Gerald Knaus zur Verteilung von Flüchtlingen

"Es ist unrealistisch, dass ein wahnsinniger Sog entsteht"

07:06 Minuten
Flüchtlinge aus Afrika kommen an einem Hafen in Spanien an.
Wenn sich Staaten weigern, Häfen für Gerettete offenzuhalten, hebelt unsere Humanität aus, sagt Gerald Knaus. © picture alliance/Javier Fergo/dpa
Gerald Knaus im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
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14 EU-Staaten unterstützen die deutsch-französische Initiative zur Verteilung von Flüchtlingen. Für den Soziologen Gerald Knaus ist das ein erster Schritt. Doch man müsse den Herkunfts- und Transitländern etwas anbieten, um ungeregelte Zuwanderung zu verringern.
Im Streit um die Seenotrettung gibt es offenbar ein wenig Bewegung: Nach dem Treffen der EU-Außen- und Innenminister am Montag in Paris bekennt sich die Hälfte der 28 EU-Staaten zu einem neuen Verteilungsprinzip von Flüchtlingen. Acht Staaten wollen sich nach Angaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron aktiv beteiligen. Deutschland und Frankreich hatten dazu einen gemeinsamen Vorschlag unterbreitet.
Gerald Knaus, Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative, wertet die Initiative positiv: Es sei ein richtiger Schritt, um die "immer wiederkehrenden Dramen, wo einige Dutzend Leute auf Schiffen von Seenotrettern für Wochen warten", zu beenden, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Darüber hinaus müsse die Koalition der Hilfswilligen auch strategisch denken. Es gehe darum, Herkunfts- und Transitländern in Afrika etwas anzubieten, "damit auch die Zahl der irregulären Migration mit humanen Methoden reduziert werden" könne.

Schnelle Verfahren für die Geretteten

Einwände von Kritikern, eine geregelte Verteilung von Flüchtlingen ziehe eine Massenzuwanderung nach sich, weist der Soziologe zurück. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien in Italien weniger als 2.600 Menschen angekommen. Weniger als 4.000 Bootsflüchtlinge seien von der libyschen Küstenwache gestoppt und nach Libyen zurückgebracht worden:
"Die Idee, dass da jetzt ein wahnsinniger Sog entsteht, ein Pulleffekt, wo jetzt wieder Zehntausende kommen, ist unrealistisch. Aber man braucht eine Politik, die auch signalisiert an Menschen: Macht euch nicht auf den Weg nach Libyen. Denn dort wird gefoltert und dort wird vergewaltigt, dort werden Leute misshandelt. Der beste Weg, das zu signalisieren, wären schnelle Verfahren für die, die wir retten – und auch Abkommen mit Herkunftsländern, die Bürger, die keinen Schutz in der EU brauchen, schnell zurückzunehmen."
(bth)
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