Gesa Ufer liest Musik – Underworld

"Bla, bla, bla"

Karl Hyde, Kopf und Sänger der britischen Band "Underworld" im Scheinwerferlicht am Mikro bei einem Konzert
Karl Hyde, Kopf und Sänger der britischen Band "Underworld" © picture alliance / dpa / Stefan Schaubitzer
Von Gesa Ufer |
Sechs Jahre sind seit dem letzten Album des britischen Elektroduos "Underworld" vergangen - für März ist ein neues angekündigt. In der Single "I Exhale" folgt Sänger Karl Hyde wie gewohnt dem Stream of Consciousness - und endet im lautmalerischen "Bla, bla, bla".
"Born Slippy" hieß die Single von Underworld, die vor 20 Jahren zum Club-Hit wurde und gleichzeitig viele Fragen offen ließ. Besonders als Sänger Karl Hyde immer wieder die Wörter "Lager" und "Mega, mega white Thing" beschwor: Der Höhepunkt dieses sich immer weiter ins Hysterische schraubende sieben Minuten Tracks:
I just come out of the ship
Talking to the most blonde I ever met
Shouting lager lager lager lager
Shouting lager lager lager lager
Shouting lager lager lager lager
Shouting lager lager lager
Singt da etwa ein Anhänger der neo-faschischen White-Power-Ideologie über die Schönheit der weißen Rasse? Und welches Lager überhaupt?
Weder das eine und schon gar nicht das andere. Karl Hyde arbeitet nur nach dem Prinzip, das schon Tolstoi oder James Joyce beim Schreiben für sich entdeckten: Dem Stream of Consciousness, der scheinbar ungeordnet wiedergibt, was das Bewusstsein gerade in diesem Augenblick vermeldet. Und hier war es eben ein gepflegtes, frisch gezapftes Erfrischungsgetränk mit adretter Schaumkrone in Weiß, ein britisches Lager-Bier, das mit diesen Dance-Track zu einer Art Erscheinung wird.
Shouting mega mega white thing
Mega mega white thing
Mega mega white thing
Mega mega
Shouting lager lager lager lager
Mega mega white thing
Mega mega white thing
"I Exhale" von Underworld: Stimmhaftes Ausatmen
Die Technik, Alltagsbeobachtungen, Reiseschnipsel, Gefühle und Erinnerungsfetzen in einen Text zu gießen findet sich auch hier, in der neuen Underworld-Single "I Exhale". Dabei beschreibt bereits der Titel das Verfahren. Hier atmet jemand aus – gleichsam stimmhaft: Hier kommen all die Wörter aus dem Kopf gepurzelt, die sich gerade darin versammelt hatten. Ein Stream of Consciousness, der vorbeifliegt wie die Landschaftsfetzen während einer Bahnfahrt. Aneinandergereihte Fragmente, die für Interpretationen in so ziemlich jede Richtung offen sind.
Life it's a touch,
Everything is golden
Open
Wider
Stumble
Patch
Yeah
Right now
Yeah
You talk too fast
"Das Leben ist ein Hauch", singt Hyde da zum Beispiel, "Alles ist golden, offen, weiter". Dann Cut. "Stolpern Fleck Ja Jetzt sofort Ja Sie sprechen zu schnell."
Karl Hyde spuckt aber nicht nur Wörter aus. Er spuckt auch allen, die in seinen Texten große philosophische Tiefe wittern in die Suppe, in dem er seinen Song auf die alles entscheidenden Hookline zufließen lässt:
Bla, bla, bla mit diesem herrlich lautmalenden Nachahmen nichtssagenden Geblubbers überlässt Hyde der Musik den Vortritt vor seinem inneren Monolog. Es übernehmen hypnotische Gitarrenfeedbacks, New-Wave-Beat und Breitwand-Synthesizerflächen. Auch ohne große Pose, oder ohne nach Bier zu schreien, wirkt dieser Song – vielleicht gerade deshalb – berauschend.
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