Unser Magazin "Kompressor" sprach mit Marietta Schwarz über ihr Projekt.
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Mutti und ich
"Mutti und ich" ist eine Serie über eine besondere Frau. Sie wurde 1938 geboren, hätte gerne studiert und musste an den Herd. Sie zog drei Kinder groß, ist sehr religiös, sehr eitel und manchmal ein bisschen chaotisch.
Die Kinder sind längst aus dem Haus. Eines von ihnen fing irgendwann an, bei den Besuchen das Mikrofon anzuschalten. Dieses Kind bin ich.
"Mutti und ich" spielt in einer 70er-Jahre-Einfamilienhaussiedlung im Rhein-Main-Gebiet, dem Ort meiner Kindheit, aus dem ich irgendwann in die Großstadt flüchtete. Jeder Besuch bedeutet Heimkehr ins familiäre Nest, in dem alles so ist, wie es immer war: Ein Alltag hinter schweren Gardinen, wo Schondecken aufgelegt werden, der Vorwerk-Vertreter regelmäßig klingelt und der Vater so oft es geht im Keller verschwindet.
Wir sollten unsere Mütter befragen, solange sie leben. Denn jede hat ihre eigene Geschichte. Und vielleicht kennen wir sie gar nicht so gut, wie wir denken.
"Mutti und ich" ist als freie Podcastproduktion entstanden. Weitere Staffeln sollen folgen - von anderen Kindern über andere Mütter. So könnte langfristig ein ganz besonderes, ein Mütter-Archiv, entstehen. In der Echtzeit-Serie spielen wir die Folgen dieser ersten Staffel von "Mutti und ich" in einer gekürzten Fassung. Weitere Informationen und alle Episoden in voller Länge unter: www.mutti-podcast.de
Marietta Schwarz, geboren 1972 in Mainz, ist freie Hörfunkjournalistin und arbeitet als Moderatorin, Redakteurin und Autorin für Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk. Sie wuchs mit zwei älteren Geschwistern auf, lebt in Berlin und kehrt von jedem Familienfest erschöpft und melancholisch zurück. "Mutti und ich" ist ihre erste freie Podcastproduktion.
Titelmusik: Ulven, Titelsong aus dem Album "Beyond Repair". Ulven plant für dieses Jahr ein neues Album.
Episode 01: Ankommen
Die Mehrzahl der Muttis stammt eindeutig aus dem Osten. Nicht so die Mutti, um die es hier geht: Das Rhein-Main-Gebiet ist ihr Zuhause, eine Gegend, in der man klassischerweise "Mama" zu seiner Mutter sagt. Mutti ist 78 Jahre alt, ihr Mann, Papa, wird 80, und beide leben in einem Einfamilienhaus, das sie sich Ende der 60er Jahre eigenhändig errichteten. Jede Reise zurück dorthin ist für die Tochter eine Reise in die eigene Kindheit und die teilweise exotische Lebenswelt der Eltern.
Episode 02: Pfirsich
Mutti spricht richtig rhoihessisch. Aber nicht genug Dialekt für Oma. Oma ist schon lange tot, aber sie hat natürlich ihre Spuren in Muttis Leben hinterlassen. Nicht nur sprachlich. Und selbst bei der Autorin wirkte die Heimat in dieser Hinsicht noch lange Zeit nach.
Episode 03: Schondecken
Wenn es um den Einsatz von Schondecken geht, ist Mutti ganz Nachkriegsgeneration. Zu Festtagen läuft sie beim Einsatz von Tischdecken, Unterdecken, Überdecken und Platzsets zu Hochtouren auf. Eine schonungslose Aufdeckung.
Episode 04: Aufstieg
In den 50er Jahren schaffte Mutti den Sprung von der Lebensmittelverkäuferin zur Sekretärin in einer Eisenwarenhandlung. Dort begegnete sie ihrer großen, vielleicht sogar unsterblichen Liebe. "Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihn retten", erinnert sie sich heute.
Episode 05: Haustürgeschäfte
Wenn Vorwerk dreimal klingelt: dann macht Mutti die Tür auf. Ihr jüngster Haustürkauf ist ein kleiner "Kobold" für die Krümel in der elektrischen Brotmaschine. Es klingeln aber auch andere. Vielleicht haben sich deshalb nicht nur Staubsauger bei ihr angesammelt.
Episode 06: Im Keller
Wer ist eigentlich Papa? Der Mann an Muttis Seite hält sich am liebsten im Keller auf, wo er seiner Leidenschaft, dem Bücherschreiben, frönt. Dort unten sind unzählige Romane entstanden, die in einem Weinberg, in der Zeitungsredaktion oder im Verein der Fluglärmgegner spielen.
Episode 07: Mutti - ein Leben in Ausgabenbüchern
Jeder Knopf, jeder Schlüpfer, jede Tankfüllung: Mutti notiert täglich, was sie ein- und ausgegeben hat, und das seit ihrem 14. Lebensjahr. Ihre Ausgabenbücher verraten nicht nur eine Menge über ihr Privatleben, sondern auch über den Alltag einer ganzen westdeutschen Nachkriegsgeneration.
Episode 08: Im Kreis tanzen
Der Tanz um eine brennende Kerze ist ihr liebstes Hobby, eine Herzensangelegenheit und vielleicht auch Überlebensrezept. Einmal im Jahr verschwindet Mutti zu einem Tanzwochenende mit Gleichgesinnten. Das "Meditative Tanzen" entdeckte sie in den 80er Jahren, bald nachdem es aus den USA nach Europa geschwappt war.
Episode 09: Botox
Mutti ist extrem eitel. Seit unsere Autorin denken kann, beschäftigt sie sich intensiv mit ihrem Aussehen. Es ist Hobby und Qual zugleich. Denn das Alter hinterlässt natürlich auch bei ihr seine Spuren. Botox käme für Mutti nicht in Frage. Aber Hyaluron-Unterspritzungen vielleicht schon...
Episode 10: Was Mutti über "Mutti und ich" denkt
"Was sagt Mutti eigentlich dazu?", wird unsere Autorin stets gefragt, wenn es um den Podcast "Mutti und ich" geht. Sie war anfangs etwas skeptisch, hat die Tochter dann aber einfach machen lassen. Und ihr nach jeder Folge eine kurze E-Mail geschickt. Nur einmal nicht. Und Papa hat gar nichts gesagt! Heute hören wir mal genauer nach.