Gerhard Fritsch: "Man darf nicht leben, wie man will"

Aufzeichnungen eines heimlichen Transvestiten

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Der österreichische Schriftsteller Gerhard Fritsch, aufgenommen 1967 in einem Wiener Kaffeehaus
Der österreichische Schriftsteller Gerhard Fritsch, aufgenommen 1967 in einem Wiener Kaffeehaus © picture-alliance / IMAGNO/Otto Breicha
Sieglinde Geisel im Gespräch mit Florian Felix Weyh |
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Der österreichische Romancier Gerhard Fritsch starb 1969 mit knapp 45 Jahren. Dass er gern Frauenkleider trug, vertraute er allein einem Tagebuch an. Darin reflektiert er sein Leben auf sprachlich höchstem Niveau.
Was für eine Überraschung - die Tagebücher des österreichischen Romanciers Gerhard Fritsch! Er lebte von 1924 bis 1969 in Wien, schrieb seine Gedanken in vier Schulheften auf und dachte nie daran, sie zu veröffentlichen. Denn sie bargen ein Geheimnis: Fritsch trug gerne Frauenkleider.
Ein Transvestit im Österreich der 1950er-Jahre – undenkbar, dass er damit, wäre dies bekannt geworden, die wichtige Funktion im Literaturbetrieb der Stadt hätte behalten können. Der junge Schriftsteller Thomas Bernhard etwa suchte über Fritsch nach Publikationsmöglichkeiten, schmähte ihn aber nach seinem Tode öffentlich.

Zufällig mit Hoden geboren

"Man darf nicht leben, wie man will", heißt ein titelgebender Satz aus den Aufzeichnungen. "Ich glaube, jeder von uns könnte sein Tagebuch so betiteln", findet Literaturkritikerin Sieglinde Geisel, die vom Text nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich begeistert ist: "Der macht mit der Sprache, was außer ihm keiner tut."
In einer Selbstbeschreibung bezeichnet sich Fritsch etwa als "eine sentimentale Lehrerin, die zufällig mit Hoden auf die Welt gekommen ist und deshalb keine schöngeistige Frauenrechtlerin sein kann." – "Ungeheuer, wie er das formuliert", urteilt die Kritikerin.

"Dieses Tagebuch kann man jedem empfehlen"

Neben beeindruckenden Beobachtungen und Schilderungen haben einzelne Einträge aphoristische Qualitäten, zum Beispiel: "Überarbeitet sein von dem, was man nicht getan hat."
Für Geisel eine literarische Entdeckung, die unseren Blick auch auf seine Romane lenken sollte, die heute längst vergessen sind. Fazit: "Dieses Tagebuch kann man jedem empfehlen, allein schon wegen der tollen Sätze, die darin stehen."

Gerhard Fritsch: Man darf nicht leben, wie man will
Tagebücher, herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Klaus Kastberger
Residenz Verlag 2019, 264 Seiten, 24 Euro

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