Über Lust und Frust beim Geben und Nehmen
Der Geschenkekauf gehört zu den größten Stressfaktoren in der Vorweihnachtszeit. Trotzdem setzen wir uns dem jedes Jahr aufs Neue aus. Warum schenken wir? Und was macht den Wert eines Geschenkes aus? Wir diskutieren mit dem Soziologen Holger Schwaiger und der Philosophin Alice Lagaay.
Kein Weihnachten, kein Geburtstag ohne Geschenke. Sie gehören dazu, als Liebesbeweis, als Aufmerksamkeit. Für manche sind sie aber auch eine lästige Pflicht - der Geschenkekauf gehört zu den größten Stressfaktoren in der Vorweihnachtszeit. Gleichzeitig heißt es im Volksmund: "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft".
Warum schenken wir anderen etwas?
Was gibt es jenen, die schenken und den Beschenkten?
Was macht den Wert eines Geschenkes aus?
Was gibt es jenen, die schenken und den Beschenkten?
Was macht den Wert eines Geschenkes aus?
"Ich betrachte Schenken als soziale Kommunikation. Es stützt Beziehungen, es strukturiert sie", sagt der Soziologe Holger Schwaiger. "Wenn ich sage: 'Ich hab' dich lieb' - das sagt sich so weg. Wenn ich aber ein Geschenk habe, was es repräsentiert, hält dieses Geschenk die Botschaft am Leben. Deshalb heißt es ja auch 'Präsent'. Und es sichert eine Anschlusskommunikation: Es erinnert mich daran, ich muss erwidern." Also dem anderen auch etwas schenken.
"Es muss nicht immer im gleichen Wert sein, im materiellen Wert. Gefühl, Emotion, Liebe lassen sich nicht in Euro und Dollar ausdrücken." Den Trend, aus dem Konsumrummel auszusteigen und sich nichts zu schenken, sieht der Wissenschaftler mit Zurückhaltung. "Man bringt sich um eine zusätzliche Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken."
Im Gegenteil: "Wir alle schenken zu wenig! Wenn Sie nur zu besonderen Anlässen etwas schenken, ist das jedes Mal ein großer Akt. Wenn Sie Ihren Nächsten immer wieder ein bisschen was schenken, bleibt die Kommunikation dauerhaft lebendig."
Schenken ist etwas Existenzielles
"Schenken ist etwas Natürliches", sagt die Philosophin Alice Lagaay von der Zeppelin Universität Friedrichshafen, "schon Kinder schenken gern". Es sei ein wichtiges Ritual, zu dem das Geheimnisvolle gehöre, auch das Auspacken. "Was soll die Verpackung? Es ist der Moment der Überraschung, der Wahrheit, wenn man das Geschenk entdeckt, bevor wieder die Maske des Sozialen aufgesetzt wird." Wie reagieren diejenigen, wenn sie das Geschenk auspacken? Was kann man aus der Reaktion ablesen? Wie reagieren wir, wenn ein Geschenk nicht gefällt?
Das Schenken habe eine existentielle Dimension: "Hier sind wir, und jetzt zeige ich, was du in diesem Jetzt für eine Bedeutung für mich hast, indem wir uns etwas schenken. Gleichzeitig ist es das Wiederkehrende, dass man ein Spiel spielt, das über einen hinausgeht."
Geschenke: Über Lust und Frust beim Geben und Nehmen
Darüber diskutiert Matthias Hanselmann heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Alice Lagaay und Holger Schwaiger. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de sowie auf Facebook und Twitter.