Geschichte als Gegenwart

Von Susanne Arlt |
Eigentlich wollte Moritz Götze etwas Ordentliches im Leben werden. Zum Beispiel Museumsdirektor. Tischlermeister oder Drucker. Aber ganz bestimmt nicht Kunstmaler.
Moritz Götze: "Pfff, kann ich nicht. Ich bin ja kein akademischer Maler, ich mal ja in meinem Stil und da stimmt ja eh nichts."

Schon im Kunstunterricht in der Schule habe er versagt, sagt er und lacht. Darum macht Moritz Götze nach der Schule erst einmal eine Tischlerlehre. Später arbeitet er als Drucker. Aber so ganz lässt ihn die Kunst trotzdem nie los. Schließlich kommt der 44-Jährige aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater Wasja Götze war in der DDR der einzige sogenannte Pop-Art-Künstler. Neben der Malerei schrieb er Gedichte, komponierte, musizierte - agierte gegen die staatlich verordnete Engstirnigkeit in der DDR. In den 70er-Jahren bestrafte ihn die SED dafür mit einem Ausstellungsverbot. Zeitweise durfte er nicht einmal mehr die Kunstakademie in Halle betreten – dort unterrichtet seine Ehefrau Elke als Dozentin.

Irgendwann will auch der Sohn das Anecken üben. In den 80er-Jahren gründet Moritz Götze eine Punkband. Größenwahn. Der Erfolg bleibt aus und die Freunde bleiben weg. Sie verlassen die DDR Richtung Westen. Auch Moritz Götze will weg. Er stellt einen Ausreisantrag, gefällt sich ein Jahr lang in der inneren Emigration – und fängt dann an, auf dem Dachboden der Eltern zu malen.

"Ich wundere mich schon seit 20 Jahren, dass ich brenne. Weil ich ja doch ein bisschen distanziertes Verhältnis zu meinem Beruf selber auch habe. Ich will da jetzt nicht mit kokettieren, aber ich finde es schon einen sehr merkwürdigen Beruf, der sehr viel Möglichkeiten hat, einem sehr viel bietet, sehr viel Spaß macht. Aber ist irgendwie auch komisch."

Nach dem Mauerfall hat Moritz Götze mit seinem merkwürdigen Beruf sehr viel Erfolg. Seine Bilder und Drucke wandern erst durch das wiedervereinigte Deutschland, später durch die ganze Welt. Ausstellungen in New York, Boston, Athen. Längst malt Moritz Götze in seinem eigenen Atelier. Wer ihn in Halle im Stadtviertel Giebichenstein besucht, den entzücken in dem hohen, hellen Räumen nicht nur die riesigen farbigen Ölgemälde an der Wand.

Die Plattensammlung hat es in sich. Die Holzregale mit den Vinylscheiben reichen bis unter die Decke. Eines steht fest: Ohne Musik macht Moritz Götze keinen Pinselstrich.

"Na ich bin ja den ganzen Tag alleine und manchmal ist man das Radio dann doch über. Und da hört man dann Platten. Beziehungsweise es kommen Sportsendungen, da hört man dann Platten, oder Gesundheitssendungen, da höre ich dann auch Platten." (lacht)

Jazz, Soul, Black Music – Moritz Götze ist ein musikalischer Allesfresser. Auch vor der angewandten Kunst hat er keine Scheu. Götze ist keiner, der nach Trends schielt. Stattdessen nimmt er sich immer mal wieder die deutsche Malereigeschichte vor. Auf seinen großflächigen Ölschinken pinselt er sich durch 200 Jahre deutsche Geschichte.

"Ich habe einfach eine Affinität für Geschichte, an sich war mein Berufswunsch nicht Maler zu werden, sondern ich wollte Museumsdirektor werden. Und jetzt verbinde ich das einfach beides, dass ich Bilder male zu historischen Themen, die mich eben interessieren und mir eben auch Ausstellungen einfallen lasse zu Thematiken, die mich interessieren."

Er paraphrasiert dabei immer wieder einstige Ikonen deutscher Bildkunst. Herhalten muss zum Beispiel ein Bild des wilhelminischen Staatskünstlers Anton von Werner. Es zeigt die Selbstkrönung Friedrich I. zum König von Preußen. Bei Götze hält Friedrich statt der Krone nur noch einen Schlauch in der Hand, aus dem Wasser pullert. Ein Fingerzeig auf die Selbstversenkung der Kaiserlichen Hochseeflotte 218 Jahre später nach dem verlorenen ersten Weltkrieg in Scapa Flow. Mein Gemälde, sagt Moritz Götze, zeigt die Verbindung zwischen Anfang und Ende Preußens.

"Sagen wir mal, ich habe damit keinerlei Probleme, Sachen zu zitieren und zu klauen, die populär sind. Und die ich aber in meine eigene Handschrift, in meine eigene Art der Bilderwelt uminterpretiere. Das ist schon durchaus ein Reiz."

Bei Moritz Götze wird schwergewichtige Historienkost zur possierlichen Plattitüde. Er macht natürlich auch vor dem sozialistischen Realismus nicht halt und interpretiert DDR-Glanzstücke neu. Wie die von Harald Hakenbeck oder Willi Sitte. Doch sein Chemiearbeiter am Schaltpult ist kein Held mehr. Götze persifliert, übertreibt, macht er sich gar lustig?

"Na lustig machen will ich mich eben nie. Da habe ich zu viel Achtung vor allen, aber ich versuche natürlich, damit schon zu arbeiten, aber ich versuche nicht, zu verletzen."

Er selbst bezeichnet seinen Stil als Symbiose aus amerikanischer Pop Art, mittelalterlicher Handschriftenmalerei und Comic. Seine Bilder sind darum schattenlos, zweidimensional. Sie sind bunt und freundlich, aber nicht fröhlich, oberflächlich oder gar naiv. Nein, vielleicht scheint Moritz Götze die Zeit archivieren zu wollen. Denn Geschichte ist für ihn noch immer Gegenwart.