Geschichten über Forscher

Rezensiert von Monika Wellershaus |
Die Naturwissenschaften stecken voller Geschichten über Forscher, die für ihre Ideen heftig von den Vertretern der traditionellen Lehren angefeindet wurden. Wer gegen Tabus und Denkverbote verstieß, wurde oftmals selbst ausgestoßen. Len Fischer zeigt in dem Buch, dass gerade diejenigen, die den bisher als wahr erkannten Theorien widersprachen, den Fortschritt vorangetrieben haben
Dass es naturwissenschaftliche Gesetze gibt, mit denen man arbeiten kann, ohne sie erklären zu können, ist sicherlich verblüffend, zumal die Naturwissenschaft sich gerne so präsentiert, als wüsste sie, wie die Welt funktioniert. Ein Irrtum, wie der australische Physiker Len Fischer jetzt in sieben Kapiteln anhand zahlreicher Beispiele und einer Reihe von Abbildungen anschaulich erklärt.

Es gibt noch zahlreiche ungelöste Grundfragen, die einer Antwort harren. Was ist, so fragt er gleich in seinem Anfangskapitel, das Gewicht? Woraus besteht es, wie setzt es sich zusammen? Und aus was besteht Masse? Warum wiegt Gold z. B. mehr als Silber, was steckt in ihm drin, dass es soviel schwerer ist?
Die Tatsache selbst hat nach einer berühmten Anekdote der griechische Mathematiker Archimedes entdeckt, als er in seinem Badezimmer feststellte, dass die Goldkrone des Königs mehr Wasser verdrängte als ein Goldbarren gleichen Gewichts. Folglich musste die Krone mit Silber gestreckt sein. Angeblich war Archimedes darüber so begeistert, dass er nackt aus dem Bad sprang und mit "Heureka"-Rufen durch die Straßen rannte.

Seit dieser Zeit befassen sich Forscher allerorten mit der Frage, was das spezifische Gewicht einer Materie ausmacht und ob auch immaterielle Dinge ein Gewicht besitzen wie z. B. die Seele. Nachdem sich Theologen und Philosophen Jahrhunderte lang darüber gestritten hatten, dachte sich Anfang des 20. Jahrhunderts der amerikanische Arzt MacDougall ein einfaches Experiment aus. Getreu der Überzeugung, dass genaue Messung der Wahrheit am besten auf die Spur kommt, stellte er in einem Krankenhaus die Betten Sterbender auf eine Präzisionswaage. Falls die Seele tatsächlich ein Gewicht hatte, müsste der tote Körper leichter sein als der noch lebende, so seine Schlussfolgerung. Das Ergebnis war verblüffend:

"Genau mit der letzten Bewegung seiner Atemmuskeln… fiel das Ende des Waagbalkens auf die untere Begrenzungsmarke und blieb dort ohne zurückzuschnellen, wie wenn ein Gewicht vom Bett weggenommen worden wäre. Um die Waage wieder auszugleichen, war später ein Gewicht von zwei Silberdollar nötig, die zusammen drei Viertel Unzen wogen."

Der Gewichtsverlust legte nahe, dass die Seele tatsächlich ein Gewicht besitzt, da McDougall alle anderen Fehlerquellen systematisch durch Experimente ausschloss. Was nun ist dran an dieser vermeintlich eindeutigen Beweisführung? In der Tat lässt sich der Gewichtsverlust schwer erklären. Erst die Entdeckung, dass der Wärmeverlust einer Materie die Luftströme um einen Gegenstand herum beeinflusst und damit auch die Präzisionswaage des Arztes, könnte eine Erklärung bieten. Das Beispiel ist eines von vielen in der erstaunlichen Geschichte jener Phänomene, die wir im Gegensatz zu Esoterik nachweisen, aber nicht erklären können.

"Die Energie selbst bleibt… eine der gewichtigsten jener geheimnisvollen Annahmen, die für uns unverzichtbar sind. Wer hätte einst gedacht, dass sich das Licht, die Wärme, Magnetismus und Elektrizität, die Röntgenstrahlen, chemische Umwandlungen und sogar die Bewegung von Gegenständen als verschiedene Formen eines einzigen Dings, Energie genannt, erweisen würden? Eines Dings, das nie jemand gesehen, gespürt oder erfahren hat, das sich aber in so verschiedener Weise manifestiert."

Auch Len Fisher kennt keine Antwort. Er führt sich nicht als Besserwisser auf und das ist sehr angenehm. Ihm geht es darum zu zeigen, dass auch Wissenschaftler an bestimmte Dinge einfach glauben, solange ihnen nicht das Gegenteil bewiesen wird. Anschaulich und amüsant widerlegen die Ausflüge des Physikers in die Wissenschaftsgeschichte die Vorstellung, dass Wissenschaft nur auf harten und unwiderlegbaren Fakten beruht. Gerade weil gewisse Phänomene nicht erklärbar sind, unseren Verstand übersteigen wie z. B. die Relativitätstheorie oder die Quantenmechanik, kann man den Beweisen für ihre Existenz nur glauben. Len Fisher warnt ausdrücklich vor Hochmut:

"Die Botschaft ist, dass wir ein gewisses Maß an lächerlichen Dummheiten zulassen müssen, wenn wir nicht tiefe Einsichten und Entwicklungen verpassen wollen. Solange wir noch nicht beurteilen können, ob es sich um eine Verrücktheit oder um einen genialen Einfall handelt, ist es vielleicht besser, nicht zu laut zu lachen."

Dem ist nichts hinzufügen.


Len Fisher: Der Versuch, die Seele zu wiegen und andere Sternstunden von Forschern und Fantasten
Übersetzt von Carl Freytag
Campus Verlag Frankfurt a. M. 2005
158 Seiten, 24,90 €.