Geschlechtsneutrale Preise der Berlinale

Ein Bärendienst für die Gleichberechtigung

04:25 Minuten
Der goldene und silberne Bär bei der Preisverleihung der Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Künftig könnten weniger Schauspielerinnen mit dem Silbernen Bären der Berlinale geehrt werden, befürchtet Marina Münkler. © imago / Seeliger
Marina Münkler im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Die Berlinale will die Preise für die darstellerische Leistung ab 2021 geschlechtsneutral vergeben. Keine gute Idee, meint die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler. So werde die Benachteiligung von Frauen im Film nicht mehr ausgeglichen.
Um die Vergabe der Silbernen Bären für die beste darstellerische Leistung ist eine Diskussion entbrannt: Die Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian wollen künftig nicht mehr die beste Schauspielerin und den besten Schauspieler ehren, sondern Preise für die Haupt- und Nebenrolle vergeben, unabhängig vom Geschlecht. Sie sehen darin einen Schritt hin zu mehr Gendergerechtigkeit.
Kritik kommt unter anderem vom Verein Pro Quote, der darin ein "Feigenblatt für Innovation" sieht. Auch die Vorsitzende des Bundesverbands Schauspiel, Leslie Malton, meint: "Die Berlinale versucht mit ihrer Entscheidung politisch korrekter zu sein als korrekt und erweist den wichtigen Zielen zur Erreichung von Gender- und Diversitätsgerechtigkeit im wahrsten Sinne des Wortes einen Bärendienst."
Porträt von Marina Münkler, Literaturwissenschaftlerin, 18. Oktober 2019.
Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler© imago / teutopress
So sieht das auch die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler. Man nehme durch die Entscheidung einen "Ausgleichsmechanismus" für die stärkere Präsenz von Männern in der Filmbranche weg. Daran zeige sich vor allem eines: "Wenn man quasi an jedem einzelnen Punkt alles richtig machen will, schafft man es nicht, aus dem Falschen herauszukommen."

Ältere Männer kommen im Film gut weg, Frauen verschwinden

Im Film, aber auch am Theater sei es anders als in der Buchbranche, wo es um die schriftstellerische Leistung gehe, betont Münkler: "Man kann sehr deutlich sehen, wie dieses Business Frauen an verschiedenen Stellen benachteiligt, wie man es bei Autorinnen und Autoren so nicht findet. Dass beispielsweise ältere Männer im Film sehr gut wegkommen, während Frauen ab einem bestimmten Zeitpunkt vom Bildschirm verschwinden. Man kann feststellen, dass es in der Rollenverteilung eine Unterrepräsentanz von Frauen gibt, als sei die Welt viel stärker männlich als weiblich geprägt."
Das habe die bisherige "Preispolitik" ausgeglichen. Die Pläne der Berlinale sollten nach Meinung Münklers Konsequenzen haben: "Dann müsste man an einer anderen Stelle gleichzeitig verändern, indem man dafür sorgt, dass man bei der Auswahl der Filme entsprechende Quoten hat."
(bth)

Das gesamte Gespräch mit Marina Münkler hören Sie hier:

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Marina Münkler, geboren 1960, ist Professorin für Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Sie hat zum Begriff des Fremden geforscht und zum Phänomen der Interkulturalität. Zusammen mit ihrem Mann, dem Historiker Herfried Münkler, veröffentlichte sie 2016 das vieldiskutierte Buch "Die neuen Deutschen". Zuletzt erschien das Buch "Abschied vom Abstieg – Eine Agenda für Deutschland".

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