Der Sport hatte eine große Bedeutung auch nach der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten. Sportlich war klar, die Gauliga im Norden hier war die höchste Spielklasse. Da waren dann die Topteams HSV, St. Pauli und Holstein Kiel und Altona 93 dabei. Wir haben in der Zeit auch mehrfach die Endrunde um die deutsche Meisterschaft erreicht.
Holstein Kiel
Holstein Kiel stieg in diesem Jahr erstmals in die Fußball-Bundesliga auf. © Imago / Marcel von Feh
Welche Rolle der Traditionsverein in der NS-Zeit spielte
06:10 Minuten
Im kommenden Jahr feiert Fußball-Bundesligist Holstein Kiel sein 125-jähriges Bestehen. Als erster Verein im Norden gewann er die deutsche Meisterschaft. Was macht diesen Klub aus – und wie positionierte er sich in der Zeit des Nationalsozialismus?
Heimspiel in der Fußball-Bundesliga gegen Wolfsburg vor ein paar Wochen - die Holstein-Fans erinnern an die erste deutsche Meisterschaft von Kiel vor dem Ersten Weltkrieg.
Ein Denkmal erinnert an gefallene Spieler
Holstein profitierte vom Reichskriegshafen, den es in Kiel schon seit 1871 gab. Der Fußball sollte die Matrosen fit halten. Viele Soldaten spielten deshalb bei Holstein. An die Gefallenen der beiden Weltkriege erinnert heute ein Denkmal mit den Namen der Spieler auf einer Bronzeplatte.
Befestigt ist diese auf einem fünf Meter hohen und zwei Meter breiten ockerfarbenen Klotz, und dieses Denkmal steht auf dem Vorplatz des Stadions.
Patrick Nawe, Leiter der sogenannten History-Abteilung des Vereins.
„Dort war auch unser Meistertorschütze Ernst Möller leider Gottes dabei, der 1912 unser Siegtor im Endspiel geschossen hat und vier Jahre später in Frankreich verwundet wurde und verstorben ist - und der dort dann auch beerdigt wurde.“
Die dunkle Vergangenheit von Holstein Kiel
Die Geschichte der KSV Holstein hat viele dunkle Flecken, vor allem in der NS-Zeit berichtet Sozialhistoriker Dr. Tim Cassel, der beim Schleswig-Holsteinischen Fußballverband als Geschäftsführer arbeitet.
Er spricht wörtlich von „vorauseilendem Gehorsam“:
„Bei Holstein sind Punkte festzustellen, die zumindest eine gewisse Nähe zum NS-Regime nahelegen. So führte Holstein bereits im Juni 1933 das sogenannte Führerprinzip ein.“
Das heißt, dass nur der Vorsitzende allein die Entscheidungen für den Verein treffen durfte, und nicht wie noch lange in anderen Fußballvereinen der ganze Vorstand. Bei Holstein war das in dieser Zeit Karl Friese, der den Verein nach Recherchen von Dr. Tim Cassel zu einem Vorzeigeverein im Sinne der NS-Regierung machte.
„Ferner stellte Holstein dann zum Jahreswechsel 1934/35 mit Wilhelm Aphuhn einen Dietwart ein, der für die gesellschaftspolitische Schulung der Mitglieder zuständig war. Diese Maßnahme wurde den Vereinen durch das Regime erst ab April 1937 offiziell zur Pflicht gemacht. Insofern zeigt es, dass Holstein schon früh gewisse Grundprinzipien des Nationalsozialismus aufgenommen hat.“
Ein großer Spieler des Vereins war Ottmar Walter
Sportlich war Holstein Kiel in der NS-Zeit nicht mehr so erfolgreich wie vor dem Ersten Weltkrieg. Zu einem weiteren Titelgewinn reichte es nicht mehr, aber vor allem ein Soldat der Marine sorgte für Furore.
„Da ist natürlich Ottmar Walter zu nennen, der auch Nationalspieler war und mit Holstein eine erfolgreiche Zeit hatte.“
Ottmar Walter hatte sich als 18-Jähriger für drei Jahre freiwillig zur Marine gemeldet hat und war in Kiel stationiert. Anfang 1943 In seinem ersten Spiel machte er gleich mehrere Tore beim Sieg gegen St. Pauli.
1943 im Viertelfinale gewann Holstein dank Ottmar Walter gegen die Schalker mit 4:1.
In der Endrunde Juni 1943 haben wir hier vermutlich das beste Spiel der Vereinsgeschichte abgeliefert. Das Spiel wurde mehrfach unterbrochen. Es drohte immer wieder Bombenalarm mit Kiel als Reichskriegshafen unter besonderer Bedrohung. Das Spiel haben wir tatsächlich gegen den legendären Schalker Kreisel gewonnen. In den sechs, sieben, acht Jahren zuvor hatte Schalke jedes Mal das Finale, um die deutsche Meisterschaft erreicht und auch fünfmal den Titel geholt.
Auswirkungen des Kriegs bis heute
Kiel wurde am Ende Dritter. Im Halbfinale verlor Holstein gegen den späteren Meister Dresdner SC.
„Nach 1943 sollte es eigentlich noch weitergehen, aber die Saison 1943/44 wurde dann irgendwann abgebrochen. Dann war wirklich Schluß mit dem Fußball.
Der Krieg hinterließ auch in Kiel seine Spuren:
„Als wir hier die Rasenheizung vor fünf Jahren eingerichtet haben, war das auch noch ein Problem, weil diese Bombentrichter nach dem Krieg mit Bauschutt und alten Gemäuern von zerstörten Häusern einfach aufgefüllt wurden. Das Ganze ist natürlich abgesackt mit den Jahren. Beim Bau der Rasenheizung musste streckenweise alles abtransportiert werden, um überhaupt eine ebene Fläche zu haben. Also es wirkt bis heute.“