Ist der Balkan die Wiege der Menschheit?
Neue Fossilfunde bringen alte Erkenntnisse ins Wanken. Die Tübinger Paläontologin Madelaine Böhme hat herausgefunden, dass die Entwicklung der ersten Frühmenschen sich in Europa und nicht etwa in Afrika vom Schimpansen getrennt haben soll.
Wann und wo sich die ersten Vormenschen entwickelten, ist bislang nicht abschließend geklärt. Der Schimpanse gilt als nächster Verwandte des Menschen. Viele Experten gehen davon aus, dass sich die Entwicklungslinien der Schimpansenvorfahren und der menschlichen Linie vor etwa fünf bis sieben Millionen Jahren in Afrika trennten. Doch Madelaine Böhme, Professorin für Paläontologie an Universität Tübingen und ihr Team glauben, dass die Geschichte der Evolution neu geschrieben werden muss und sich der erste Frühmenschen bereits früher in Europa, und zwar auf dem Balkan, entwickelte. Ihre These stellten sie im Fachmagazin PLOS One vor.
Sahara-Staub vertrieb Frühmenschen nach Norden
"Am Anfang stand die Untersuchung von zwei Fossilfunden, ein Unterkiefer aus Griechenland und ein Oberkieferzahn aus Bulgarien", sagte Böhme im Deutschlandfunk Kultur. "Zu unserer Verwunderung zeigten sie Merkmale, die wir sonst nur bei Urmenschen oder Frühmenschen kennen." Als die Forscher dann die Funde datierten, die 7,2 Millionen Jahre alt waren, sei klar gewesen, dass es sich um einen sehr modernen Menschenaffen gehandelt habe. Heraus kam auch, dass offenbar Sahara-Staub einen Wüstengürtel geschaffen hatte, der dazu geführt habe, dass diese Frühmenschen aus südlichen, mediteranen Gegenden vertrieben worden seien und sich im heutigen Südosteuropa ansiedelten.
Debatte erwünscht
Böhme sagte, sie rechne mit Widerspruch von Experten. "Ich sage immer so, die Wissenschaft muss skeptisch sein." Wenn provokante Gegenmeinungen auf Daten aufbauten und fundiert seien, sei sie gegenüber der Debatte sehr aufgeschlossen. "Ich freue mich eigentlich auf den wissenschaftlichen Dialog."