Geschichte des Sklavenhandels
In "Der verschleierte Völkermord" geht Tidiane N’Diaye auf die Historie des muslimischen Sklavenhandels ein. Robert C. Davis dokumentiert in "Christian Slaves, Muslim Masters", wie auch Europäer den Arabern als Beute galten.
Wir sind es gewohnt, den Sklavenhandel dem Schuldenkonto des Westens zuzuschreiben. Ohne dieses Konto mindern zu wollen, müssen wir jetzt offenbar unser Blickfeld erweitern. Nun ist auch auf Deutsch zu lesen, welch erschütternde Erkenntnisse der afrikanische Anthropologe und Wirtschaftswissenschaftler Tidiane N’Diaye publiziert.
"Es wäre an der Zeit, dass der arabo-islamische Sklavenhandel, der einem Völkermord gleichkommt, näher untersucht wird und gleichermaßen zur Sprache kommt, wie der transatlantische Menschenhandel. Denn obwohl sich Horror und Grausamkeit weder differenzieren noch monopolisieren lassen, kann man mit Fug und Recht sagen, dass der von den erbarmungslosen arabo-muslimischen Räubern betriebene Sklavenhandel und der von ihnen geführte Dschihad weitaus verheerender für Schwarzafrika war als der transatlantische Sklavenhandel. Und dieses unendliche Gemetzel, dieser Völkermord unter freiem Himmel währt noch heute vor unser aller Augen." (Seite 13)
Durch die wachsenden muslimischen Gemeinden in nicht-islamischen Ländern ist der Islam den Nicht-Muslimen zwar äußerst nah, bleibt aber zugleich in vielen Bereichen fremd. Die Auseinandersetzungen, die sich daraus ergeben, nur machtpolitisch zu führen, wäre einäugig. Es geht um eine Gesamtbetrachtung, also auch um Geschichte und Ideologie. Wahrscheinlich hat es sich der Westen bisher zu leicht gemacht.
Den Islam hakt man nicht einfach so ab, auf irgendeiner Islamkonferenz. Wer den Islam verstehen will, muss scharf denken und, will er künftige Entwicklungen beeinflussen, weit blicken – auch weit zurück.
Das Buch von Tidiane N’Diaye lehrt uns ein weiteres Mal, daß für den Islam nicht alle Menschen gleich sind, sondern grundsätzlich ungleich. Hier zerfällt die Menschheit in Gläubige und Ungläubige, in Muslime und - potentielle - Sklaven, das ist das latente Leitmotiv gegenüber allen "Ungläubigen".
Keine Frage: Sklaverei hat es in vielen Kulturen und zu vielen Zeiten gegeben, aber ganz offenbar hat die Sklaverei nirgends eine so konstitutive Rolle gespielt wie im Islam. Sie hat dessen kulturelle Identität geradezu definiert. Denn die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, zwischen Mensch und Unmensch ist eine wesentliche Komponente dieser Religion.
Tidiane N'Diaye macht das ganz deutlich.
"Millionen Afrikaner wurden überfallen, niedergemetzelt, gefangen genommen oder kastriert und unter unmenschlichen Bedingungen karawanenweise quer durch die Sahara oder (…) über den Seeweg in die araboislamische Welt deportiert. Die meisten Araber, die im Zuge der ersten Welle zur Islamisierung der schwarzen Völker nach Nordafrika gelangten, gaben sich als Glaubenspfeiler und Vorbild für die Gläubigen aus. Denn unter diesem religiösen Vorwand begingen sie die schändlichsten Verbrechen und die entsetzlichsten Grausamkeiten ..." (S. 11-12)
Das alles unter moralischen Kriterien zu verurteilen, führt nicht weiter. Und auch die Forderung, der Islam müsse die Aufklärung nachholen, ist wenig hilfreich. Welche Aufklärung? Die Aufklärung ist ja doch ein westliches Spezifikum. Erst im historischen Rückblick wird die Differenz zwischen Abendland und Morgenland, zwischen Christentum und Islam ganz deutlich.
Jedenfalls stellt das Christentum in Europa heute keine beherrschende Kraft mehr dar. Schon deswegen kann die Aufklärung kein Modell für den Islam sein. Dieser demonstriert uns die noch immer ungebrochene ideologische und damit militärische Kraft des Glaubens, der im Westen kaum noch eine Rolle spielt.
Dabei ist das Thema des afrikanischen Wissenschaftlers N'Diaye weder neu, noch unerforscht. Man konnte darüber lesen, wenn man wollte. Bereits vor sieben Jahren erschien in den USA und Großbritannien ein Buch des amerikanischen Historikers Robert C. Davis, das äußerst bemerkenswert ist, aber leider nicht auf Deutsch vorliegt. Es heißt ‚Christian Slaves, Muslim Masters’ und beschreibt - wenn auch auf einer historisch anderen Basis - den gleichen Umgang der Muslime auch mit den europäischen Völkern.
Ähnlich wie die Afrikaner, von N’Diaye ausführlich dargelegt, galten die Europäer den Arabern als legitime Beute. Davis dokumentiert die entsprechenden Raub- und Beutezüge während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit rund um das Mittelmeer.
Laut Davis kann man davon ausgehen, dass zwischen 1530 und 1640 rund eine Million Christen als arabische Kettensklaven’ in den nordafrikanischen Städten Tripolis, Algier, Tunis dahinvegetierten. Darunter befand sich übrigens auch der spanische Nationaldichter Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quichotte. Diese Sklaven waren fluktuierendes Handelsmaterial, lebende Währung, über die der Besitzer nach Belieben verfügen konnte.
Davis: "Oft entwickelten sich diese Plünderungsunternehmen zu richtigen Seeschlachten, bei denen Gefangene zu Tausenden gemacht wurden. Es handelte sich um christliche Seeleute und um Landbewohner aus den Gegenden von Valencia, Granada, den Balearen, Kampanien und Sizilien. Nicht selten überschwemmten so viele Gefangenen den Sklaven-Markt von Algier, dass es hieß, man könnte einen Christen für eine Zwiebel eintauschen."
Auch wenn uns Muslime heute durch die Einwanderung sowohl physisch als auch zeitlich nahe gerückt sind, erklärt sich manches kulturelle Fremdheitsgefühl vielleicht auch aus diesem Teil der Geschichte, denn hier zeigt sich die unterschiedliche Wahrnehmung der historischen Zusammenhänge besonders dramatisch.
Von radikalen Muslimen, den Islamisten, hören wir, dass es sich bei ihren Terror-Aktionen um Verteidigungsmaßnahmen handele -gegen die Kreuzritter. Ein Wahn? Mag sein. Aber dieser Wahn hat Folgen.
Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika
Rowohlt Verlag, Reinbek
und
Robert C. Davis: Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the mediterranean, the Barbary coast, and Italy, 1500-1800
Verlag Palgrave Macmillan, New York
"Es wäre an der Zeit, dass der arabo-islamische Sklavenhandel, der einem Völkermord gleichkommt, näher untersucht wird und gleichermaßen zur Sprache kommt, wie der transatlantische Menschenhandel. Denn obwohl sich Horror und Grausamkeit weder differenzieren noch monopolisieren lassen, kann man mit Fug und Recht sagen, dass der von den erbarmungslosen arabo-muslimischen Räubern betriebene Sklavenhandel und der von ihnen geführte Dschihad weitaus verheerender für Schwarzafrika war als der transatlantische Sklavenhandel. Und dieses unendliche Gemetzel, dieser Völkermord unter freiem Himmel währt noch heute vor unser aller Augen." (Seite 13)
Durch die wachsenden muslimischen Gemeinden in nicht-islamischen Ländern ist der Islam den Nicht-Muslimen zwar äußerst nah, bleibt aber zugleich in vielen Bereichen fremd. Die Auseinandersetzungen, die sich daraus ergeben, nur machtpolitisch zu führen, wäre einäugig. Es geht um eine Gesamtbetrachtung, also auch um Geschichte und Ideologie. Wahrscheinlich hat es sich der Westen bisher zu leicht gemacht.
Den Islam hakt man nicht einfach so ab, auf irgendeiner Islamkonferenz. Wer den Islam verstehen will, muss scharf denken und, will er künftige Entwicklungen beeinflussen, weit blicken – auch weit zurück.
Das Buch von Tidiane N’Diaye lehrt uns ein weiteres Mal, daß für den Islam nicht alle Menschen gleich sind, sondern grundsätzlich ungleich. Hier zerfällt die Menschheit in Gläubige und Ungläubige, in Muslime und - potentielle - Sklaven, das ist das latente Leitmotiv gegenüber allen "Ungläubigen".
Keine Frage: Sklaverei hat es in vielen Kulturen und zu vielen Zeiten gegeben, aber ganz offenbar hat die Sklaverei nirgends eine so konstitutive Rolle gespielt wie im Islam. Sie hat dessen kulturelle Identität geradezu definiert. Denn die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, zwischen Mensch und Unmensch ist eine wesentliche Komponente dieser Religion.
Tidiane N'Diaye macht das ganz deutlich.
"Millionen Afrikaner wurden überfallen, niedergemetzelt, gefangen genommen oder kastriert und unter unmenschlichen Bedingungen karawanenweise quer durch die Sahara oder (…) über den Seeweg in die araboislamische Welt deportiert. Die meisten Araber, die im Zuge der ersten Welle zur Islamisierung der schwarzen Völker nach Nordafrika gelangten, gaben sich als Glaubenspfeiler und Vorbild für die Gläubigen aus. Denn unter diesem religiösen Vorwand begingen sie die schändlichsten Verbrechen und die entsetzlichsten Grausamkeiten ..." (S. 11-12)
Das alles unter moralischen Kriterien zu verurteilen, führt nicht weiter. Und auch die Forderung, der Islam müsse die Aufklärung nachholen, ist wenig hilfreich. Welche Aufklärung? Die Aufklärung ist ja doch ein westliches Spezifikum. Erst im historischen Rückblick wird die Differenz zwischen Abendland und Morgenland, zwischen Christentum und Islam ganz deutlich.
Jedenfalls stellt das Christentum in Europa heute keine beherrschende Kraft mehr dar. Schon deswegen kann die Aufklärung kein Modell für den Islam sein. Dieser demonstriert uns die noch immer ungebrochene ideologische und damit militärische Kraft des Glaubens, der im Westen kaum noch eine Rolle spielt.
Dabei ist das Thema des afrikanischen Wissenschaftlers N'Diaye weder neu, noch unerforscht. Man konnte darüber lesen, wenn man wollte. Bereits vor sieben Jahren erschien in den USA und Großbritannien ein Buch des amerikanischen Historikers Robert C. Davis, das äußerst bemerkenswert ist, aber leider nicht auf Deutsch vorliegt. Es heißt ‚Christian Slaves, Muslim Masters’ und beschreibt - wenn auch auf einer historisch anderen Basis - den gleichen Umgang der Muslime auch mit den europäischen Völkern.
Ähnlich wie die Afrikaner, von N’Diaye ausführlich dargelegt, galten die Europäer den Arabern als legitime Beute. Davis dokumentiert die entsprechenden Raub- und Beutezüge während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit rund um das Mittelmeer.
Laut Davis kann man davon ausgehen, dass zwischen 1530 und 1640 rund eine Million Christen als arabische Kettensklaven’ in den nordafrikanischen Städten Tripolis, Algier, Tunis dahinvegetierten. Darunter befand sich übrigens auch der spanische Nationaldichter Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quichotte. Diese Sklaven waren fluktuierendes Handelsmaterial, lebende Währung, über die der Besitzer nach Belieben verfügen konnte.
Davis: "Oft entwickelten sich diese Plünderungsunternehmen zu richtigen Seeschlachten, bei denen Gefangene zu Tausenden gemacht wurden. Es handelte sich um christliche Seeleute und um Landbewohner aus den Gegenden von Valencia, Granada, den Balearen, Kampanien und Sizilien. Nicht selten überschwemmten so viele Gefangenen den Sklaven-Markt von Algier, dass es hieß, man könnte einen Christen für eine Zwiebel eintauschen."
Auch wenn uns Muslime heute durch die Einwanderung sowohl physisch als auch zeitlich nahe gerückt sind, erklärt sich manches kulturelle Fremdheitsgefühl vielleicht auch aus diesem Teil der Geschichte, denn hier zeigt sich die unterschiedliche Wahrnehmung der historischen Zusammenhänge besonders dramatisch.
Von radikalen Muslimen, den Islamisten, hören wir, dass es sich bei ihren Terror-Aktionen um Verteidigungsmaßnahmen handele -gegen die Kreuzritter. Ein Wahn? Mag sein. Aber dieser Wahn hat Folgen.
Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika
Rowohlt Verlag, Reinbek
und
Robert C. Davis: Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the mediterranean, the Barbary coast, and Italy, 1500-1800
Verlag Palgrave Macmillan, New York

Cover: "Robert C. Davis: Christian Slaves, Muslim Masters"© Verlag Palgrave Macmillan