Gescheiterte Publikumsbeteiligung

von Alexander Kohlmann |
Neue Wege wollte das Hamburger Thalia Theater gehen, als es im Internet über den Spielplan abstimmen ließ. Glücklich mit dem Ergebnis, bei dem sich ein Frühwerk Dürrenmatts durchsetzte, war das Haus nicht. Regisseurin und Ensemble ziehen sich aber unterhaltsam aus der Affäre.
An diesem Abend kann man viel über Theater lernen, wie es sonst funktioniert. Denn die Situation zur Premieren von Dürrenmatts "Die Ehe des Herrn Mississippi" am Hamburger Thalia Theater ist tatsächlich eine ziemlich einmalige: Inszeniert wird ein Text, hinter dem niemand steht und von dem sich die Regisseurin selber öffentlich distanziert.
Wie sehr dieser Kontext den Blick auf der Bühne verändert, bemerkt man erst, wenn man in der Aufführung sitzt: Theater ist eben immer ein Diskussionsangebot an das Publikum. Dramaturgen, Schauspieler und Regisseure arbeiten sich an Texten ab, in denen sie eine Relevanz erkennen. Gefällt dem Zuschauer das Ergebnis nicht, weiß er, an wen er seinen Unmut zu richten hat. Im Idealfall führt die gemeinsame Diskussion zu neuen Sichtweisen und Erkenntnissen. Fällt dieser Kontext weg, weil nicht Theatermenschen, sondern eine imaginäre Internetgemeinde abgestimmt hat, bleibt auch von der Idee des Theaters als Diskursraum wenig übrig, man reibt sich die Augen und wundert sich, warum bin ich in dieser Aufführung gelandet.

Ein Betriebsunfall
Dabei ziehen sich die junge Regisseurin Christine Eder und ihr Ensemble durchaus unterhaltsam aus der Affäre. Wie ein riesiges verstaubtes Buch liegt die Kulisse zu Beginn zusammengefaltet auf der ansonsten leeren Bühne (Bühne: Jakobus Durstewitz), um von den Schauspielern auseinandergeklappt zu werden. Ein dreidimensionales Papierbild eines bürgerlichen Salons entsteht so, in dessen beengten Raum ganz vorne an der Bühnenrampe die Schauspieler fortan mit allen komödiantischen Kniffen versuchen, Dürrenmatts tatsächlich recht angestaubten Text irgendwie zum Leben zu erwecken.

Und siehe da, hat man sich einmal damit abgefunden, dass diese Inszenierung in allererster Linie Betriebsunfall einer gescheiterten Publikumsbeteiligung ist, kann man durchaus kurzweilige Momente erleben. Die allerdings dürften so schnell vergessen sein, wie diese seltsame Spielplanwahl.
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