Gerhart Baum und Burkhard Hirsch

Die liberalen Zwillinge

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Gerhart Baum (links) und Burkhard Hirsch zu Gast bei Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse © Deutschlandradio Kultur / Sven Crefeld
Moderation: Susanne Führer |
Gerhart Baum und Burkhard Hirsch: Zwei Bannerträger des Linksliberalismus, seit 60 Jahren kämpfen sie Seite an Seite. Auf der Leipziger Buchmesse stellten sie nun ihre liberale Doppelbiografie vor. Susanne Führer hat sie eine Stunde lang befragt.
Sie sind Parteifreunde und Freunde. Sie siezen einander immer noch, weil sie finden, es werde zu viel geduzt. Und sie werden oft verwechselt, die beiden FDP-Matadore Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. Irgendwie sind sie politische Zwillinge – als linksliberale Kämpfer für Freiheit und Bürgerrechte waren sie meistens auf einer Linie. Da lag es nahe, den Baum und den Hirsch gemeinsam in ein Buch zu packen. Der Propyläen Verlag hat das getan und betrachtet "Deutschland von seiner liberalen Seite" in einem Interview-Band.

Hemd und Krawatte vs. Turnschuhe und Rollkragen

Die Frage "Wer ist wer?" ist übrigens bei der Buchmesse leicht zu beantworten. Auf dem Podium von Deutschlandradio Kultur reden Baum & Hirsch mit Moderatorin Susanne Führer über die FDP, die NSA und andere umstrittene Organisationen, als uns die rettende Eselsbrücke einfällt: Baum mit B wie Brille, Hirsch mit H wie Hemd. Denn so ähnlich die liberalen Charakterköpfe auch aussehen, modisch traut sich Baum mit Turnschuhen und Rollkragenpullover mehr. Hirsch setzt dagegen klassisch-elegant auf Hemd und Krawatte.
Eigentlich ein Wunder, dass sie all die Jahre in der FDP waren. Sie wurden von dieser Partei mehr als einmal ausgegrenzt, erzählt Baum. Das war in der 60ern, als die linken Jungdemokraten versuchten, den nationalkonservativen Mende-Flügel loszuwerden – und es geschah wieder in den Jahren der Westerwelle-FDP.

Die "Partei der Besserverdienenden": eine "Perversion"

Dafür findet Baum die schärfsten Worte: das Wort von der Partei der Besserverdienenden sei "eine Perversion" gewesen. Ihre Themen seien nicht mehr gefragt gewesen: "Wir haben gestört." Am Ende dieser Epoche habe er seine eigene Partei nicht mehr gewählt: "Ich wurde zum Wechselwähler." Austreten wollten er und Hirsch aber nie.
Beide kommen der Herkunft nach aus dem Osten Deutschlands und haben also fast ein Heimspiel in Leipzig. Der gebürtige Magdeburger Hirsch spricht noch von "Mitteldeutschland". Wie der Dresdner Baum hat er aber in Nordrhein-Westfalen seine politische Arbeit begonnen. Sie fanden: "Politik ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie fremden Leuten überlassen sollten", sagte Hirsch.
Dabei dürfe man nicht zimperlich sein: "Es gibt in jeder Partei Leute, die man nicht ausstehen kann", so Baum. Und man vergeude viel Zeit in sinnlosen Sitzungen. Aber gerade jüngere Leute sollten verstehen, dass sie etwas verändern könnten in der Politik und in den Parteien.

Was die CDU mit Albaniens Kommunisten gemeinsam hat

Vor allem der Rechtsanwalt Baum ist ein begnadeter Redner und Aufwiegler für klassisch liberale Themen, der immer wieder Szenenapplaus vom vollen Haus bekommt. "Wo bleibt unsere Regierung?" ruft er, als er über den gläsernen Menschen, Google und Totalüberwachung spricht.
Hirsch, etwas bedächtiger als sein Zwillingsbruder, verlangt eine "Freiheitsarchitektur" statt einer Sicherheitsarchitektur. Und soziale Verantwortung fordern sie auch. Baum sagt: "Der Markt allein schafft keine Werte, die die Gesellschaft braucht." Baum ist es auch, der das beste Bonmot dieser erfrischenden Radio-Stunde liefert: "Die Ostpolitik wurde von zwei Parteien in Europa abgelehnt – von der CDU und der Kommunistischen Partei Albaniens."
Wer den Baum und den Hirsch so hört, könnte die FDP fast wieder für die wackere liberale Reformpartei halten, die sie in den 70ern einmal war.
Baum setzt dabei übrigens große Hoffnungen auf den neuen Parteichef Christian Lindner – es klang so, als ob er beim nächsten Mal wieder FDP wählen will.
Sven Crefeld

Gerhart Baum und Burkhard Hirsch: "Der Baum und der Hirsch. Deutschland von seiner liberalen Seite"
Propyläen Verlag, Berlin 2016
270 Seiten, 22 Euro

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