Gerhild Steinbuch über die "Erklärung der Vielen"

"Angriff auf die Zivilgesellschaft"

08:11 Minuten
Proteste zum 1. Jahrestag der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ in Wien. Eine Menschenmenge in einem verschneiten Straßenzug, ein Mann hält ein rotes Transparent mit der Aufschrift: "Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker" hoch.
Weil die Regierung in Wien die Meinungsfreiheit einschränkt, müsse man auf die Straße gehen, sagt Gerhild Steinbuch vom Netzwerk "Die Vielen". © AFP / Alex Halada
Moderation: Andrea Gerk |
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Österreichs Künstler treten im Netzwerk "Die Vielen" für die Kunst- und Pressefreiheit ein – auch weil sie ein Abgleiten in politische Zustände wie in Ungarn fürchten. Jetzt haben 270 Institutionen und Personen zu einer Protestaktion aufgerufen.
Zum Netzwerk "Die Vielen" gehörten zahlreichen Personen und Institutionen quer durch das künstlerische Spektrum, sagt die österreichische Dramaturgin und Autorin Gerhild Steinbuch im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. So etwa das Burgtheater mit Direktorin Karin Bergmann, das Neue Burgtheater und die Wiener Festwochen.
"Eigentlich alle Interessensvertretungen von 'IG Autorinnen und Autoren' über Architektur und bildende Kunst, die Kunsthalle Wien, das Kunsthaus Graz sind dabei. Es haben uns wirklich sehr viel Leute unterstützt. Das sind sehr unterschiedliche Personen, was uns auch sehr freut und heute jetzt hier ein sehr wichtiges Zeichen ist."

Rechte Äußerungen werden zur Normalität

Denn in der Regierungspartei FPÖ gebe es immer wieder Mitglieder, die menschenfeindliche oder rechtsextreme Äußerungen tätigten. Davon distanziere sich dann die FPÖ und tituliere dies dann als Einzelfälle, so Steinbuch.
"Die Liste dieser Einzelfälle ist mittlerweile sehr, sehr lang. Die Tageszeitung 'Der Standard' führt auch Buch darüber. Das ist sehr aufschlussreich."
Diese Äußerungen führten dazu, dass sie als Normalisierung wahrgenommen würden, auch weil die andere Koalitionspartei, die ÖVP, sich klar dagegen positioniere.

Weniger Geld für Künstler

Zudem finde gerade ein Um- und Abbau des Sozialstaats in Österreich statt. Dies betreffe beispielsweise eine Veränderung der Familienbeihilfe – auch die finanzielle Mindestsicherung sei gestrichen worden.
Darüberhinaus komme es zu einer Verrohung der Sprache:
"Eine Sprache von oben nach unten, die Einzug hält, die mittlerweile sehr massiv ist. Gerade aus dem heraus ist es natürlich für Künstler*innen – die ja immer an Strukturen ansetzen und auch andere Möglichkeitsräume denken müssen – jetzt gerade umso wichtiger, sich in Österreich zu positionieren."

Große Umbesetzung von Gremien durch die Politik

Ursprünglich ist das Netzwerk "Die Vielen" vor rund zwei Jahren in Deutschland gegründet worden. Entscheidender Unterschied der Politik sei, dass in Österreich nicht die Opposition die Regierung angreife sondern umgekehrt, erklärt Steinbuch.
"Und nicht nur die parlamentarische, sondern auch die mediale, die künstlerische, die kritischen Stimmen und letzten Endes auch die Zivilgesellschaft. Das ist natürlich auch eine andere Situation für uns Künster*innen, weil die FPÖ Gremien umbesetzt, weil Mittel gestrichen werden."
Dass die Meinungsfreiheit bedroht sei, sehe man zum Beispiel in Graz, wo die FPÖ einen Antrag gestellt hat, dem "Forum Stadtpark" – das traditionell für politische Kunst steht – die Förderung zu streichen.
"Weil die vom 'Forum Stadtpark' auf ihrer Facebook Seite einen Aufruf zur Donnerstagsdemo gepostet haben. Und die es jetzt wieder gibt und eigentlich ein friedlicher Protest sind."
Ein beunruhigendes Zeichen sie auch, dass der am rechtesextremen nationalistischen Rand stehende Maler Odin Wiesinger in den Landeskulturrat berufen werden soll.

Für ein "Europa für alle"

Hinsichtlich der anstehenden Europawahl sei Österreich das Land mit der dritthöchsten Zustimmung zu einem Austritt aus der EU, sagt Steinbuch. Gegen die einschüchternde österreiche Regierung gebe es aber auch einen Lichtblick mit einer großen Demonstration Pro Europa am 19. Mai in Wien: "An der werden sich auch 'Die Vielen' mit einem glänzenden Block beteiligen."
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