Die Rückkehr der alten weißen Männer
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Ob das Rennen um den CDU-Parteivorsitz oder die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten: Den Kampf um die Machtpositionen bestimmen ältere Männer aus der weißen Mehrheitsgesellschaft. Waren wir nicht schon weiter? Ein Streitgespräch.
Können auch Männer Kanzlerin werden? Dieser halb ernst gemeinte Spruch dürfte bald Vergangenheit sein, denn um den Parteivorsitz der CDU und damit um die Kanzlerkandidatur bewerben sich nur Männer: Norbert Röttgen, der Außenseiter, ist mit 54 Jahren der Jüngste im Bunde. Armin Laschet ist 59, Friedrich Merz steht mit 64 kurz vor dem Rentenalter.
Gerade bei der CDU sehen wir: Chancen haben momentan nur ältere Männer aus der weißen Mehrheitsgesellschaft. In den USA scheint sich ein ähnliches Bild zu zeigen: Am Super Tuesday finden gerade in 14 Bundesstaaten Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur der demokratischen Partei statt. Aber Chancen haben vor allem Bernie Sanders und Joe Biden. Zwei junge Kandidaten sind gerade ausgestiegen, darunter eine Frau. Sie wollen den 77-jährigen Biden unterstützen. Sanders ist 78. Ihr Gegner Donald Trump junge 73. Und bei den Wahlen in Israel sind der 70-jährige Netanjahu und der 60-jährige Gantz gegeneinander angetreten.
Können wir noch nicht damit umgehen, dass Frauen dauerhaft Macht ausüben? Oder können das ältere erfahrenere Männer einfach besser?
"Die Männer hindern die Frauen nicht"
Die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner wäre eine gute Kandidatin für die CDU gewesen, sagt Wolfgang Bosbach, ehemaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzenden der Union: "Die Männer haben sie bestimmt nicht daran gehindert zu kandidieren." In der Union seien zwar 75 Prozent männlich, aber man könne jetzt nicht den Männern vorwerfen, dass sie CDU-Vorsitzende werden wollen.
Stattdessen solle man fragen, was die Partei tun könne, um attraktiver für Frauen zu werden, sagt Bosbach. Männer könnten Politik nicht automatisch besser, "das ist eine Frage der Kompetenz und der Erfahrung, und vor allen Dingen, siehe USA: Wem traut die Partei es am ehesten zu, in Wahlkämpfen erfolgreich zu sein?"
"Es gibt Männer, die Macht horten"
Für die deutsch-kroatische Schriftstellerin und Journalistin Jagoda Marinić lautet die entscheidende Frage nicht, warum sich Frauen nicht trauten. Es falle Frauen sehr viel schwerer, sich gegen langjährige Männernetzwerke durchzusetzen: "Ich finde es wichtig, dass wir uns klarmachen, dass es alte weiße Männer gibt, die Macht horten. Und es ist auch wichtig zu bemerken, dass Bernie Sanders vielleicht gar nicht dazugehört, weil es bei seinen Ansatz eben nicht darum geht, Privilegien für sich und die weißen Männer zu sichern, sondern auch besser zu verteilen und zu gucken, wie kann ich mehr Teilhabe in der Demokratie gewährleisten."
Frauen hätten bei der anfallenden Familien- und Sorgearbeit zu wenig Zeit, um politische Erfahrungen zu sammeln. Dazu brauche es mehr "frauenfreundliche Politik". Sich für diese Gleichberechtigung einzusetzen, sei auch eine wichtige Aufgabe für Männer, sagt Marinić.
(sed)