Geschichten vom glorreichen Scheitern
Seine Erzählungen kreisen um die Themen Sex und Drugs, Alkohol und Liebe. T.C. Boyles Protagonisten in "Zähne und Klauen" sind keine Helden, sondern Verlierer, wenn auch sympathisch gescheitert. Er verkneift sich das Moralisieren und kennt auch keine Happy Ends. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann trinken sie noch heute.
T.C.Boyle, bald 60, hat sich nie an solche Regeln der Schriftstellerei gehalten wie zum Beispiel, dass man nur über das schreiben soll, was man kennt. Für ihn ist das Unsinn. ‚Schreib über alles, was dir gefällt und du dir vorstellen kannst’, so lautet sein Credo. Und an das hält er sich seit nunmehr 40 Jahren.
Begonnen hat er mit dem Schreiben auf der Uni, als er per Zufall in einen ‚Creative writing’-Kurs geriet und sich einen Einakter ausdachte, der so gut ankam, dass er beschloss, dabeizubleiben. Seitdem hat er über 150 Geschichten und 11 Romane veröffentlicht.
T.C.Boyle liebt es, in fremde Rollen zu schlüpfen. Fesselt ihn eine Idee, ein Thema, fällt es ihm nicht schwer, sich dazu etwas einfallen zu lassen. Und das gilt nicht nur für seine Romane, sondern auch für seine Geschichten. Er ist ein begeisterter Erzähler, wie der neue Band mit Kurzgeschichten erneut beweist, und T.C. Boyle ist kein Kind von Traurigkeit. Seine Storys sind mit einem Augenzwinkern erzählt, streifen gerne das Absurde, verfremden den Alltag, treiben Dinge so auf die Spitze, dass man über sie lachen muss.
Dabei gab es in seiner Kindheit nur wenig zu lachen. Beide Eltern tranken sich zu Tode, der Junge wuchs in einem Waisenhaus auf. Seine Jugend beschreibt er als wild und wüst. Eigentlich trieb er sich nur rum, rauchte Hasch, besuchte Rockkonzerte, versuchte, selbst eine Rockband auf die Beine zu stellen, dealte, klaute, fuhr Motorräder zu Schrott, bis er das Schreiben als Lebensinhalt entdeckte.
Sex & drugs oder Alkohol & Liebe sind denn auch wiederkehrende Themen. Gleich mehrfach kommt T.C. Boyle in den Geschichten auf die Schwierigkeiten, in die einen extensiver Alkoholgenuss bringen kann. Da jagt dann eine Katastrophe die nächste, auch wenn seine Protagonisten nicht mit heiler Haut, aber dafür halbwegs lebendig die schwierigsten Situationen überstehen. Vor allem in Verbindung mit Liebe bewirkt Alkohol schlimmen Realitätsverlust. Da gewinnt zum Beispiel ein junger Mann ziemlich angetrunken bei einer Wette in einer kalifornischen Bar eine afrikanische Raubkatze. Um der Kellnerin zu imponieren, nimmt er das Tier mit nach Hause und lässt es in seinem Schlafzimmer frei – das hat üble Folgen.
In einer anderen Geschichte vernebelt ständiger Alkoholmissbrauch einem Barmann das Gehirn so sehr, dass er sich auf einen Partnertausch einlässt und gar nicht merkt, was er damit anrichtet. Natürlich ist am Ende er der Dumme. Der Titel entspricht dem Geschehen: ‚Alle meine Schiffbrüche’.
So geht es in allen Geschichten: T.C. Boyles Protagonisten sind keine Helden, sondern Verlierer, wenn auch sympathische Gescheiterte. Er verkneift sich jedoch das Moralisieren und kennt auch keine Happy Ends. Und wenn sie nicht gestorben sind, so saufen sie noch heute.
Mit zu den besten gehört jene Geschichte, die in den windigen Nordregionen Argentiniens spielt. Ein amerikanischer Umweltfanatiker versetzt mit seinen hysterischen Hiobsbotschaften über das Ozonloch die ganze Schafzüchtergemeinde der Gegend in Angst und Schrecken, bis sich schließlich jeder eine dunkle Brille aufsetzt und jeden Altersflecken für Hautkrebs hält. Eine ironische Paraphrase auf übertriebene Öko-Panikmache.
Bisweilen haben die Geschichten auch surrealen Charakter: Um die Hundewelt zu erforschen, kriecht eine Frau auf allen Vieren mit den ortsansässigen Vierbeinern durch die Gegend, um ihren Geruchssinn zu schärfen. Sie bleibt nicht allein. In eine als besonders sicher angepriesene Wohnsiedlung in Florida mit allem modernen Komfort bricht die Tierwelt ein – die Natur erweist sich stärker als der Mensch. Ein Radiodiscjockey versucht, den Guinness-Rekord im Wachbleiben zu brechen – er schafft es, aber um welchen Preis.
Geschickt überspielt T.C. Boyle, dass er ein großer Moralist ist. Er warnt, indem er übertreibt. Nicht immer überzeugen seine schrägen Ideen, aber er hat auf alle Fälle viel Fantasie. Und die ist ansteckend.
Rezensiert von Johannes Kaiser
T.C. Boyle: "Zähne und Klauen", Erzählungen,
Aus dem Amerikanischen von Anette Grube, Dirk van Gunsteren, Hanser Verlag, München 2008, 318 Seiten, 19,90 €
Begonnen hat er mit dem Schreiben auf der Uni, als er per Zufall in einen ‚Creative writing’-Kurs geriet und sich einen Einakter ausdachte, der so gut ankam, dass er beschloss, dabeizubleiben. Seitdem hat er über 150 Geschichten und 11 Romane veröffentlicht.
T.C.Boyle liebt es, in fremde Rollen zu schlüpfen. Fesselt ihn eine Idee, ein Thema, fällt es ihm nicht schwer, sich dazu etwas einfallen zu lassen. Und das gilt nicht nur für seine Romane, sondern auch für seine Geschichten. Er ist ein begeisterter Erzähler, wie der neue Band mit Kurzgeschichten erneut beweist, und T.C. Boyle ist kein Kind von Traurigkeit. Seine Storys sind mit einem Augenzwinkern erzählt, streifen gerne das Absurde, verfremden den Alltag, treiben Dinge so auf die Spitze, dass man über sie lachen muss.
Dabei gab es in seiner Kindheit nur wenig zu lachen. Beide Eltern tranken sich zu Tode, der Junge wuchs in einem Waisenhaus auf. Seine Jugend beschreibt er als wild und wüst. Eigentlich trieb er sich nur rum, rauchte Hasch, besuchte Rockkonzerte, versuchte, selbst eine Rockband auf die Beine zu stellen, dealte, klaute, fuhr Motorräder zu Schrott, bis er das Schreiben als Lebensinhalt entdeckte.
Sex & drugs oder Alkohol & Liebe sind denn auch wiederkehrende Themen. Gleich mehrfach kommt T.C. Boyle in den Geschichten auf die Schwierigkeiten, in die einen extensiver Alkoholgenuss bringen kann. Da jagt dann eine Katastrophe die nächste, auch wenn seine Protagonisten nicht mit heiler Haut, aber dafür halbwegs lebendig die schwierigsten Situationen überstehen. Vor allem in Verbindung mit Liebe bewirkt Alkohol schlimmen Realitätsverlust. Da gewinnt zum Beispiel ein junger Mann ziemlich angetrunken bei einer Wette in einer kalifornischen Bar eine afrikanische Raubkatze. Um der Kellnerin zu imponieren, nimmt er das Tier mit nach Hause und lässt es in seinem Schlafzimmer frei – das hat üble Folgen.
In einer anderen Geschichte vernebelt ständiger Alkoholmissbrauch einem Barmann das Gehirn so sehr, dass er sich auf einen Partnertausch einlässt und gar nicht merkt, was er damit anrichtet. Natürlich ist am Ende er der Dumme. Der Titel entspricht dem Geschehen: ‚Alle meine Schiffbrüche’.
So geht es in allen Geschichten: T.C. Boyles Protagonisten sind keine Helden, sondern Verlierer, wenn auch sympathische Gescheiterte. Er verkneift sich jedoch das Moralisieren und kennt auch keine Happy Ends. Und wenn sie nicht gestorben sind, so saufen sie noch heute.
Mit zu den besten gehört jene Geschichte, die in den windigen Nordregionen Argentiniens spielt. Ein amerikanischer Umweltfanatiker versetzt mit seinen hysterischen Hiobsbotschaften über das Ozonloch die ganze Schafzüchtergemeinde der Gegend in Angst und Schrecken, bis sich schließlich jeder eine dunkle Brille aufsetzt und jeden Altersflecken für Hautkrebs hält. Eine ironische Paraphrase auf übertriebene Öko-Panikmache.
Bisweilen haben die Geschichten auch surrealen Charakter: Um die Hundewelt zu erforschen, kriecht eine Frau auf allen Vieren mit den ortsansässigen Vierbeinern durch die Gegend, um ihren Geruchssinn zu schärfen. Sie bleibt nicht allein. In eine als besonders sicher angepriesene Wohnsiedlung in Florida mit allem modernen Komfort bricht die Tierwelt ein – die Natur erweist sich stärker als der Mensch. Ein Radiodiscjockey versucht, den Guinness-Rekord im Wachbleiben zu brechen – er schafft es, aber um welchen Preis.
Geschickt überspielt T.C. Boyle, dass er ein großer Moralist ist. Er warnt, indem er übertreibt. Nicht immer überzeugen seine schrägen Ideen, aber er hat auf alle Fälle viel Fantasie. Und die ist ansteckend.
Rezensiert von Johannes Kaiser
T.C. Boyle: "Zähne und Klauen", Erzählungen,
Aus dem Amerikanischen von Anette Grube, Dirk van Gunsteren, Hanser Verlag, München 2008, 318 Seiten, 19,90 €