Geschlechterstereotype in der Berufswahl

"Wer unsicher ist, greift auf Bekanntes zurück"

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Die Auszubildenden Ellen Faulstich und Stefan Grampe stehen vor allerlei chemischem Instrumentarium auf der Berufsmesse in Halle/Saale.
Auf der Berufsmesse "Chance" im Jahr 2017 in Halle/Saale: Hier stellen sich Betriebe vor und werben um Azubis. © picture alliance / Hendrik Schmidt
Klaus Hurrelmann im Gespräch mit Julius Stucke |
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Berufseinsteiger wählen noch immer eher Berufe, die als tradiert männlich oder weiblich gelten: Mechatroniker etwa oder Friseurin. Den jungen Menschen fehle es bei der Berufswahl an Orientierungshilfe, sagt der Jugendforscher Klaus Hurrelmann.
Bunt, vielfältig und divers ist unser Leben offiziell, auch was die Zuordnung zu verschiedenen Geschlechtern angeht. Bei der Berufswahl zeigt sich laut einer Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer jedoch, dass viele Jungen und Mädchen Berufe anstreben, die in althergebrachte Rollenbilder passen.
Für den Sozialwissenschaftler und Jugendforscher Klaus Hurrelmann hat das vor allem drei Gründe: eine gewisse Neigung, die wichtige Rolle der Eltern bei der Berufswahl ihrer Kinder sowie fehlende Orientierungshilfe in Form von Eignungstests.
Einerseits schlage sich auf die Ergebnisse der Studie nieder, dass etwa Jungen, ob durch Erziehung oder ihre Umwelt, eine gewisse Neigung zu technischen Zusammenhängen haben. "Sie wählen Berufe, in denen Technik und Maschinen eine Rolle spielen. So können wir das auch bestätigen, wenn wir die jungen Leute fragen. Die Mädchen und jungen Frauen haben eine größere Neigung zu Menschen, sozialen Zusammenhängen, zu allem, was mit Gesundheit zu tun hat. Diese Orientierungen werden auch in den nächsten Jahren noch durchschlagen."

Wenn sich junge Menschen nicht trauen

Das sei an sich nichts Negatives, so Hurrelmann, erst "wenn es stereotyp wird. Wenn man das Gefühl hat, da traut sich ein junger Mann nicht in eine andere Zone hinein, obwohl er die Neigung hat. Oder eine junge Frau traut sich nicht, in den technischen Beruf zu gehen, weil dort wenige Frauen sind. Dann wird es auch für den Arbeitsmarkt sehr unangenehm."
Dass die Rollenbilder immerzu weitergetragen würden, spiele natürlich eine große Rolle. Seien in einem Beruf überwiegend Männer oder Frauen beschäftigt, dann habe es das andere Geschlecht extrem schwer, sich durchzusetzen. Dann werde man zur Außenseiterin und zum Außenseiter.
Eine wichtige Aufgabe übernehmen die Eltern: "Wir wissen aus allen Studien, dass es die Eltern sind, die die allerwichtigsten Berater für die jungen Leute sind, wenn sie vor der Frage stehen: Was mache ich? Welchen Beruf wähle ich?" Inhaltlich seien die Eltern gute Berater, weil sie ihre Kinder gut kennen. "Aber sie kommen natürlich mit ihrer Erfahrung aus einer Zeit von vor 30 Jahren. Das könnte erklären, warum es so lange dauert, bis Bewegung in die Stereotype hineinkommt", meint Hurrelmann.

Es gibt 400 Ausbildungsberufe und zahllose Studiengänge

Und dann fehle es außerdem an Orientierungshilfen. Viele junge Menschen wüssten gar nicht, wie viele Ausbildungen es eigentlich gebe. Sie hörten nur von den meistgewählten Berufen. Und weil die Suche nach dem passenden Beruf reichlich unübersichtlich sei, litten die jungen Menschen: "Es gibt fast 400 Ausbildungsberufe, parallel dazu gibt ganz viele Studienplätze. Was soll ich machen? Ich habe keine Übersicht als junger Mann, als junge Frau. Es gibt keine modernen Informationsmittel, deswegen sind ja die Eltern in einer Schlüsselrolle."
Angebote wie Tests und anschauliche Beispiele gebe es zwar schon, aber Hurrelamm zufolge nicht in ausreichender Form: "Die jungen Leute fühlen sich nicht gut informiert, sie schwimmen, sie sind unsicher. Und wenn man unsicher ist, greift man auf etwas zurück, was immer schon war und was bewährt ist."
In der ausreichenden Information junger Menschen liege der Schlüssel für eine Berufswelt, die weniger auf stereotypen Berufsbiografien fuße, davon ist Hurrelmann überzeugt.
(aba)
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