Eckehart Velten Schäfer: "Dogtown und X-Games – die wirkliche Geschichte des Skateboardfahrens. Körper, Räume und Zeichen einer Bewegungspraktik zwischen Pop- und Sportkultur"
Transcript Verlag, Bielefeld 2020
348 Seiten, 38 Euro
Als der Markenfetisch ins Rollen kam
08:12 Minuten
Skateboard fahren hat eine lange Tradition - und eine interessante Geschichte. In den 1970er Jahren galt der Sport noch als rebellisch. Doch schon bald waren Vorboten der heutigen Video-, Marken- und Influencerkultur zu bestaunen.
Im Skaten steckt viel mehr als nur profanes Rollen auf einem Brett! Das wurde dem Sportsoziologen Eckehart Velten Schäfer – in seiner Jugend selbst ein leidenschaftlicher und guter Skater – im Laufe der Jahre immer bewusster. Also promovierte er über das Skaten und hat nun das Buch "Dogtown und X-Games – die wirkliche Geschichte des Skateboardfahrens" veröffentlicht.
Alle 10 bis 15 Jahre erfinde sich das Skateboarding neu, sagt Velten Schäfer. Jedoch habe es Ende der 70er Jahre einen "kategorischen Bruch" gegeben. Bis dahin habe sich das Skaten gemächlich von einem Kinderspiel zum Sport entwickelt, mit eigenen Slalomrennen zum Beispiel. Dem Skaten habe jedoch noch völlig der rebellische und subkulturelle Gestus gefehlt, den man ein paar Jahre später damit verband.
Zornige junge Männer auf Rollen
Dieser Gestus sei Ende der 70er-Jahre in den USA entstanden, als man in einem abgehängten Stadtteil von Santa Monica begann, in stillgelegten Schwimmbecken zu skaten – was natürlich verboten gewesen sei, erzählt Velten Schäfer: "Dort drinnen entstand dann dieser Typus des wilden, zornigen jungen Mannes."
Das Skaten sei dann "ganz klar der sportive Arm der Punk- und Hardcorekultur" gewesen. Rhythmus und Motorik dieser Musik fänden sich auch in den Bewegungen der Skater und ihren Sprüngen. Seitdem bewege sich das Skateboarding zwischen Sport, Körperästhetik und Popkultur.
Die nächste entscheidende Entwicklung sei in den 80er-Jahren mit der VHS-Kassette gekommen: Sie sei das Medium gewesen, über das Skater die eigenen Fähigkeiten und den Stil mit anderen teilen konnten, sagt Velten Schäfer. Ihre Videos seien gleichzeitig auch Imagefilme von bestimmten Skateboardmarken gewesen: "Man hat sich also beim Lernen von Tricks in gewisser Weise schon Warenästhetiken in den Körper einverleibt."
Selbstvermarkter mit Camcorder
Ab den frühen 90er-Jahren habe es dann im Skateboarding bereits das Phänomen der "Ein-Mann-Marke" gegeben - heute würde man "Influencer" sagen. Die Skater produzierten mit Camcordern Videos, um sich selbst darzustellen und zu vermarkten: "Insofern ist Skateboarding auch eine Pionierkultur des Markenfetischismus."
Den Soundtrack dazu lieferten nicht mehr Punk und Hardcore - die Tricks und Treppensprünge liefen nun vor allem zu HipHop.
(sed)