Geschlechtsangleichung

Trucker Tracy reist nach Thailand

Die Amerikanerin Trucker Tracy (l.) und Bune, ein Assistent der thailändischen Klinik.
Die Amerikanerin Trucker Tracy (l.) und Bune, ein Assistent der thailändischen Klinik. © Deutschlandradio / Katrin Albinus
Von Katrin Albinus |
In keinem anderen Land leben offen sichtbar so viele Transpersonen wie in Thailand. Und nirgendwo sonst werden so viele geschlechtsangleichende Operationen vorgenommen. Unterwegs mit LKW-Fahrerin Tracy, die diesen Schritt wagt.
"'Er', oder 'sein'... vielleicht ist er sauer auf mich. Weil ich "ihre" sagen müsste, oder "sie". ... Tracy Hart....ok, USA, Las Vegas. Ihr Geburtsjahr ist 1960. Wie alt ist sie dann jetzt? 1960... 55 Jahre alt. Das ist eigentlich schon ein bisschen alt.... (blättert) Oh, aber ihr gesundheitlicher Zustand ist: ok. Alles ist... normal.
Bune steht hinter dem Tresen im Foyer des Preecha Aesthetic Institut, kurz PAI, eine Klinik für plastische Chirurgie in Bangkok. Begrüßt die ersten Kunden. Bune ist Assistent der Geschäftsleitung, Mädchen für alles im PAI. Telefoniert, mailt, organisiert, erledigt den Papierkram. Jetzt erwartet er eine Patientin aus den USA. Die körperlich noch halb Mann ist.
Im Wartebereich des PAI ist es heute ruhig. Die Wände sind mit cremefarbenem Stoff bezogen, heller Marmorfußboden, weiße Sessel, kleine Beistelltischen aus dunklem Holz. Darauf Lifestyle-Magazine wie "Prestige" oder "Attitude". Manchmal, erzählt Bune, sei es hier wie auf einem Basar.
In Thailand ist es üblich, sich mit dem Vornamen anzusprechen. Bevor also Frau Tracy kommt, schaut er sich noch einmal ihre Unterlagen an. Bei ihr geht es um eine Geschlechtsumwandlung. Aus dem Penis soll eine Vagina werden. Eine große Operation, mit vielen Voruntersuchungen.
"Der Doktor will wissen, was mit HIV ist, bei jedem Patienten, oder ob es Probleme mit Herz oder Lunge gibt. Das ist sehr wichtig. Hat sie nicht. Weil wenn Patienten Probleme mit dem Herzen oder der Lunge haben ... die Operation geht fast vier Stunden, kann das unter der Narkose gefährlich werden."
Die als seriös geltende Klinik, in der Tracy auch operiert wurde, heißt PAI.
Die als seriös geltende Klinik, in der Tracy auch operiert wurde, heißt PAI.© Katrin Albinus
Alle möglichen Krankheiten werden abgefragt, Asthma, Diabetes, Krebs Arthritis, vorhergehende Operationen. Dazu Befunde von Laboruntersuchungen, Röntgenbilder, EKG, psychologische Gutachten verlangt. Sind die Ergebnisse bei der Ankunft allerdings älter als einen Monat, müssen die Untersuchungen wiederholt werden.
Am Seiteneingang fährt ein Wagen vor, eine Frau steigt aus und geht durchs Foyer. 1,80 groß und schlank. Der schwarze eng anliegende Pullover spannt über den Brüsten. Jeansrock, schwarze Pumps. Das ist Tracy. Sie trägt eine Sonnenbrille, schulterlanges brünettes Haar. Nach der Begrüßung beginnt Tracy gleich damit, ihre Anmeldung auszufüllen.
"Adeno-virus Erkrankungen. Keine. Tägliche Medizin, momentan. Keine. Mein Familienname. Hört sich das nicht männlich an? Sir-name. Nein, ich mach nur Spaß. Tracy A – und das ist kein Anfangsbuchstabe. Das ist einfach nur "A", weil als ich meinen Namen geändert habe, konnte ich mich für keinen Zweitnamen entscheiden, deswegen hab ich gesagt: nehmen Sie einfach einen Buchstaben. Also haben wir A genommen. Sie haben gesagt, du brauchst einen Zweitnamen, aber ich hab gesagt: nein, A reicht."
Erst am Vortag ist sie nach einem 20 Stunden-Flug aus den Staaten in Bangkok angekommen. Sie wirkt trotzdem frisch, gut gelaunt. Vielleicht weil sie ohnehin eine gute Konstitution hat, muskulös ist, vor allem ihre Arme. Tracy ist Lastwagenfahrer, schon seit über 30 Jahren, erzählt sie.
"Ich habe etwa 18, 19 Stunden am Tag gearbeitet, sehr wenig geschlafen. 28 Tage im Monat, zwei Tage nach hause, dann wieder los. Das hab ich 34 Jahre so gemacht. Ich musste wirklich anfangen, mir selbst mehr Zeit zu geben. Ich bin jetzt 55, jetzt ist Tracy-Zeit! Es wird Zeit, das Leben zu genießen, und nicht mehr so hart zu arbeiten."
Als Tranperson unter Truckern – das klingt nicht ganz ungefährlich. Und manchmal ist es das auch nicht.
"Vor sechs oder acht Monaten kam ein Mann auf mich zu, ein großer LKW-Fahrer. Er sagte: ey, du verdammter Spinner! Du bist doch verrückt! Ich war nur da, um zu tanken. Da musste ich wirklich auf mich aufpassen. Ich laufe nicht weg, wenn es Ärger gibt. Aber das war ein großer Typ und LKW- Fahrer sind nicht die gebildetsten Menschen. Also muss ich auf mich aufpassen. Und das mache ich auch! Aber ich mache trotzdem meinen Job, davon lebe ich nun mal. Ich lauf' vor niemandem davon."
Tatsächlich kleidet sich Tracy erst seit ein paar Jahren als Frau, vor zwei Jahren hat sie ihre Brüste machen lassen. Bis dahin war es ein sehr langer Weg. Als Kind unternimmt sie mehrere Selbstmordversuche, mit 17 sucht sie das erste Mal einen Psychologen auf. Den sie sich aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr leisten kann. Sie lebt weiter als Mann, heiratete sogar zwei Mal. Das Gefühl im falschen Körper gefangen zu sein, versucht sie zu unterdrücken. Glaubt, sie könne sich ändern. Als die Beziehungen scheitern, stürzt sie sich in Arbeit. 2004 geht sie zu einem Psychiater, der selbst transsexuell ist und ihr Mut macht. Doch eine Operation bleibt auch dann vorerst noch ein Traum.

Zur Operation kommen die Kosten für Flug und Hotel

"Ich hab immer gedacht, finanziell ist das für mich nicht zu schaffen. In den USA sind die Kosten einfach immens. In Colorado ist die Operation 4-5 Mal so teuer. Das geht bei 25.000 Dollar los, und wir wissen alle, dass es dabei nicht bleibt. Das ist nur für die Operation."
In Deutschland sind die Kosten ähnlich hoch, wie in den USA, werden allerdings von den Kassen übernommen. Weil Transsexualität als Krankheit angesehen wird.
Manchmal weigern sich die Kassen allerdings zu zahlen, dann muss der Patient entweder klagen – oder die OP selber zahlen. Für die Leistungen, die Tracy im PAI für 8600 Dollar erhält – mindestens das Vierfache. In Tracys Paket sind Voruntersuchungen, Operation, Krankenhausaufenthalt und Nachsorge enthalten.
Dazu kommen die Kosten für Flug und Hotel.
Wer zu einer OP nach Thailand reist, wird als Gast behandelt, und nicht als Patient. Das spürt auch Tracy deutlich.
"Tracy, wegen der medikamentösen Behandlung, die Sie angehängt haben... das ist das Gutachten vom Psychiater, Dr. Graham."
"Zuerst einmal ist hier der Brief. Ich weiss, dass Sie das hier haben wollen."
"Ja, genau."
"Das ist der Bluttest. Den können Sie haben. Hier ist noch ein Bluttest."
"Wie lange sind die her, die Untersuchungen?"
"Dieser ist vom September, und dieser von August. Und das hier besagt, dass sie mich getestet und ok befunden haben, die Operation zu machen."
Tracy hätte den Eingriff auch weit günstiger haben können. Nur ein paar S-Bahn-Stationen weiter liegt die Bangkok Plastic Surgery Clinic. In einer normalen Wohngegend. Mit Garküchen am Straßenrand, gegenüber ein kleiner Supermarkt, direkt vor der Tür eine Bushaltestelle. Hier wird die gleiche Operation schon für 2000 Dollar weniger angeboten, eine Preisliste steht sogar auf der Website. Auf der stellt sich auch Dr. Pichet vor, als Arzt mit langjähriger OP-Erfahrung. E-Mails beantwortet er allerdings ohne Anrede und Gruß, zitiert nur zum Interview. Zu dem er dann nicht erscheint. Stattdessen schickt er Mrs. Dao vor, seine Assistentin. Die ein paar Fragen beantwortet, etwa die nach den Voraussetzungen für die Operation.

Vor der Operation müssen Patienten zum Psychologen

"Der Patient muss Hormone nehmen. Und wenn er ein Gutachten von einem Psychologen hat, ist das gut für den Arzt. / A: Und wenn Leute ohne ein Gutachten kommen? / Dao: Wenn sie Hormone nehmen, bringe ich sie ins Krankenhaus, zu einem Psychologen."
Vor einer geschlechtsangleichenden Operation müssten Patienten in Thailand einen Psychologen aufsuchen, hatte Bune erklärt. Doch vor allem sollten sie auch ein Gutachten aus dem eigenen Land vorlegen, das bescheinigt, wie lange sie bereits als Frau oder Mann leben. Mindestens ein Jahr, besser länger, der sogenannte Alltagstest. Er soll verhindern, dass Menschen eine Entscheidung treffen, die nicht rückgängig zu machen ist.
Dr. Pichet scheint es da den Patienten etwas leichter zu machen.
Die Bangkok Plastik Surgery Clinic
Die Bangkok Plastik Surgery Clinic wirbt um Kunden, sie wirkt weniger seriös als andere Kliniken.© Katrin Albinus
Pichet ist einziger operierender Arzt im Haus, außerdem gibt es noch einen Anästhesisten, sagt Mrs. Dao und führt ein wenig in der Klinik herum.
"In diesen Raum kommen die Patienten zur Besprechung, vor der Operation. Und um die ganzen Formalitäten zu erledigen, alles zu unterschreiben. Und danach geht man zum Operationsraum. Einige am selben Tag, einige vielleicht am Tag danach."
In einem weiteren Zimmer steht eine Liege. Hier reinigt der Arzt nach der OP die Wunde, erklärt sie.
"Bei einer Geschlechtsumwandlung geht man vielleicht so nach zwei Tagen zurück ins Hotel. Dann kommt man jeden Tag, um die Wunde reinigen zu lassen. Und wenn die Leute Hilfe brauchen, schicken wir jemanden, der den Patienten abholt."
Auf der Website gibt Dr. Pichet an, in einem großen Krankenhaus zu operieren, stellt entsprechende Fotos dazu. Seine Assistentin dagegen erklärt, dass ein Stockwerk höher operiert wird, in einem hauseigenen OP-Raum. Der darf aber nicht besichtigt werden. Dr. Pichet führt dort gerade eine achtstündige Operation durch.
Dann erklärt Mrs. Dao die Führung für beendet.

Drei Milliarden Euro lassen Patienten jährlich im Land

Der Markt für geschlechterangleichende Operationen ist weit gefächert in Thailand: von der OP im Hinterzimmer bis zu großen renommierten Krankenhäusern ist alles dabei. Die Operationen sind zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, verlässliche Zahlen gibt es aber nur für den gesamten Medizintourismus: rund drei Milliarden Euro lassen Patienten jährlich im Land.
Was Touristen außer den Preisen noch schätzen: geschlechtsangleichende Operationen sind Routine. Während in Deutschland Ärzte als erfahren gelten, die rund 100 solcher OPs durchgeführt haben, kommen thailändische Kollegen im selben Zeitraum auf zehn Mal so viele.
Ein Grund dafür ist auch, dass in Thailand selbst überdurchschnittliche viele Transsexuelle leben. Etwa 20 Mal so viele wie in Deutschland. Im Alltag sind sie präsenter, in der Gesellschaft tolerierter. Transsexualität gilt im Buddhismus als Konsequenz aus Taten des vorherigen Lebens. Wer weiß also, ob es einen im nächsten Leben nicht selber trifft...
Tracy hat in der Zwischenzeit die Formalitäten erledigt, setzt sich in den Wartebereich vor dem Sprechzimmerzimmer des Arztes. Der will ihr gleich noch einmal Details des Eingriffs erklären und sich sein Arbeitsmaterial ansehen, ihren Penis.
51 Jahre, sagt Tracy, hat sie jetzt auf diesen Moment gewartet. Mit vier merkt sie bereits, dass sie gerne Kleider tragen möchte, ihr Penis sie befremdet, nicht da sein sollte. Ein langer Weg also bis hier her. Aufgeregt? Nein, sagt sie. Vor allem zufrieden.
"Ich weiß aber auch, dass nach der Operation eine harte Zeit auf mich zukommt, dass alles wund und geschwollen sein wird, ich Schmerzen haben werde für ein paar Monate. Ich bin fünf Tage im Krankenhaus, sie behalten mich ja aus gutem Grund so lange da. Wenn ich mit der Wundheilung durch bin, ich glaube dann werde ich aufgeregt sein! Dann ist alles getan, vollendet. Auf den Tag freue ich mich schon."

Sie freut sich auf passende Jeans

Die Veränderungen für ihr Leben durch die Operation betrachtet sie eher nüchtern. Sie freut sich auf ein paar passende Jeans, darauf, sich etwas femininer zu fühlen. Und dass das Problem mit den Toiletten endlich gelöst ist.
"Einfach aufs Damenklo gehen zu können. In den Vereinigten Staaten können sie dich verhaften, wenn du mit einem Penis auf dem Damenklo erwischt wirst. Das ist natürlich lächerlich, weil ich will ja einfach nur pinkeln. Jetzt muss ich mir darüber keine Sorgen mehr machen."
Tracy (r.) und Bune vor der Operation in einer thailändischen Klinik
Tracy (r.) und Bune, ein Assistent aus der Klinik, vor der Operation.© Katrin Albinus
Tracy verschwindet im Sprechzimmer des Arztes. Nur 20 Minuten später sitzt sie wieder bei Bune im Büro.
"Das erste, was er gemacht hat, war mir auf dem Computer Bilder der Operation zu zeigen, was er machen würde. Und dann hat er sich meinen Penis angesehen, und meinte, es wäre genug da, um damit zu arbeiten, genug Haut und so weiter. Und das wars im Wesentlichen."
Während Bune Tracys Termine für die nächsten zwei Tage vorbereitet, betrachtet sie einen Zeitungsausschnitt, der neben dem Schreibtisch hängt. Es ist ein Artikel über die Transperson Morgana Love, die nach der OP bei Dr. Preecha an einem internationalen Schönheitswettbewerb teilgenommen hat.
Anders als bei Tracy sieht man Morgana Love nicht an, dass sie eine Transfrau ist. Sie könnte auch als natürliche Frau durchgehen, hat früher angefangen, Hormone zu nehmen, die Operation bereits mit Ende 20 machen lassen.
"Ich sehe transsexuell aus, daran gibt es keinen Zweifel. Da mache ich mir auch nichts vor. Was verspreche ich mir also von der OP? Als erstes Mal werde ich etwas los, was ich nicht will. Den Penis. Zweitens werde ich das Testosteron los, es wird runter gehen auf einen normalen weiblichen Level. Mein Psychiater hat mich gefragt: kannst du 100-prozentig als Frau durchgehen? Und ich hab geantwortet: nein. Aber weißt du, als was ich immer durchgehe? Ich gehe immer als Tracy Hart durch, und zwar ohne jemals üben zu müssen. Das ist alles, was ich im Leben will: als Tracy Hart zu bestehen. Ich bin ein LKW-Fahrer, weißt du...?!"
"Ok, Frau Tracy. Der Plan für heute. Wenn Sie hier fertig sind, fahren Sie zuerst ins Krankenhaus, zum Labortest. Das müssen Sie nochmal machen, weil Ihre Ergebnisse älter als einen Monat sind. Danach zum Kardiologen, den müssen Sie allerdings extra bezahlen."
"Ja, ich verstehe."
"Wenn der Patient über 45 ist, muss das Herz noch mal gecheckt werden."
"Selbst wenn man sich wie 25 fühlt. Peera, der Geschäftsführer, hat es mir schon gesagt."
"Alles für die Sicherheit des Patienten. Safety first, zu 100 Prozent."
Am Tag darauf muss Tracy noch zu einem Psychologen, dann sind alle Formalitäten erledigt, alles ist bezahlt. Jetzt will sie eine rauchen – was sie zwei Wochen vor der OP eigentlich nicht mehr sollte.
"Ich trinke nicht, irgendwas Schlechtes muss ich ja auch für mich machen. Ich will ja nicht 200 werden. Wenn ich sterbe, sterbe ich eben. Ich will auch Spaß haben, solange ich hier bin."
Bei einer geschlechtsangleichenden Operation vom Mann zur Frau werden in Thailand im Wesentlichen zwei Verfahren angeboten: die Penile Inversion und die Sigmoid Colon Technik. Im ersten Fall wird die Penishaut nach innen gestülpt und bildet den Vaginalkanal. Beim zweiten Verfahren wird ein Teil des Dickdarms für die Vagina benutzt. Das Verfahren hat den Vorteil, dass die Neo-Vagina tiefer ist und selbst Feuchtigkeit produziert. Dr. Sutin, Tracys behandelnder Arzt, rät seinen Patienten aber eher zur einfachen Variante, der Penilen Inversion.
"Wenn genug Haut da ist, sollte man die zuerst benutzen. Mit der Haut hat man weniger Risiken, die Operation ist kürzer, und die Tiefe der Vagina reicht auch meist für die sexuelle Funktion. Nur für die Feuchtigkeit braucht man dann Gleitgel. Aber wenn man mehr Tiefe will und die Feuchtigkeit einem sehr wichtig ist, entscheidet man sich vielleicht für die Colon Operation. Dabei gibt es allerdings mehr Risiken, weil es ein Eingriff im Bauchraum ist. Diese Operation könnte man in einem zweiten Schritt auch später noch machen, falls man unzufrieden ist. Aber die meisten Patienten sind ohnehin zufrieden mit der Penilen Inversion, und hören dann auf."
Auch Tracy hat sich für diese Methode entschieden. Dr. Sutin wird die OP in einem großen Krankenhaus in Bangkok durchführen.

Von Billiganbietern wird abgeraten

Eine Operation gilt als gelungen, wenn sie drei Dinge erreicht: ausreichende Tiefe, gerne auch Feuchtigkeit für die sexuelle Funktion; Erregbarkeit für das Lustempfinden; und ein gutes optisches Erscheinungsbild.
"Wenn sie sehr jung sind, wollen sie alles: Erregung, gutes Aussehen, und die Tiefe für die sexuelle Funktion. Je älter die Leute sind, desto weniger kommt es ihnen auf die Funktion an. Es soll nur gut aussehen, weil sie gar keine Liebe mehr machen wollen. Den meisten ist es wichtig, dass das äußere Erscheinungsbild möglichst ähnlich ist zu dem einer natürlichen Vagina."
Dr. Sutin zeigt auf dem Bildschirm ein paar Operationsergebnisse. Wenn die Wunde nach ein paar Monaten ausgeheilt ist, ist die Neo-Vagina von einer natürlichen nicht mehr zu unterscheiden. Doch das Ergebnis hängt natürlich auch davon ab, in welche Hände man gerät. Der Markt ist groß in Thailand, von Billiganbietern rät Dr. Sutin dringend ab.
"Wenn es zu billig ist, bedeutet das, dass die Operation in einer kleinen Klinik gemacht wird, und nicht in einem gut ausgestatteten Hospital. Wo es auch noch andere Ärzte gibt. Das kann also riskant sein. Daher machen wir große Operationen auch immer im Krankenhaus. Und manchmal ist der Arzt in den kleinen Kliniken auch nicht gut genug ausgebildet. Das Resultat könnte also nicht gut sein, und das Risiko eventuell wirklich hoch."
Tracy steht immer noch draußen und raucht. Sie wartet auf ihren Fahrer, der sie zum Check-up ins Krankenhaus fährt.
"Wenn ich 21 wäre und noch mit einer Menge Sex rechnen würde, hätte ich mich wohl für diese Colon-Operation entschieden. Ich bin 55! Ich werde ja nicht die nächsten 30 Jahre noch durch die Betten springen, das bezweifele ich eher. Ich glaube kaum, dass das noch eine tägliche Angelegenheit wird."
Beziehungen mit Männern hat Tracy bisher nicht gehabt. Auch ihre sexuelle Orientierung wird nach der Operation Neuland für sie sein.
"Dieses Kapitel wird ab Samstag neu geschrieben, aber ich weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Und will auch keine zu hohen Erwartungen haben. Ich glaube, dass es darauf rausläuft, dass ich bisexuell lebe. Das nehme ich an – aber ob das wirklich passiert... wir werden sehen."
Der Fahrer kommt, drei Termine hat Tracy heute noch auf dem Programm. Sie muss sich auf den Weg machen. In zwei Tagen hat sie ihre Operation.
Wie wird sich Tracy ein paar Wochen, Monate, Jahre nach ihrer OP fühlen? Wie wird ihr Körper reagieren, ihre Psyche? Eine, die das vielleicht schon heute wissen könnte, ist Rachel. Die etwa 40-jährige Australierin betreibt seit sieben Jahren die Agentur Bangkok Makeovers. Der Service, den sie Patienten anbietet, ist ein Rundum-Sorglos-Paket. Sie stellt den Kontakt zu ausgewählten Ärzten und Kliniken her und bietet vor und nach der OP Unterkunft in Appartements.
Es gibt Ein-Zimmer-Appartements, aber auch größere Wohnungen, die WG-geeignet sind, je nach Vorliebe. Kostenpunkt: 55 Dollar am Tag, plus einer 300-Dollar-Buchungsgebühr.
"Wir sind im 31. Stock. Es gibt einen tollen Blick von hier oben. Sie können sich den Swimming-Pool ansehen, aber sie dürfen nicht rein. Kein Baden nach der Operation. Wir wollen ja nicht, dass Chlor die neue Arbeit beschädigt."

Heilungsprozess dauert Monate - 90 Prozent sind zufrieden

Die meisten Patienten wissen, was nach der Operation auf sie zukommt, sie haben ihre Hausaufgaben gemacht, erklärt Rachel und lässt sich auf ein weißes Ledersofa am Fenster fallen. Aber nicht selten müssen sie und ihr Team auch Nachhilfeunterricht geben.
"Eine Vagina ist selbstreinigend. Ihre ist es nicht. Deswegen muss sie gereinigt werden – jeden Tag! Ohne die Reinigung ist es wie ein dunkler, feuchter Tunnel, in dem Bakterien, alles mögliche entstehen kann."
"Und wissen sie das vorher?"
"Einige haben keine Ahnung! Nein!"
Der Heilungsprozess zieht sich über Monate hin, die neue Vagina ist zunächst einfach nur eine Wunde für den Körper, die er schließen will. Gegen diesen natürlichen Prozess müssen die Patienten anarbeiten, die neue Vagina offen halten, dehnen, jeden Tag, ein Leben lang. Was anfangs sehr schmerzhaft ist.
"Wir haben Mitarbeiter, die alle darin ausgebildet sind, die Dilation und die Reinigung durchzuführen das ist ein großer Teil des Heilungsprozesses, sehr wichtig. Auch es ihnen zu zeigen, weil das immer weiter gemacht werden muss. Das bieten wir auch mit an. Und ich lebe im selben Gebäude, so dass ich immer zu ihrer Verfügung stehe."
Rachel wohnt mit ihrem Mann und vier Kindern ein paar Stockwerke tiefer. Zu vielen Patienten hat sie ein familiäres Verhältnis. So erfährt sie oft zuerst von der neuen Liebe oder dem ersten Sex nach der OP. Den meisten Patienten ermöglicht die Operation ein neues, glücklicheres Leben, weiß Rachel. Damit das auch so bleibt, achtet sie sehr darauf, nur mit ausgewählten Ärzten zusammen zu arbeiten.
Laut Statistiken sind 90 Prozent der Patienten nach einer OP zufrieden mit dem Ergebnis. Doch es gibt auch Pfusch. Und natürlich ziehen Dumpingpreise auch Kunden an, die besser keine TransOPs haben sollten.
"Eine war in eine Freundin aus ihrer Schulzeit verliebt, die eine Lesbe war. Deswegen hat sie gehofft, dass sie ein Mädchen werden kann, um eine Lesbe zu werden, um dann mit ihrer Schulfreundin zusammen zu sein. Das ist einfach lächerlich. Aber es kommen solche Leute. Und die kommen damit durch, sie hatte tatsächlich dann die Operation. Nicht durch mich. Weil ich denke, die ist einfach nicht transsexuell. Ich sollte sicher nicht darüber urteilen, ok. Aber ich kann sagen: nein, nicht mit meiner Agentur."
Von solchen Beispielen berichtet auch Bune: Patienten, die die Operation machen lassen, weil sie glauben, damit ihrem Partner zu gefallen. Kommt es dann zur Trennung, wollen sie die OP rückgängig machen. Aber das ist nicht möglich.
Solche Fehlentscheidungen sollen die strengen und langwierigen Auflagen in Deutschland verhindern. Doch für manche wird dieser Weg zu einer Tortur.
Etwa wenn sie von Ärzten wie psychisch Kranke behandelt werden, oder die Kassen nicht zahlen und ein Rechtsstreit sie zusätzlich belastet.
Für sie kann die Reise nach Thailand zum Ausweg werden.
Tracy ist seit vier Wochen wieder zuhause in Las Vegas. Die Operation ist gut verlaufen, im Krankenhaus fühlte sie sich bestens versorgt. Danach war sie noch zehn Tage im Hotel, wurde jeden Tag von einem Fahrer abgeholt und in die Klinik gefahren – zur Nachsorge.

Wird Tracy ihren Truckerjob aufgeben?

Die Schmerzen haben ihr allerdings zu schaffen gemacht.
"Die Schmerzen waren nicht witzig. Bis vor vier oder fünf Tagen, konnte ich praktisch überhaupt nicht schlafen. Vielleicht mal eine Stunde, dann war ich wieder wach. Aber vor vier, fünf Tagen sind sie plötzlich weg gewesen. Es war unglaublich. Jetzt fühle ich mich fantastisch. Ich habe festlich geschlafen. Das hab ich wirklich gebraucht."
Seit sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hat Tracy nur sehr wenig Schmerzmittel genommen. Sie fürchtet, davon abhängig zu werden. Doch die Schmerzen müssen eigentlich kaum zu ertragen gewesen sein. Kürzlich war sie das erste Mal bei einer Gynäkologin. Die Ärztin war begeistert.
"Ich hab solche Operationen vorher schon gesehen, meinte sie, und Ihre ist hervorragend. Ich habe welche gesehen, die hatte der Arzt wirklich versaut. Das waren ihre Worte. Die hätten schrecklich ausgesehen. Das wären aber keine Ärzte von PAI gewesen, sondern von irgendwo anders her. Sie meinte, bei mir würde alles wirklich gut aussehen."
Einen Monat nimmt sie sich noch frei, dann muss sie wieder arbeiten. Eigentlich möchte sie ihren Trucker-Job an den Nagel hängen, doch eine Weile wird sie noch fahren müssen.
"Ich habe so viel Geld ausgegeben, für die Brustvergrößerung, für Operationen, Flüge, dafür, mir frei zu nehmen. Mit dem Fahren verdiene ich gut, ich kann 30 oder 40.000 zurücklegen übers Jahr und dann sagen: Tracy, jetzt hast du Zeit, dir einen Job zu suchen, den du wirklich magst. Der dich nicht begräbt, der nicht zu viel von deiner Zeit oder deinem Leben verschlingt."
Tracy möchte gerne mit Kindern arbeiten. Sie hat sich als Beraterin für ein Camp beworben, dass jedes Jahr in den USA stattfindet. Etwa 400 Kinder mit der Diagnose "Transsexuelle Dysphorie" kommen dort zusammen, können zwei Wochen lang einfach sie selbst sein.
Die Rate der Selbstmordversuche unter Transpersonen ist hoch, sie liegt bei 50 Prozent. Wenn sie nur ein Kind davon abhalten kann, sagt sie, ist es die Sache schon wert. Tracy kann ihren Erfahrungsschatz anbieten und weiß, dass es Lösungen gibt.
"Ok, take care."
"Yeah, take care. Bye, bye."
"Bye."


Katrin Albinus: "Denkt man an Transmenschen, hat man eher die Glamour-Diva vor sich. Durch Tracy wurde mir klar, dass das ganz normale Leute sind mit einer wirklich schweren Herausforderung für ihr Leben."

© Foto: Joy Eva Kröger
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