Gerufen zur Keuschheit?
Viel Bewegung ist beim Thema Homosexualität in der katholischen Kirche in nächster Zeit nicht zu erwarten. Dass sich mit David Berger 2010 ein anerkannter konservativer katholischer Theologe geoutet hat, änderte nichts: Die Bischöfe sehen keinen Diskussionsbedarf.
"In der katholischen Kirche darf man homosexuell sein, darf das auch ruhig ausleben, man darf es nur nicht öffentlich sagen. Das heißt: Sobald der heilige Schein, die fromme Kulisse zerstört wird durch ein solches Outing, reagiert die Kirche geradezu hysterisch und mit strengsten Strafen."
David Berger, Theologe und bekennender Homosexueller. Anfang Mai entzieht ihm Kardinal Meisner die kirchliche Lehrerlaubnis für das Fach Katholische Religionslehre an Schulen. Berger habe – Zitat – "in den Medien selbst den unwidersprochenen Anschein gesetzt ..., in Lehre und Lebensführung mit den moralischen und gesetzlichen Normen der Kirche nicht übereinzustimmen."
David Berger: "Der kennt mich ja nicht erst, seitdem ich mich geoutet habe, sondern ich war vorher schon jemand, den er gerne belobigt hat aufgrund seiner konservativen Arbeit. Aber da war ich auch schon schwul gewesen, ich habe es halt nur nicht nach außen hin gesagt."
Rückblende. Im April des vergangenen Jahres behauptet der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in einer Fernsehtalkshow vor Millionenpublikum, Homosexualität sei Sünde. Kurz darauf stellt Kardinalstaatssekretär Bertone, der zweite Mann im Vatikan, eine wissenschaftlich unhaltbare Verbindung her zwischen Pädophilie und Homosexualität.
"Sein Kollege, Kardinal Krings aus Brasilien, hat ihm sekundiert, indem er das noch deutlicher gesagt hat. Er hat gesagt, an den Missbrauchsfällen sind nicht unsere Priester schuld, sondern das sind junge homosexuelle Männer, die unsere Priester verführt haben. Da sieht man, wie sozusagen die Opfer-Täter-Relation umgekehrt wird und eine ganz dumpfe Homophobie sich durchsetzt."
All das ist Anlass für David Berger, sich als Homosexueller zu outen – zunächst mit einem Artikel in der Frankfurter Rundschau, dann in seinem Buch "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche".
Zu lesen ist: Homosexuelle findet man nicht nur am liberalen Rand, sondern ebenso unter Laien und Klerikern in der konservativen Mitte der katholischen Kirche. Deren Doppelmoral belegt Berger mit zahlreichen, meist persönlichen Beispielen. Er verdeutlicht auch, warum sich viele Schwule angezogen fühlen von der katholischen Messfeier im alten Ritus.
"So begegnen uns in der tridentinischen Messe Zeichen und Rituale, die den Menschen heute als Elemente einer religiösen Ästhetik kaum mehr präsent sind, zum Beispiel das Küssen von Wäsche- oder Körperteilen eines Heiligen, dafür aber in der homosexuellen Erotik, besonders in der Fetischszene, nach wie vor eine große Rolle spielen."
Was aber liest man in offiziellen kirchlichen Verlautbarungen zum Stichwort Homosexualität? Eine Zusammenfassung der Leitlinien findet man im Katechismus der katholischen Kirche, dem Handbuch zu Grundfragen des römisch-katholischen Glaubens.
"Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt."
"Genauso wenig wie die Wissenschaft insgesamt weiß die katholische Kirche ganz genau, woher diese Veranlagung zur Homosexualität kommt. Das ist das Erste."
Christian Hennecke, Priester und Leiter des Bischöflichen Priesterseminars in Hildesheim.
"Das Zweite, dass einer, der eine homosexuelle Veranlagung hat, nicht genauso viel wert wäre wie jemand, der eine heterosexuelle Veranlagung hat, kann man nicht so sagen, sondern sie sind beide gleich vor Gott."
Daher formuliert der sogenannte Weltkatechismus:
"Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. ... Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen."
Christian Hennecke: "Und das Dritte ist: Theologisch gesprochen fühlen wir uns gebunden an die Schöpfungsaussagen in der Schrift und in der Theologie."
Die fasst der Katechismus wie folgt zusammen:
"Gestützt auf die Heilige Schrift, die ... [Homosexualität] als schlimme Abirrung bezeichnet ..., hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, "dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind' ... Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. ... Sie sind in keinem Fall zu billigen."
Kurz gefasst lautet die offizielle katholische Position: Lesben und Schwule sind Kinder Gottes und zu achten. Homosexuelle Praxis hingegen ist Sünde und in keinem Fall zu billigen.
Was aber bleibt Homosexuellen dann angesichts ihrer Sehnsucht nach Liebe, Partnerschaft und gutem Sex? Dazu nochmals der Katechismus:
"Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich – vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft – durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern."
Dem werden viele nicht folgen können – und wollen. Falls doch: Sind derart keusch lebende Schwule dann nicht bestens vorbereitet für ein Leben als Priester?
Dazu Papst Benedikt im Interview-Band "Licht der Welt":
"Homosexualität ist mit dem Priesterberuf nicht vereinbar. Denn dann hat ja auch der Zölibat als Verzicht keinen Sinn."
Beim Zölibat geht es um das Versprechen der Ehelosigkeit um des Reiches Gottes willen. Eine Ehe aber ist katholischem Verständnis nach nur als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau möglich. Daher können Homosexuelle nicht ehelos leben.
Nochmals Christian Hennecke:
"Für Menschen, die eine homosexuelle Veranlagung haben, denke ich, ist es kaum möglich, wenn sie das dann auch äußern, dass sie auf dem Weg des Priestertums gehen."
Fazit: Bei "aller Achtung der betroffenen Personen" spricht die katholische Kirche Schwulen und Lesben angesichts "tief sitzender homosexueller Tendenzen" die Fähigkeit ab, – Zitat – "korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen." Darin wird so mancher eine diskriminierende Äußerung sehen, wenn er die Prämissen der katholischen Kirche nicht teilt.
Anders gewendet: Solange die katholische Kirche Reproduktion als den "inneren Sinn von Sexualität" versteht, solange sie biblische Textstellen zur Homosexualität eher fundamentalistisch auslegt und ihrer bisherigen Tradition folgt, wird es aus Rom heißen: Nein zur erotischen Liebesbegabung von Homosexuellen. Nein zu homosexuellen Partnerschaften. Nein zu Priesteramtskandidaten, die sich zu ihrer homosexuellen Veranlagung bekennen.
David Berger, Theologe und bekennender Homosexueller. Anfang Mai entzieht ihm Kardinal Meisner die kirchliche Lehrerlaubnis für das Fach Katholische Religionslehre an Schulen. Berger habe – Zitat – "in den Medien selbst den unwidersprochenen Anschein gesetzt ..., in Lehre und Lebensführung mit den moralischen und gesetzlichen Normen der Kirche nicht übereinzustimmen."
David Berger: "Der kennt mich ja nicht erst, seitdem ich mich geoutet habe, sondern ich war vorher schon jemand, den er gerne belobigt hat aufgrund seiner konservativen Arbeit. Aber da war ich auch schon schwul gewesen, ich habe es halt nur nicht nach außen hin gesagt."
Rückblende. Im April des vergangenen Jahres behauptet der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in einer Fernsehtalkshow vor Millionenpublikum, Homosexualität sei Sünde. Kurz darauf stellt Kardinalstaatssekretär Bertone, der zweite Mann im Vatikan, eine wissenschaftlich unhaltbare Verbindung her zwischen Pädophilie und Homosexualität.
"Sein Kollege, Kardinal Krings aus Brasilien, hat ihm sekundiert, indem er das noch deutlicher gesagt hat. Er hat gesagt, an den Missbrauchsfällen sind nicht unsere Priester schuld, sondern das sind junge homosexuelle Männer, die unsere Priester verführt haben. Da sieht man, wie sozusagen die Opfer-Täter-Relation umgekehrt wird und eine ganz dumpfe Homophobie sich durchsetzt."
All das ist Anlass für David Berger, sich als Homosexueller zu outen – zunächst mit einem Artikel in der Frankfurter Rundschau, dann in seinem Buch "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche".
Zu lesen ist: Homosexuelle findet man nicht nur am liberalen Rand, sondern ebenso unter Laien und Klerikern in der konservativen Mitte der katholischen Kirche. Deren Doppelmoral belegt Berger mit zahlreichen, meist persönlichen Beispielen. Er verdeutlicht auch, warum sich viele Schwule angezogen fühlen von der katholischen Messfeier im alten Ritus.
"So begegnen uns in der tridentinischen Messe Zeichen und Rituale, die den Menschen heute als Elemente einer religiösen Ästhetik kaum mehr präsent sind, zum Beispiel das Küssen von Wäsche- oder Körperteilen eines Heiligen, dafür aber in der homosexuellen Erotik, besonders in der Fetischszene, nach wie vor eine große Rolle spielen."
Was aber liest man in offiziellen kirchlichen Verlautbarungen zum Stichwort Homosexualität? Eine Zusammenfassung der Leitlinien findet man im Katechismus der katholischen Kirche, dem Handbuch zu Grundfragen des römisch-katholischen Glaubens.
"Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt."
"Genauso wenig wie die Wissenschaft insgesamt weiß die katholische Kirche ganz genau, woher diese Veranlagung zur Homosexualität kommt. Das ist das Erste."
Christian Hennecke, Priester und Leiter des Bischöflichen Priesterseminars in Hildesheim.
"Das Zweite, dass einer, der eine homosexuelle Veranlagung hat, nicht genauso viel wert wäre wie jemand, der eine heterosexuelle Veranlagung hat, kann man nicht so sagen, sondern sie sind beide gleich vor Gott."
Daher formuliert der sogenannte Weltkatechismus:
"Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. ... Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen."
Christian Hennecke: "Und das Dritte ist: Theologisch gesprochen fühlen wir uns gebunden an die Schöpfungsaussagen in der Schrift und in der Theologie."
Die fasst der Katechismus wie folgt zusammen:
"Gestützt auf die Heilige Schrift, die ... [Homosexualität] als schlimme Abirrung bezeichnet ..., hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, "dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind' ... Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. ... Sie sind in keinem Fall zu billigen."
Kurz gefasst lautet die offizielle katholische Position: Lesben und Schwule sind Kinder Gottes und zu achten. Homosexuelle Praxis hingegen ist Sünde und in keinem Fall zu billigen.
Was aber bleibt Homosexuellen dann angesichts ihrer Sehnsucht nach Liebe, Partnerschaft und gutem Sex? Dazu nochmals der Katechismus:
"Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich – vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft – durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern."
Dem werden viele nicht folgen können – und wollen. Falls doch: Sind derart keusch lebende Schwule dann nicht bestens vorbereitet für ein Leben als Priester?
Dazu Papst Benedikt im Interview-Band "Licht der Welt":
"Homosexualität ist mit dem Priesterberuf nicht vereinbar. Denn dann hat ja auch der Zölibat als Verzicht keinen Sinn."
Beim Zölibat geht es um das Versprechen der Ehelosigkeit um des Reiches Gottes willen. Eine Ehe aber ist katholischem Verständnis nach nur als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau möglich. Daher können Homosexuelle nicht ehelos leben.
Nochmals Christian Hennecke:
"Für Menschen, die eine homosexuelle Veranlagung haben, denke ich, ist es kaum möglich, wenn sie das dann auch äußern, dass sie auf dem Weg des Priestertums gehen."
Fazit: Bei "aller Achtung der betroffenen Personen" spricht die katholische Kirche Schwulen und Lesben angesichts "tief sitzender homosexueller Tendenzen" die Fähigkeit ab, – Zitat – "korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen." Darin wird so mancher eine diskriminierende Äußerung sehen, wenn er die Prämissen der katholischen Kirche nicht teilt.
Anders gewendet: Solange die katholische Kirche Reproduktion als den "inneren Sinn von Sexualität" versteht, solange sie biblische Textstellen zur Homosexualität eher fundamentalistisch auslegt und ihrer bisherigen Tradition folgt, wird es aus Rom heißen: Nein zur erotischen Liebesbegabung von Homosexuellen. Nein zu homosexuellen Partnerschaften. Nein zu Priesteramtskandidaten, die sich zu ihrer homosexuellen Veranlagung bekennen.