Geschlechter in der Steinzeit

JägerInnen und Sammler

Der Kampf von Urmenschen gegen ein Mammut: Das Modell im Maßstab in Originalgröße ist in einem privaten Saurierpark in der ostsächsischen Gemeinde Kleinwelka zu sehen.
Der Kampf von Urmenschen gegen ein Mammut: Das Modell im Maßstab in Originalgröße ist in einem privaten Saurierpark in der ostsächsischen Gemeinde Kleinwelka zu sehen. © dpa / picture alliance / Matthias Hiekel
Von Anette Selg |
Der Mann geht auf die Jagd, die Frau hütet die Höhle: So stellen viele sich die Steinzeit vor - und begründen damit bis heute Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dass es auch ganz anders gewesen sein könnte, zeigt nun eine Ausstellung in Freiburg.
"Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?" Die aktuelle Ausstellung des Archäologischen Museums in Freiburg ist ganz unerwartet zum Publikumsrenner geworden. Eine große Schlagzeilenwand im Foyer des Gebäudes dient zur Einstimmung auf das Steinzeit-Thema
"Viele der Zitate, die wir haben, erklären angebliche Verhaltensunterschiede heute zwischen Männern und Frauen mit der angenommenen Rolle von beiden Geschlechtern in der Steinzeit. Also Zitate wie: 'Männer suchen bewegliche Beute, Frauen das Nützliche.' Oder: 'Am Grill findet der Mann zu seiner ureigensten Rolle als Jäger und Familienversorger zurück.' Das heißt, heute wird damit argumentiert, dass bestimmte Unterschiede schon immer so waren und dass die aus der Steinzeit, aus dieser Rolle 'Mann als Jäger', 'Frau als Sammlerin und Nesthüterin' herstammen."
Eine Statue mit Brüsten - oder sind es Hoden?
Helena Pastor ist eine der zwei Direktorinnen des Museums Colombischlössle, einer herrschaftlichen Villa im neugotischen Stil im Zentrum von Freiburg. Ganz sachte bricht die Ausstellung mit den Erwartungen der Besucher. In einem der ersten Räume sind kleine steinzeitliche Statuen aufgereiht. Manche eindeutig männlich oder weiblich, andere irritierend uneindeutig.
"Wir haben zum Beispiel eine Figur, die besteht aus einem stilisierten Stab. Daran hängen, und das ist die Frage, entweder zwei weibliche Brüste, also es könnte eine ganz reduzierte Darstellung von einer Frau mit Brüsten sein. Es könnte aber genauso gut sein, dass dieser längliche Stab eher für einen Phallus steht und das, was wir als weibliche Brüste bezeichnet haben, vielleicht eher die Hoden sind."
In einer anderen Vitrine finden sich erhaltene Gräber mit Beigaben. Ein weibliches Skelett, das mit Schmuckknöpfen bedacht wurde. Das Grab eines Mannes mit Pfeilspitzen. Doch so einfach ist es nicht mit den Rollenbildern in der Archäologie.
"Solche Fallbeispiele haben wir hier in dem Raum gesammelt, um zu zeigen, was passiert, wenn man sich wirklich der Sache annimmt, den Mut hat, unabhängig voneinander zu untersuchen und zu gucken also und von den festgelegten Vorstellungen wegzukommen. Es ist zum Beispiel so, dass wir bei manchen Gräbern – ein Grab mit Schmuck, ein Grab mit Waffen aus dem Frühmittelalter –, nur dass es hier so ist, dass die Anthropologie uns sagt, das Grab mit Schmuck, der Schmuck gehörte einem Mann, und die großen Messer gehörten einer Frau. Das zeigt, manchmal bestätigen sich unsere Vorstellungen, aber manchmal nicht."
Frauen hinterließen Handabdrücke neben Jagdbildern
Vor allem durch die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften wie der Anthropologie oder der Biologie ergeben sich seit einiger Zeit neue Erkenntnisse über das Zusammenleben der Geschlechter in der Urzeit.
"Es gibt in der Altsteinzeit, das kennen die meisten Leute, diese wunderschönen Tierbilder aus den Höhlen in Südfrankreich und Nordspanien, Lascaux, Altamira und so weiter. Was weniger bekannt ist, ist, dass häufig neben diesen Tierbildern auch Handnegative erscheinen. Die Menschen haben eine Hand auf die Felswand gelegt und dann mit einem Röhrchen Farbpigment draufgeblasen, dann blieb der Umriss der Hand erhalten. Und die Biologie hat schon vor einiger Zeit eine Methode entwickelt, die es erlaubt, an den Händen, an den Größenverhältnissen der Finger, Männer- und Frauenhände zu unterscheiden."
Tatsächlich kamen vor einigen Jahren zwei unterschiedliche Forscherteams zu dem Ergebnis, dass gut drei Viertel dieser Händen von Frauen stammen.
"Es heißt ja immer, diese Tiere sind so wunderbar dargestellt, so naturalistisch, weil die Menschen damals auf der Jagd die Tiere beobachtet haben, und das konnten sie dann wiedergeben bei den Felsbildern. Wenn jetzt die Frauen die Bilder gemacht haben, dann ist natürlich die Wahrscheinlichkeit da, dass sie zumindest mit dabei waren auf der Jagd. Und darum geht es uns. Also, es ist keine Ausstellung, die fertige Antworten liefert, das können wir nicht. Aber wir versuchen, den Fächer zu öffnen, damit man nicht Sachen übersieht, nur weil man nicht bereit ist, das zu sehen."

Die Ausstellung "Ich Mann. Du Frau" ist noch bis zum 17. Mai 2015 im Archäologischen Museum Colombischlössle in Freiburg zu sehen.
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