann, der fast zwei Meter groß ist, ein Kind geblieben ist mit all den kindlich guten Eigenschaften: diese unglaubliche Lebensfreude, die Neugierde, der Optimismus, das Zugehen auf Menschen …"
Eine Schauspielkarriere war Senta Berger nicht in die Wiege gesungen, doch immerhin trat sie schon als kleines Tanz-Mädchen mit ihrem Vater, ein Komponist und Pianist, bei "Bunten Abenden" auf. Eine erste Zeitungskritik attestiert der "herzigen Senta akrobatische Begabung". Die Wiener Lainzerstraße - beschwört diese 60 Jahre später- "war mein Kinderparadies", obwohl die Eltern arm waren und die Wohnung so winzig, dass allabendlich die Stühle auf den Tisch mussten ,um das Klappbett der Eltern aufzustellen.
Schmucklos und rührend erzählt Senta von der für wenig Geld putzenden Mutter, der "weichen Lachtaube Resie", wie sie sie liebevoll nennt, die eine sozialistische Frauenzeitung las, gerne wanderte, doch ihre Lebenslust mit dem unglücklichen Mann nicht teilen konnte. Als die quirlige Senta mit Resie eines Frühlingstags auf die Straßenbahn wartet und wie ein Schmetterling tanzt, sagt eine Frau mit fremdem Akzent: "Kind muss lernen tanzen, ist begabt."
So beginnt Senta - Wink des Schicksals - mit sechs einen zehnjährigen Ballettunterricht. Dennoch will sie lieber Sophia Loren werden als Primaballerina, wird jedoch bei einem PR-Wettbewerb um die "Loren Wiens" derart ernüchtert, dass sie kühn beschließt: "Nicht Doppelgängerin, Schauspielerin werd ich!"
Mit 16 ist sie jüngste Schülerin im renommierten Max-Reinhardt-Seminar. Bis sie dort rausfliegt, weil sie heimlich in einem Film mit Yul Brunner und Deborah Kerr mitspielt. Ein Vertrag am Theater in der Josefstadt rettet sie aus der Klemme. In den Ferien dreht sie Filme. Als es Hans Moser nach der Schmonzettenpremiere der "Lindenwirtin vom Donaustrand" mit den Autogrammjägern zuviel wird, zeigt er auf die hübsche Teenagerin: "Holt’s Euch amol a Autogramm von der Kleinen, nämlich aus der wird was."
Recht hat der alte Komödiant behalten. Nach "Secret Ways" mit Richard Widmark - da ist Senta 19 - jubelt die Presse über die "Wiener Sexbombe". Bis heute bekommt sie die Fotos von damals zum Signieren, meist legt sie ein jüngeres Foto dazu. Anfangs dreht sie viel für den Berliner Produzenten Arthur Brauner. Aber die seichten Rex Gildo- oder Valentefilme nach immer gleichem Strickmuster genügen ihr nicht. Solche Rollen wie die große Jeannne Moreau möchte sie gerne spielen!
"Ich kann nur das gut machen, was ich glaube, also was ich für mich glaube, was ich spielen kann."
Dieses Credo beherzigt sie auch in Hollywood. Dort hat sie die Stirn, dem berühmten "Director Minelli" - Vater von Liza - die Mata Hari für ein Broadway-Musical abzuschlagen, zu kitschig las sich das Drehbuch. Auch der Typ verwehte Frau mit Geheimnis oder Biest von Denver passe nicht in ihr Mimenregister, sie sei mit ihren Gefühlen eher ein offenes Buch.
"Viel eher könnte ich eine Mutter spielen, die ihren Sohn wie eine Krake umkrallt."
Sagt die Mutter zweier erwachsener Söhne, die beruflich in die Fußstapfen der Eltern treten. Wie sie über prominente Kollegen schreibt, ist alles andere als eitles Name-dropping. Selbst die von der Boulevardpresse herausgepickten Storys, wie O.W.Fischer - Partner im Erfolgsfilm "Es muss nicht immer Kaviar sein" - im Hotel über sie herfällt und sich dann mit 65 Rosen entschuldigt oder Starregisseur Previn sie wie ein Stalker verfolgt und um ihre Hand anhält, was sie jedoch konsequent ablehnt, entbehren jeglicher Schlüssellochperspektive.
Man glaubt ihr, weil sie genauso geradlinig und geradezu wie Mama Resie ist. In Mini-Episoden gelingen ihr dichte Mini-Porträts. Zum Beispiel wenn sie die junge Sabine Sinjen trifft: "sanft und spitzbübisch, zwischen verzauberter Undine und Kobold" Oder sich an Sinatras zum Drehen in Tel Aviv mitgebrachte "Entourage" erinnert: "Diener wie für ihren Boss trainierte Hunde". Gleichzeitig aber Respekt zollt, dass er sein Mammuthonorar einem israelisch-palästinensischem Jugendklub schenkt. Senta Berger beweist auch als Schreiberin Gespür für Charaktere, Geschichten und Atmosphärisches.
"Wenn sie wittert, da ist was, da wird gelogen, da liegt was drunter, dann, dann macht sie sich auf Spurensuche."
Doch so butterweich ihre Stimme und ihr Wiener Charme daherkommen, sie kann frechen Reportern auch entschieden Abfuhr erteilen. Dass Schönheit ihr wesentlich zum Erfolg verhalf, disqualifiziert sie in einer Talkshow als gemeines Klischee: "Mein Gott, was wär’ ich ohne Talent und Fleiß!"
Entschiedenheit ist auch ihrem politischen Engagement zueigen - ob im Protest gegen den Vietnam- und Golfkrieg der USA, für Brandts Wahlkampf 72 oder für die aktuelle Ärztekampagne "Stark gegen den Schmerz". Vielleicht ist es gerade das, das Unverstellte, Nichtdivenhafte, was Senta Bergers Charisma ausmacht. Da spielt dann keine Rolle, ob sie für Calciumpillen gegen alternde Knochen wirbt, beim Moderieren des Dresdner Opernballs durch uneitle Fröhlichkeit dem Entertainer Emmerlich den Rang abläuft oder ob sie - menschenfreundlich und kess - als schnelle Gerdi oder Kriminalrätin Prohacek agiert.
"Es geht mir um Glaubwürdigkeit. Ich weiß nicht, ob mich die Leute sympathisch finden oder mich einfach schon so lange kennen; das ist sozusagen das Beruhigende, dass es die Senta immer noch gibt, die hat’s schon gegeben, als ich zwölf war oder so."
Senta Berger: Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, 333 Seiten