Gerechtigkeit als Grundlage der Politik
Neue Perspektiven und Visionen zu entwickeln, das ist eines der Grundanliegen des Deutschen Evangelischen Kirchentages. In Bremen ging es um die Frage, wie weit Gerechtigkeit überhaupt eine Grundlage der Politik sein kann, eine Veranstaltung mit dem US-amerikanischen Pfarrer und Friedensaktivisten Jim Wallis aus Washington.
"Wenn man ein politischer Aktivist ist, für lange Zeit, dann man muss lernen, gleichzeitig ein kontemplativer Mensch zu sein."
So lautet eine der zentralen Lebenserfahrungen des prominenten amerikanischen Theologen Jim Wallis. Seit mehr als 40 Jahren nimmt der langjährige Friedensaktivist, Kämpfer für mehr soziale Gerechtigkeit und Bestsellerautor kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Armut, Klimasünden oder Kriege zu kritisieren. Während führende konservative Evangelikale vor allem Homosexualität und Abtreibung als schlimmste Vergehen ausgemacht haben. In den USA gilt der 60-Jährige deshalb seit langem als prophetische Stimme. Und ist heute einer der fünf sogenannten "geistlichen Berater" des US-Präsidenten Barack Obama. Mit dem neuen Präsidenten habe sich auch das politische Klima für soziale Bewegungen völlig verändert, berichtet Wallis bei einer Podiumsdiskussion während eines Deutschlandbesuches:
"Ich war 22 Mal in meinem Leben im Gefängnis und ich bereue es nicht, wenn nötig mache ich das auch wieder. Aber jetzt ist der Moment, wo wir die Chance haben, Dinge politisch zu verändern, für die wir früher auf die Straße gegangen sind. Das Weiße Haus wollte mich immer verhaften lassen. Heute laden sich mich zu endlosen Arbeitsgesprächen ein – das dauert länger als im Knast zu sein."
Aus dem ehemaligen Störenfried ist laut Washington Post heute "das Ohr des Präsidenten" geworden, ähnlich wie der CDU- Politiker Hermann Gröhe das Ohr der bundesdeutschen Kanzlerin hat, seit Oktober 2008 ist Gröhe Staatsminister im Kanzleramt und damit Angela Merkels persönlicher Vertrauter, zumindest in politischen Fragen.
Wallis ein progressiver evangelikaler Christ, Gröhe ein eher konservativer. Im öffentlichen Gespräch der beiden über "Gerechtigkeit als Grundlage der Politik. Die Zukunft der USA und die Zukunft der Welt" schafft der christliche Glaube trotz politischer Differenzen gewisse Gemeinsamkeiten, wie Hermann Gröhe erkennen lässt. Als Wallis über den Zusammenhang von Kontemplation und politischer Aktion spricht, nickt er zustimmend:
Hermann Gröhe: "Was mich fasziniert hat, und was ich selber in einer Reihe von Amerika-Besuchen erlebt habe, und wovon ich mir wünsche, dass wir als Christen in unserem Land sehr lernen, ist der Punkt, ganzheitlich als Christen für würdiges Leben aller einzutreten. Und aufzuhören, dass die einen für Lebensschutz sind und die andere für Klimaschutz, und die einen für die Hungernden und die anderen für die Ungeborenen, sondern dass man sieht, dass für würdiges Leben – egal wo auf der Welt – zusammen gehört."
Ein christlicher Realpolitiker und ein politischer Visionär und im Gespräch. Hermann Gröhe, seit langem CDU-Mitglied in seiner Heimatstadt Neuss und seit 1994 Bundestagsabgeordneter, ist ehrenamtlich Mitherausgeber der christlichen Zeitschrift Chrismon und Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch für ihn sind von seinem christlichen Verständnis her Menschenrechtsfragen ein Anliegen - im Rahmen des demokratischen Instrumentariums:
Gröhe: "Als Christ müssen wir uns immer wieder mit den Ärmsten solidarisieren! Fällt mir das leicht? Nein, natürlich nicht allein. Und deshalb freue ich mich immer, wenn Initiativen wie Micha und andere Druck auf so ein Thema machen. Ich war sieben Jahre lang Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Was meinen Sie, wie oft ich zu Hause in meinem Wahlkreis gehört habe: Warum machst du nichts Vernünftiges? Warum machst du nicht was für unsere Jobs? Und natürlich fühle ich mich auch in besonderer Weise den Menschen im meinem Wahlkreis verpflichtet. Und das zusammenzuhalten, zu wissen, dass es Probleme gibt, die die Kraft erfordern zu Hause – das ist ein Ringen, und auch die Notwendigkeit, immer wieder daran erinnert werden zu müssen."
Während in Deutschland jedoch die Politikverdrossenheit zunimmt und gerade unter jungen Leuten vielfach kein Interesse an Politik und weltweiten Themen besteht, sieht Jim Wallis, der auch Gastvorlesungen an der Universität von Harvard hält und ein gefragter Kommentator der angesehen Washington Post ist, seit der Wahl Obamas in den USA grundlegende Veränderungen in der gesamten politischen Kultur. Heute seien viele junge Leute engagiert, Afroamerikaner und auch sozial Benachteiligte. Mittlerweile gehe es nicht mehr darum zu protestieren, sondern Politik von innen her mitzugestalten. Und auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise sieht der Theologe, mit anderen Augen, als viele Konservative:
Wallis: "Die Krise schafft neue Möglichkeiten. Im Moment der Krise kann man größere Veränderungen bewirken als sonst jemals. Die gegenwärtigen großen Veränderungen in der Kirche, im Land und in der Krise selbst schaffen viele neue Möglichkeiten für engagierte Christen."
So lautet eine der zentralen Lebenserfahrungen des prominenten amerikanischen Theologen Jim Wallis. Seit mehr als 40 Jahren nimmt der langjährige Friedensaktivist, Kämpfer für mehr soziale Gerechtigkeit und Bestsellerautor kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Armut, Klimasünden oder Kriege zu kritisieren. Während führende konservative Evangelikale vor allem Homosexualität und Abtreibung als schlimmste Vergehen ausgemacht haben. In den USA gilt der 60-Jährige deshalb seit langem als prophetische Stimme. Und ist heute einer der fünf sogenannten "geistlichen Berater" des US-Präsidenten Barack Obama. Mit dem neuen Präsidenten habe sich auch das politische Klima für soziale Bewegungen völlig verändert, berichtet Wallis bei einer Podiumsdiskussion während eines Deutschlandbesuches:
"Ich war 22 Mal in meinem Leben im Gefängnis und ich bereue es nicht, wenn nötig mache ich das auch wieder. Aber jetzt ist der Moment, wo wir die Chance haben, Dinge politisch zu verändern, für die wir früher auf die Straße gegangen sind. Das Weiße Haus wollte mich immer verhaften lassen. Heute laden sich mich zu endlosen Arbeitsgesprächen ein – das dauert länger als im Knast zu sein."
Aus dem ehemaligen Störenfried ist laut Washington Post heute "das Ohr des Präsidenten" geworden, ähnlich wie der CDU- Politiker Hermann Gröhe das Ohr der bundesdeutschen Kanzlerin hat, seit Oktober 2008 ist Gröhe Staatsminister im Kanzleramt und damit Angela Merkels persönlicher Vertrauter, zumindest in politischen Fragen.
Wallis ein progressiver evangelikaler Christ, Gröhe ein eher konservativer. Im öffentlichen Gespräch der beiden über "Gerechtigkeit als Grundlage der Politik. Die Zukunft der USA und die Zukunft der Welt" schafft der christliche Glaube trotz politischer Differenzen gewisse Gemeinsamkeiten, wie Hermann Gröhe erkennen lässt. Als Wallis über den Zusammenhang von Kontemplation und politischer Aktion spricht, nickt er zustimmend:
Hermann Gröhe: "Was mich fasziniert hat, und was ich selber in einer Reihe von Amerika-Besuchen erlebt habe, und wovon ich mir wünsche, dass wir als Christen in unserem Land sehr lernen, ist der Punkt, ganzheitlich als Christen für würdiges Leben aller einzutreten. Und aufzuhören, dass die einen für Lebensschutz sind und die andere für Klimaschutz, und die einen für die Hungernden und die anderen für die Ungeborenen, sondern dass man sieht, dass für würdiges Leben – egal wo auf der Welt – zusammen gehört."
Ein christlicher Realpolitiker und ein politischer Visionär und im Gespräch. Hermann Gröhe, seit langem CDU-Mitglied in seiner Heimatstadt Neuss und seit 1994 Bundestagsabgeordneter, ist ehrenamtlich Mitherausgeber der christlichen Zeitschrift Chrismon und Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch für ihn sind von seinem christlichen Verständnis her Menschenrechtsfragen ein Anliegen - im Rahmen des demokratischen Instrumentariums:
Gröhe: "Als Christ müssen wir uns immer wieder mit den Ärmsten solidarisieren! Fällt mir das leicht? Nein, natürlich nicht allein. Und deshalb freue ich mich immer, wenn Initiativen wie Micha und andere Druck auf so ein Thema machen. Ich war sieben Jahre lang Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Was meinen Sie, wie oft ich zu Hause in meinem Wahlkreis gehört habe: Warum machst du nichts Vernünftiges? Warum machst du nicht was für unsere Jobs? Und natürlich fühle ich mich auch in besonderer Weise den Menschen im meinem Wahlkreis verpflichtet. Und das zusammenzuhalten, zu wissen, dass es Probleme gibt, die die Kraft erfordern zu Hause – das ist ein Ringen, und auch die Notwendigkeit, immer wieder daran erinnert werden zu müssen."
Während in Deutschland jedoch die Politikverdrossenheit zunimmt und gerade unter jungen Leuten vielfach kein Interesse an Politik und weltweiten Themen besteht, sieht Jim Wallis, der auch Gastvorlesungen an der Universität von Harvard hält und ein gefragter Kommentator der angesehen Washington Post ist, seit der Wahl Obamas in den USA grundlegende Veränderungen in der gesamten politischen Kultur. Heute seien viele junge Leute engagiert, Afroamerikaner und auch sozial Benachteiligte. Mittlerweile gehe es nicht mehr darum zu protestieren, sondern Politik von innen her mitzugestalten. Und auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise sieht der Theologe, mit anderen Augen, als viele Konservative:
Wallis: "Die Krise schafft neue Möglichkeiten. Im Moment der Krise kann man größere Veränderungen bewirken als sonst jemals. Die gegenwärtigen großen Veränderungen in der Kirche, im Land und in der Krise selbst schaffen viele neue Möglichkeiten für engagierte Christen."