Klar. Sebstreferentialiät gehört zum Hip-Hop-Geschäft dazu. Mit ihrem kryptischen Namen Zugezogen Maskulin geben Moritz Wilken aus Friesland und Hendrik Bolz aus Stralsund nicht nur zu, vergleichsweise neu in Berlin zu sein, ihr Name ist gleichzeitig ironische Replik auf die Rap-Formationen Westberlin Maskulin und Südberlin Maskulin, die sich in ihren Songs immer wieder mir ihren besonders authentischen Berliner Ghetto-Kid-Biografien brüsten.

Moritz Wilken und Hendrik Bolz - in der Szene besser bekannt als Grim104 und Testo – kommen zwar aus der Provinz. Dass eine Jugend im Stralsunder Neubau-Gebiet mitunter allerdings keinen Deut idyllischer abläuft als im Berliner Ghetto, davon erzählt ihr Stück Plattenbau O.S.T. sehr drastisch:

Ist bei dir zuhause alles scheiße?
Jeden Tag bis in die Nacht Fußballplatz alleine
Mach Dir nix drauß, uns geht's hier allen gleich
Wenn du ein Bier exen kannst, dann ham wir ein' Platz frei
Yüah - Grasflecken auf Turbohosen, Fischgräten auf Pullovern
Wir sind die coolen Jungs mit Gas in unser'n Kinderlungen
Bunte Plattenbauten, Himmel aschgrau
Jau, hier sind wir zuhaus!

"Zugezogen Maskulin" besingen die Tristesse und Ausweglosigkeit ostdeutscher Jugend, wie sie bereits Moritz von Uslar in "Deutschboden" oder Clemens Meyer in "Als wir träumten" beschrieben haben. Gewalt, Vandalismus, Alkohol und billige Drogen bestimmen diese Welt, wobei die Drogen nicht etwa als glamouröse Partyzutat dienen, sondern als Betäubungsmittel gegen die alles umfassende Perspektivlosigkeit.

Komm mit uns verschwende Deine Zeit
Spielplatz zwischen Riesenblocks, wir stell'n uns auf im Kreis
Saufen um die Wette und dann tanzen wir zu Aggro Ansagen
Im Blaulicht der Krankenwagen

Die beiden Rapper leugnen nicht, mit dem von ihnen so verhassten System fest verstrickt zu sein. Das tut der Wucht ihrer Songs keinen Abbruch, immerhin sind beide noch sehr jung - Jahrgang 88, und vor der Revolution steht ja bekanntlich auch erst einmal die genaue Analyse der Verhältnisse. Die liefern "Zugezogen Maskulin" zum Beispiel in "Oranienplatz", einem Song, der sich auf ein Flüchtlingscamp in Berlin-Kreuzberg bezieht, das Bevölkerung und Politik in zwei Lager spaltete.

Wo die Sambatruppe beim Kulturkarneval zwar klar geht
Doch sich Argwohn in den Blick legt
Wenn ein schwarzer Mann im Park steht
Wo sich an den Randbezirken zeigt, wie dünn das Funier ist
Das sich Zivilisation nennt, wenn du nicht gerade von hier bist
Wenn nicht gerade ein Tunier ist, bist du nicht zu Gast bei Freunden
Du hast viele Träume?
Wir haben viele Zäune!

Mit wütendem, sich überschlagendem Sprechgesang bringen "Zugezogen Maskulin" hier die Heuchelei im Umgang mit dem Fremden auf den Punkt: Wie die Folklore beim Multi-Kulti-Spektakel nur die Vorurteile übertüncht, denen Schwarze hierzulande sonst oft ausgesetzt sind, wie der völkerfreundschafliche Claim "Zu Gast bei Freunden“ nur zu Zeiten der Fußball-Weltmeisterschaft zu gelten scheint, wie sonst die Proteste gegen Flüchtlingsheime in Marzahn und Hellersdorf eine ganz andere Sprache sprechen. . Unter der Melodie der scheinbaren Willkommenskultur pumpt ein strammer Pegida-Beat.
Wir haben viel zu viel
Wir haben viel zu viel
Wir haben viel zu viel
Um euch was abzugeben

So politisch war deutscher Hip-Hop schon lange nicht mehr. Freunde der Rapper Testo und Grim104 sagen, eigentlich hätten die beiden auch eine Partei gründen können. Vielleicht machen sie das ja noch. Scheinheiligkeit, Fremdenhass und Selbstgefälligkeit sagen "Zugezogen Maskulin" mit diesem Album jedenfalls eindrucksvoll den Kampf an.