Mehr Fakten, weniger Meinung
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Im letzten Jahr wird in Chemnitz ein Mann erstochen. Die Tatverdächtigen sind Geflüchtete. Es kommt zu Ausschreitungen. Der Prozess nun gegen einen der Tatverdächtigen findet in viel zu emotionaler Atmosphäre statt, beklagt der Gerechtigkeitsforscher Markus Schollmeyer.
Im August des vergangenen Jahres wird Daniel H. in Chemnitz auf offener Straße mit Messerstichen getötet. Die Tatverdächtigen sind Geflüchtete. Das Ereignis treibt Rechte und Sympathisanten in Chemnitz auf die Straße, es kommt zu Ausschreitungen und Übergriffen. Nun beginnt der Prozess gegen einen der Tatverdächtigen.
Wahrheit und Gerechtigkeit sind eng verknüpft
Die Atmosphäre rund um den Prozess ist emotional aufgeladen, Chemnitz' Bürgermeisterin wünschte sich in einem Interview in den vergangenen Tagen eine Verurteilung. Kann unter diesen Umständen eine gerechte Verhandlung stattfinden? - "Grundsätzlich ist das Gerechtigkeitsempfinden nicht ganz so einfach gestrickt", sagt der Gerechtigkeitsforscher Markus Schollmeyer. "Egal, wie der Prozess ausgeht, wird es keine Ruhe geben."
Wahrheit und Gerechtigkeit seien wie siamesische Zwillinge, meint Schollmeyer: "Die kann man nicht trennen." Wenn man in einem Prozess keine Wahrheit ermitteln könne, könne man auch nicht gerecht sein, sagt er. Der erste Schritt sei deshalb immer: Was ist denn eigentlich passiert? Und da hätte er sich rund um den Prozess in Chemnitz mehr Sachlichkeit gewünscht.
Problematische Einmischung der Politik
Die Einmischung der Politik empfindet er als sehr problematisch: Die Äußerung der Bürgermeisterin sei ein "massiver Eingriff in den Rechtsstaat", sagt Schollmeyer. Solche prominenten Verhandlungen sollten im Internet gestreamt werden, fordert Schollmeyer, damit "die Menschen sich ein eigenes Bild machen können und sich nicht nur auf Aussagen Dritter" verlassen müssten. Die Menschen sollten wieder an das Thema Justiz herangeführt werden, damit sie verstehen, was da passiert. Nur dann könne das Gerechtigkeitsempfinden befriedigt werden. Heute würde ein Urteil gesprochen und man habe es hinterher mit Meinungen zu tun, weil nicht transparent sei, was im Gerichtssaal gesprochen würde. Gäbe es Übertragungen, hätte man hingegen die Chance, sich mit Fakten auseinander zu setzen, meint er.