Geschichte des Templer-Ordens

Sie führten das Schwert im Namen des Herrn

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Gemälde der Kapitelversammlung derTempler. Ein sakraler Raum ist gefüllt mit Menschen. Auf dem Altar stehen verschiedene Personen in Ordenskleidung.
Konferenz der Templer: In Anwesenheit von Papst Eugen III. und König Ludwig VII. von Frankreich halten die Tempelherren eine Kapitelversammlung ab. © picture alliance / akg
Von Kirsten Serup-Bilfeldt |
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Vor 900 Jahren wurde der Orden der Tempelritter gegründet, dessen Geschichte bis heute so rätselhaft wie sagenumwoben ist. Zu diesem Jubiläum legt der britische Historiker Dan Jones eine neue Monographie mit dem Titel „Die Templer“ vor.
Der Wind bläst in heftigen Stößen. Im Schein einer Fackel schichten die Henkersknechte Holz auf den schon übermannshohen Scheiterhaufen. Dort, gegenüber der Kathedrale Notre-Dame in Paris, stehen an diesem Märztag des Jahres 1314 der Großmeister des Templerordens Jacques de Molay und der Großpräzeptor der Normandie Geoffroy der Charnay nebeneinander an Pfähle gebunden, die Gesichter zur königlichen Loge gewandt.

Der Fluch aus den Flammen

König Philipp hebt die Hand. Der Henker hält eine lodernde Fackel an den Holzstoß. Bald hüllt dichter Rauch die beiden Verurteilten ein. Und dann, plötzlich, dringt die noch immer mächtige Stimme des Großmeisters durch den Feuervorhang: "Papst Clemens, König Philipp! Verflucht sollt ihr sein! Noch ehe ein Jahr vergeht, fordere ich euch vor Gottes Gericht, damit Ihr dort eure gerechte Strafe empfangt." Nachdem die Flammen seinen letzten Schrei erstickt haben, stürzt Jacques de Molay in die Glut. Bald ragt nur noch seine völlig verkohlte Hand dort hervor.
33 Tage nach diesem grausamen Schauspiel stirbt im fernen Rom Papst Clemens V., und acht Monate später erleidet der französische König Philipp der Schöne einen tödlichen Jagdunfall. Der Fluch aus den Flammen ist in Erfüllung gegangen. Das Drama ist vorbei. Es beginnt die Legende. Und die Faszination, die die Templer bis heute ausüben: auf Chronisten, Literaten, Forscher, Filmproduzenten, Verschwörungstheoretiker, Historiker.

Der rätselhafteste Orden der Christenheit

Szenenwechsel. London. Eine Buchhandlung am Piccadilly Circus. Dort berichtet der britische Historiker Dan Jones über seine ganz eigene Tempelritter-Faszination. "Wenn Sie mit Geistergeschichten vertraut sind, dann haben Sie sicher schon von M. R. James gehört", sagt Jones, "einem brillanten Historiker und Mediävisten, der ganz besonders unheimliche und angsteinflößende Geistergeschichten geschrieben hat. Ich habe sie immer in der Weihnachtszeit gelesen, und eine dieser Geschichten hieß: Pfeif nach mir, mein Junge, und ich komme zu dir."
Die Geschichte handelt von einem eigenbrötlerischen Feriengast, der sich an der windgepeitschten englischen Ostküste auf eine einsame Wanderung macht. Er landet auf einem alten Tempelritter-Friedhof mit geheimnisvollen Inschriften auf zerfallenen Grabsteinen. Und dann, ja, natürlich - dann nimmt das Grauen seinen Lauf.
Diese Geschichte, von der BBC verfilmt, lässt den damals zehnjährigen Dan Jones in den 1990er Jahren nicht mehr los: Die Tempelritter, der geheimnisumwitterte, rätselhafteste Orden der Christenheit!

Opfer des größten Justizmordes des Mittelalters

Zwei Jahrhunderte lang waren sie die heimlichen Herrscher des Abend- und des Morgenlandes. Ihr Mut war legendär, ihr Reichtum unermesslich. Sie erfreuten sich bester Kontakte zu Königen und Päpsten - bis sie alle an einem Tag der Vernichtung preisgegeben und Opfer des größten Justizmordes des Mittelalters wurden.
Dan Jones behält seine Templer-Leidenschaft bei, studiert mittelalterliche Geschichte an der Universität Cambridge und schreibt das Buch "Die Templer - Aufstieg und Untergang von Gottes Heiligen Kriegern". Legenden strickt er nicht weiter. Stattdessen erzählt er in guter, alter, angelsächsischer Historikertradition einfach die Geschichte: flüssig, anschaulich, informativ.
"Im Mittelalter gab es jede Menge militärischer Orden", erklärt Jones. "Die Deutschordensritter, die Johanniter, die Malteser, die Livländischen Schwertbrüder, also Dutzende. Aber es sind die Templer, die bis heute die Fantasie der Menschen beschäftigen."

Bernhard von Clairvaux entwirft die Ordensregel

Kein Wunder! Denn die Tempelritter sind die adligen Schwertträger Jesu, sie verbinden das weltliche Leben mit den geistigen Ansprüchen ihrer Zeit, die ritterlichen Ideale der Krieger mit der spirituellen Kraft der Mönche. Jones schreibt: "Diese Kombination ist eine Revolution: Beten und Kämpfen, die Verbreitung des Christentums mit Waffengewalt voranbringen."
Den Hintergrund für das Wirken der Templer bilden die Kreuzzüge. Nachdem der Erste Kreuzzug 1099 mit der Eroberung Jerusalems durch das christliche Kreuz-fahrerheer geendet hat, sucht eine kleine Schar versprengter Ritter 1119 im Heiligen Land nach neuen Aufgaben.
Sie gründen die "Arme Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels zu Jerusalem". Ihre Ordensregel entwirft die höchste geistige Autorität der Zeit, der später heiliggesprochene Bernhard von Clairvaux. Ihr Wappenspruch lautet: "Non nobis domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam. Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre."

Die notwendige Vernichtung des Bösen

Ihren Weg zu Gott suchen sie nicht in der friedlichen Abgeschiedenheit eines Klosters, sondern auf dem Schlachtfeld und bei der Sicherung der Pilgerwege. "Sie waren ausgebildete Ritter, die eine Bruderschaft gegründet und die Gelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam abgelegt hatten", so Jones. "Aber ihre eigentliche Aufgabe war es, auf den gefährlichen Wegen an den Heiligen Stätten in Jerusalem, wo Jesus gelebt hatte und gestorben war, die Pilger zu schützen."
Und zwar durchaus mit Waffengewalt. Das rote Kreuz auf ihrem Gewand symbolisiert das Blut, das Christus für die Menschen vergossen hat - und das sie selbst im Dienst des Herrn zu vergießen bereit sind. Um den offenkundigen Widerspruch zwischen christlicher Friedensbotschaft und militärischer Streitmacht zu überbrücken, kann sich die neugegründete Ritterschaft auf Bernhard von Clairvaux berufen.
In seiner Mahnrede an die Tempelritter betont Bernhard den grundlegenden Unterschied zwischen Mord - also der Sünde des Tötens - und der notwendigen Vernichtung des Bösen. Ausgerüstet mit dieser scharfsinnigen theologischen Unterscheidung übernehmen die Tempelritter nun die Aufgabe, nicht nur die Pilger zu schützen, sondern das Heilige Land zu verteidigen.

Die "Arme Ritterschaft" gründet ein Bankenimperium

So werden die neuartigen Kriegermönche zu einer militärischen Eliteeinheit, die durch Schenkungen, Lösegelder und Tributzahlungen sehr bald sehr reich wird. Die "Arme Ritterschaft Christi" wird zu einem internationalen Bankenimperium, das Könige und Kaufleute in Orient und Okzident in Abhängigkeit halten kann.
Aus den Männern des Glaubens und des Schwerts werden Bankiers, Finanzfachleute, Investoren. Das weckt Begehrlichkeiten, erzeugt Neid und Missgunst. Und so beginnt die Zeit der Verfolgung. Gerüchte und Verleumdungen machen die Runde. Es gibt kaum eine Verfehlung, die den Templern nicht vorgeworfen wird: Schwarze Magie, Unzucht, Satanismus, Ketzerei. Auf das Kreuz sollen sie bei ihren geheimnisvollen Eintrittsritualen gespuckt haben. Und - teilen sich auf ihrem Siegel nicht zwei Ritter ein Pferd? Die Diffamierungen nehmen an Bösartigkeit zu.
Dazu kommen die militärischen Niederlagen der Christen im Heiligen Land. Nachdem die letzten christlichen Bastionen, Jerusalem und die Templer-Hochburg Akkon 1291 an die Muslime gefallen sind, ziehen sich die Tempelritter nach Zypern zurück, errichten dort ihren Hauptsitz und verwalten ihre Komtureien, die sich über ganz Europa erstrecken.

Motive für die Auslöschung bis heute unbekannt

Das Ende des Templerordens besiegelt König Philipp der Schöne von Frankreich am Freitag, dem 13. Oktober 1307. Handstreichartig lässt er alle rund 1000 französischen Ordensniederlassungen durchsuchen, Ländereien und Burgen beschlagnahmen, Ordensangehörige verhaften und einkerkern, unter ihnen auch den Großmeister Jacques de Molay.
Die Motive für diese Aktion sind bis heute unerforscht. Geldgier? Eifersucht auf die faszinierende Aura der Ritter? Ein Angriff auf die Macht der Kirche und des Papsttums? Wir wissen es nicht. Dennoch werde die Legende der Templer weiterleben, inspirieren, unterhalten und faszinieren, schreibt Jones: "Das ist vielleicht ihr wirkliches Vermächtnis."

Dan Jones: Die Templer. Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern
Verlag C.H. Beck, München 2019
508 Seiten, 28 Euro

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