Gesangsverbot für iranische Frauen

Ein singender Aufschrei

Iranerinnen bei einer Islamischen Modemesse in Teheran 2013
Iranerinnen bei einer Islamischen Modemesse in Teheran 2013 © dpa / picture alliance / Abedin Taherkenareh
Von Bamdad Esmaili |
Seit der islamischen Revolution ist es iranischen Frauen verboten, in der Öffentlichkeit zu singen. Nun kommt der Film "No Land's Song" in die deutschen Kinos. Er zeigt, was das Verbot bedeutet und wie Sängerinnen für ein Ziel kämpfen: Endlich auftreten!
Eine Gruppe von jungen Musikerinnen und Musikern sitzt im Kreis und probt. Die junge Komponistin Sara Najafi hat in ihrer Heimatstadt Teheran ein offizielles Konzert für weibliche Solosängerinnen organisiert. Dazu hat die 35-Jährige Gastmusikerinnen- und musiker aus Frankreich eingeladen. Trotz des Gesangsverbotes im Iran, zeigt sich die Komponistin fest entschlossen sich der Zensur zu widersetzen und Tabus zu brechen.
"Ich wusste von vorneherein, dass Frauen nicht singen dürfen. Aber ich wollte wissen wie ich dagegen ankämpfen kann. Von Anfang an wusste ich, dass sie NEIN sagen würden. Ich wollte aber gegen dieses NEIN kämpfen. Ich habe angefangen zu recherchieren, hab mit verschiedenen Sängerinnen gesprochen. Sie sagten alle, ja, das wäre toll wenn es klappen würde. Wir hatten das alle im Hinterkopf gehabt, dass es nicht geht aber wir wollten versuchen, dass es doch geht."
Die Probe ist in dem Dokumentarfilm "No Land´s Song" des Deutsch-Iranischen Regisseurs Ayat Najafi zu sehen. Das eigentliche Benefizkonzert der Frauen findet dort zu Ehren von der verstorbenen Nationalheldin Ghamar ol Moluk Vaziri statt.

Singende Frauen haben ein Problem. Wer sie filmt ebenso

"Ghamar", wie sie schlicht genannt wird, war die erste iranische Sängerin, die in den 20er Jahren das Tabu brach vor Männern und ohne Kopftuch zu singen. Mit ihrem ersten Konzert 1924 beendete Ghamar das damalige Gesangsverbot für Frauen im Iran, erzählt Sara Najafi.
"Ghamar hatte damals ein ähnliches Projekt wie wir. Damals durften Frauen nicht öffentlich singen. Sie wurde zu meinem Vorbild. Wenn sie das geschafft hat als Frau auf der Bühne zu singen, warum sollen wir das auch nicht schaffen dieses Tabu zu brechen?"
Der Film erzählt Schritt für Schritt den Entstehungsprozess des Konzerts in Teheran, indem er das Zensursystem Irans in Frage stellt. Dabei nutzt der in Berlin lebende Regisseur Ayat Najafi – Bruder der Hauptdarstellrein - eine besondere Strategie. Mit vorgetäuschter Naivität versucht er ohne Drehgenehmigung die im Iran geltenden Verbote zu umgehen.
"Ich habe es geschafft mich unsichtbar zu machen mit der Kamera und dem Filmteam. Also die Strategie war, dass wir gesagt haben, dass wir dieses Konzert als Erinnerung für uns aufnehmen wollen. Und ich war immer bei der Probe dabei mit meinem Filmteam. Und ich war als Sarahs Bruder da. Wir mussten uns vorbereiten für das Konzert. Wir mussten sehen welche Musiker bei welchem Lied spielt zum Beispiel. Und deswegen die haben uns nie gefragt was macht ihr da?"
Mit "DIE" meint der 39jährige, studierte Theaterregisseur die Revolutionswächter auf der Straße, die religiösen Autoritäten des iranischen Regimes oder die Mitarbeiter des Kulturministeriums "Erschad", die letztendlich die Konzertgenehmigung erteilen.

Zähe Verhandlungen über eine Konzertgenehmigung

Immer wieder verhandelt Sarah Najafi mit den Mitarbeitern der Behörde über eine Konzertgenehmigung – und scheitert. Dabei zeichnet sie die Gespräche heimlich auf – auch wenn sie das am Anfang nicht wollte.
"Nachdem ich paar Mal da war und diese Leute erlebt habe, dachte ich, es ist meine Pflicht ihre Stimmen aufzuzeichnen. Das muss verewigt werden für die nächste Generation. Damit sie weiß was im Iran passiert ist. Ich bekam so komische Antworten. Zum Beispiel hab ich einem erzählt, dass wir für Ghamar ein Benefizkonzert veranstalten wollen und er fragte wie alt ist denn diese Frau Ghamar! Der kannte sie überhaupt nicht. Und so einer sitzt in der Musikabteilung und vergibt die Konzertgenehmigungen."
Nach langem Hin und Her und nach diversen Absagen fand das Konzert letztendlich doch statt. Die Behörden wurden dabei schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Angekündigt war die Veranstaltung bei den Behörden als Chor-Konzert, das auch im Iran kein Problem darstellt.
Denn in der Gruppe wird der mehrstimmige Gesang der Frauen geduldet. Tatsächlich haben die Frauen auf der Bühne aber einzeln gesungen - vor einem gemischten Publikum. Sarah Najafi war sich sicher, dass die Beobachter des Kulturministeriums die ausländischen Gäste aus Höflichkeit nicht mehr mittendrin unterbrechen würden. Und sie hatte Recht.
"Ich war sehr froh aber meine Freude war eine tragische Freude. Weil ich in Gedanken schon wusste, das war das erste und letzte Mal, dass so etwas passiert ist. Je mehr wir zum Ende des Konzertes näher kamen, desto trauriger wurde ich, weil ich wusste, dann ist es vorbei."
Das Publikum ist von dem Konzert begeistert, eine Reaktion von der Regierung gab es laut Regisseur Najafi bislang nicht.
Der Film mit Saras Geschichte wird weltweit auf Festivals gezeigt und mit mehreren als einem Dutzend internationalen Festival- und Publikumspreisen ausgezeichnet.

Trotz Reformen - das Gesangsverbot für Frauen dürfte bleiben

Darunter der Preis für den besten Dokumentarfilm beim World Film Festival in Montreal und der Preis der jungen Jury in Leipzig. Ziel von Regisseur Ayat Najafi war es, mit dem Film auf die Diskriminierung von Sängerinnen im Iran aufmerksam zu machen.
"Ich hoffe, dass wir alle dieses Verständnis haben, dass in dieser Welt können wir heutzutage nichts alleine machen. Wenn wir gegen das Verbot der Frauenstimme in einem Land sind, dann müssen wir alle gemeinsam dagegen sein. Und eine Art diese Kampagne zu unterstützen ist ins Kino gehen und diesen Film anschauen."
Auch wenn die heimlichen Dreharbeiten für Ayat Najafi bislang keine Konsequenzen gehabt haben, ist es fraglich, er in Zukunft wieder in den Iran reisen kann. Fakt ist: Im Zuge der Reformen im Iran gibt es auch weiterhin keine Hoffnung auf die Aufhebung des Gesangsverbotes für Frauen.
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